2.Kapitel

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»Ich will Gummibärchen!«, sagte Maria und hüpfte auf und ab, während ich und Jayjay ihr durch den Supermarkt folgten. Nachdem ich die beiden von der Schule abgeholt hatte, hatte ich beschlossen für uns ein wenig Knabberzeug und Snacks zu kaufen, damit wir während der Con etwas zu essen hatten – Jayjay würde natürlich ebenfalls etwas bekommen, auch wenn er vermutlich den ganzen Tag zu Hause sitzen und ein Buch lesen würde, dessen Titel schon so langweilig klingen würde, dass ich vermutlich schon allein davon einschlafen würde.

»Wollen wir heute Abend nicht noch einen Film schauen?«, fragte meine Schwester und ich seufzte.

»Klar, an welchen Film hast du denn gedacht?«, fragte Jayjay und schon begannen die beiden darüber zu diskutieren, welchen Film sie schauen wollten.

Ich hörte ihnen schon nicht mehr zu, ich wusste genau dass ich gegen die Diskussionskünste meiner jüngeren Geschwister (was in dem Fall hieß, dass sie solange nervten bis sie ihren Willen bekamen) nicht ankommen würde, also würde ich mich wie immer einfach stillschweigend meinem Schicksal ergeben und das schauen was sie wollten.

Stattdessen betrachtete ich sehnsüchtig das Süßigkeitenregal, wo ich am liebsten alles mitnehmen würde, aber ich versuchte stark zubleiben – ich hatte mir geschworen, nicht mehr zu viele Süßigkeiten zu mir zu nehmen, zwei Tafeln Schokolade am Tag waren einfach viel zuviel, und stattdessen Sport zu betreiben. Nicht, weil ich fett war, sondern weil ich, je älter ich wurde, merkte dass meinem Körper der ungesunde Lebenstil nicht wirklich gut bekam.

Am Ende gab ich meinem Verlangen doch nach und der Einkaufswagen sah aus, als hätte ein Fünfjähriger eingekauft, aber immerhin hatte ich jetzt genug Süßkram um für die nächste Woche auszukommen und auch meine Geschwister hatten aufgehört zu diskutieren und sich anscheinend für einen Film entschieden.

Zu Hause angekommen war ich froh, wenigstens bis zum Abendessen ein paar Stunden meine Ruhe zu haben, also ging ich hoch in mein altes Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

Obwohl ich schon seit fünf Jahren nicht mehr hier wohnte, war es noch immer mein Zimmer, auch wenn der Großteil von meinen persönlichen Gegenständen fehlte. Die meisten Möbel hatte ich damals auch bei meinem Umzug mit in meine neue Wohnung genommen, lediglich ein fast leerer Kleiderschrank und ein Bett standen noch hier drin, was vollkommen ausreichend war für meine oft nur kurzen Besuche.

Ich ließ mich auf das Bett fallen und starrte einen Moment lang meine Zimmerwand an, die noch immer mit Postern zugeklebt war, welche ich aus irgendwelchen Anime Zeitschriften hatte, und welche nur aus dünnem Papier bestanden, die sobald ich auch nur versuchen würde sie abzunehmen, sofort reißen würden, weswegen sie noch immer hier hingen. Natürlich war auch meine Wohnung zu Hause mit allerhand Postern dekoriert, allerdings beschränkte ich mich mittlerweile auf dickeres Papier oder noch viel besser auf Wallscrolls, die konnte man immerhin problemlos wieder abnehmen.

Mit einem Seufzen kramte ich meinen Laptop aus meinem Rucksack und schaltete ihn an um mich meiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen. Obwohl ich ein Hardcore Animefan war und mich einige schon als „krankhaft" bezeichnen würden, war ich dennoch ein recht normaler Mensch, der mit seinem Hobby zwar gelegentlich etwas übertrieb, aber dennoch Freunde hatte mit denen er etwas unternahm. Ich war auch noch nie ein Außenseiter gewesen oder wurde gemobbt oder dergleichen, ich war beinahe schon langweilig normal.

Ich konsumierte fast alles was Anime betraf, sofern es mich in irgendeiner Art und Weise ansprach... und hohe Ansprüche hatte ich oft nicht einmal. Von Romance über Comedy bis hin zu Boyslove war alles dabei. Letzteres laß ich tatsächlich, weil ich es gar nicht mal so schlecht fand und nicht, weil ich schwul war oder mich besonderes cool tun wollte sondern eben wirklich einfach nur so. Außerdem verstand ich es auch nicht, warum ich als Typ kein Boyslove mögen konnte ohne automatisch schwul zu sein und cool war ich deswegen auch nicht.

Ich startete die Folge und hatte ganze zehn Minuten meine Ruhe, ehe Jayjay anklopfte. Genervt pausierte ich und schaute ihn an.

»Was ist denn?«

»Spielst du mit mir Monopoly?«, fragte er und hielt die Packung unschuldig lächelnd hoch. Mein Blick wanderte zu der erst zur Hälfte geschauten Folge, dann gab ich seufzend nach.

»Du verlierst doch sowieso«, meinte ich, klappte meinen Laptop aber zu und stand auf. So viel dazu, dass ich heute Nachmittag meine Ruhe haben würde... aber vermutlich hatte man die als großer Bruder ohnehin nie.

Das Zimmer meines Bruders sah wie das genaue Gegenteil von meinem aus: An einer Wand stand ein Regal mit Büchern, deren Titel Sterbenslangweilig war, die meisten davon waren Sachbücher, er hatte ein recht großes Bett, einen Schreibtisch und ein paar Pokale und Medaillen, welche er in irgendwelchen Wettbewerben gewonnen hatte, da er regelmäßig zum Karate ging. Die Poster an seiner Wand zeigten zum Großteil Serien oder Sportler... er war eben auf eine andere Art und Weise ein Verrückter wie ich es war.

Ich verbrachte die Zeit bis zum Abend also damit, meinen Bruder in sämtlichen Brettspielen komplett fertig zu machen, ehe es Abendessen gab und er ohnehin genug hatte. Danach quetschte ich mich zwischen meinen Geschwistern auf das Sofa. Anscheinend hatten sie sich für irgendeinen Comedyfilm entschieden... während des Filmes war tatsächlich mal die einzige Zeit, in der keiner der beiden etwas sagte und einfach nur das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgte, wofür ich dankbar war. Nachdem der Film geendet hatte redeten wir noch kurz darüber, dann stand ich auf.

 »Wir fahren morgen recht früh los, also geh nicht zu spät ins Bett«, sagte ich zu meiner Schwester, ehe ich die Treppen wieder nach oben ging und die Zimmertür hinter mir schloss, diesmal hatte ich vermutlich wirklich den Rest des Abends Ruhe.

Dark Shame (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt