Ich war totmüde, als ich am nächsten Morgen die Küche betrat, in welcher meine Schwester bereits gut gelaunt summend Cornflakes aß. Bei meinem Eintreten musterte sie mich. Ich trug ein My Hero Academia T-Shirt und hatte passend dazu meinen Tokyo Ghoul Rucksack dabei. Ich war eben durch und durch ein Nerd, das merkte jeder in meinem Umfeld sofort.
Meine Schwester hingegen sah ziemlich normal aus, schon seit Jahren meinte sie, dass sie unbedingt cosplayen wollte, allerdings ging ihr gesamtes Taschengeld für Figuren und die wenigen Manga die sie kaufte drauf, weswegen sie ihre Pläne jedes Jahr aufs neue verschob nur um im nächsten Jahr vor genau demselben Problem zu stehen.
»Morgen!«, flötete sie, während ich nur ein Murren von mir gab und die Kaffeemaschine einschaltete. Der Vorteil, wenn man mit dem Auto fuhr: Wir musste nicht früher aufstehen und pünktlich sein, weil wir einen Zug schaffen mussten, sondern hatten alle Zeit der Welt. Nur meine Schwester schien das nicht ganz so zu sehen.
»Du willst jetzt wirklich noch Kaffee trinken? Aber...« Ich warf ihr einen meiner Todesblicke zu. Jeder in meinem Umfeld wusste ganz genau, dass ich auf meinen morgentlichen Kaffee bestand, da konnte um mich herum meinetwegen auch die Welt untergehen, ich tat nichts bevor ich nicht mindestens eine Tasse getrunken hatte.
Maria verzog das Gesicht, dann trank ich in aller Ruhe einen Kaffee und merkte, wie ich langsam auch etwas wacher wurde.
»Können wir jetzt endlich?«, fragte sie ungeduldig und ich verdrehte die Augen.
»Die Con läuft uns nicht weg. Du solltest dich in Geduld üben.«
»Das sagt gerade der Richtige. Du würdest mir und Jayjay wesentlich weniger durchgehen lassen, wenn du mehr Geduld aufbringen würdest«,antwortete sie und nahm ihren Rucksack, den sie auf den Stuhl abgestellt hatte.
»Das liegt nur daran, dass ihr beide das wunderbare Talent habt mir schon nach zwei Sätzen auf die Nerven zu gehen.« Zusammen gingen wir zum Auto, wo ich die Rucksäcke im Kofferraum verstaute und dann auf der Fahrerseite einstieg.
Die ganze Fahrt über ließ ich Anime Openings laufen, die wir beide in mehr als nur schlechtem japanisch mitgrölten, dann begann die ewig lange Suche auf dem Parkplatz der Messehalle, bis wir endlich eine Lücke gefunden hatten und ausstiegen.
Es war März und noch immer recht kühl, da ich aber wusste wie elendig warm es in den Hallen selbst war, hatte ich mir nur eine Kapuzenjacke mitgenommen.
Dank dem Internet hatten wir uns einen Messeplan ausgedruckt und auf der Rückseite Termine für Autogrammstunden oder besondere Events aufgeschrieben, die wir unbedingt besuchen wollten.
»Du wolltest dich ja mit deiner Animegruppe treffen, ich denke zu dieser Zeit trennen wir uns auch und laufen alleine umher. Sollten wir uns doch schon vorher in der Masse von Menschen verlieren, treffen wir uns auf jeden Fall spätestens 17 Uhr beim Maid Café wieder. Sollte etwas sein, dann ruf mich bitte sofort an«, erinnerte ich sie noch einmal an unsere Vereinbarung und jetzt war sie es, die genervt die Augen verdrehte.
»Ich bin kein kleines Kind, ich habe das alles schon gestern verstanden. Lass uns jetzt endlich reingehen!«
Da wir zum Glück Online Ticktes besaßen konnten wir gleich reingehen, ohne uns vorher bei der ewig langen Schlange am Schalter anstellen zu müssen und betraten die Halle. Überall waren Stände mit Merchandise bis zum Umfallen: T-Shirts, Poster, Taschen,Kissen... alles was das Otaku-Herz begehrte. Wie immer konnte ich mich kaum statt sehen an diesem wunderbaren Anblick und nur meine Schwester, welche mich mittlerweile an der Hand genommen hatte, damit wir uns nicht schon zu Beginn aus den Augen verloren, hinderte mich daran stehen zu bleiben. Sie zog mich durch die Gegend, sodass ich kaum Gelegenheit hatte mir alles in Ruhe anzusehen, sofern das beider Masse an Menschen überhaupt möglich war, an einige Stände kam ich gar nicht nah genug heran.
»Maria, jetzt mach mal etwas langsamer. Ich möchte es genießen und nicht durch die Halle hetzen.«
»Mein Lieblingsshop für Figuren hat auch einen Stand hier. Ich muss dahin!«
»Wir kommen da noch früh genug hin, nur bitte lass mich alles anschauen.« Seufzend gab sie nach und lief tatsächlich etwas langsamer, sodass ich Zeit hatte an dem ein oder anderen Stand stehen zu bleiben und mir etwas zu kaufen.
Als wir dann endlich, den langersehnten Figurenstand erreicht hatten, wusste ich ganz genau dass sie mal wieder eine Ewigkeit brauchen würde, bis sie sich entschieden hatte was davon sie nun eigentlich haben wollte. Meine Schwester hatte die Regel, von keinem Charakter zwei Figuren zu besitzen, aber sie hatte so unendlich viele – vorallem männliche – Lieblingscharaktere, dass sie sich nie wirklich entscheiden konnte, was sie nun nehmen sollte.
Ich blieb hinter ihr stehen, bis ich hörte wie sie begeistert aufquitschte.
»Du magst den Charakter auch, oder?«, fragte das Mädchen, welches neben ihr stand und genauso neugierig die Glasvitrine betrachtete, wie meine Schwester es tat.
»Ja! Aber er hier ist auch nicht schlecht... ich kann mich nicht entscheiden, welchen ich nehmen soll«, jammerte meine Schwester auch gleich los und das andere Mädchen, was etwa im Alter meiner Schwester sein dürfte, lachte.
»Ich kenne das! Ich bestelle meine Figuren immer bei diesem Shop, sie haben ein so tolles Angebot. Beide sehen toll aus...« Die beiden begannen darüber zu reden und ich seufzte nur, hörte gar nicht mehr richtig zu.
»Hey Key! Was würdest du sagen?«, fragte Maria dann, nachdem sie eine Weile mit dem Mädchen diskutiert hatte und beide schauten mich erwartungsvoll an.
»Wirf eine Münze«, sagte ich und sie verdrehte die Augen.
»Du könntest mir ruhig bei einer so wichtigen Entscheidung helfen!« Seufzend holte ich meine Brieftasche aus dem Rucksack und drückte ihr einen 50€ Schein in die Hand.
»Hier, ein kleiner Vorschuss für deinen Geburtstag. Kauf dir einfach beide«, sagte ich und sie fiel mir kreischend um den Hals.
»Du bist der Beste Bruder auf der Welt!«
»Ja, ja ist gut jetzt lass mich los.«
Freudestrahlend bezahlte sie und hielt dann zwei Kartons mit Figuren in den Händen.
»Ich beneide dich dafür!«, sagte das Mädchen nun auch wieder und meine Schwester nickte. Gerade wollte sie etwas sagen, als ein Typ hinter dem Mädchen erschien und seine Hand auf ihre Schulter legte. Er sah nicht so aus, als ob er hier her passte: Er trug eine Lederjacke obwohl es verdammt heiß hier drinnen war und wirkte gelangweilt, als wolle er eigentlich gar nicht hier sein. Er hatte mehrere Plastiktüten in der Hand, welche er nun dem Mädchen in die Hand drückte.
»Du wolltest noch zu der Autogrammstunde. Sonst jammerst du wieder, dass du sie verpasst hast«, sagte er und nickte uns nur kurz zu.
»Stimmt! War nett mit dir zu reden«, sagte sie zu Maria und wollte sich schon umdrehen, als meine Schwester sie festhielt.
»Hättest du etwas dagegen, mir deine Nummer zu geben? Ich weiß, das kommt jetzt etwas komisch rüber, aber ich denke dass wir uns gut verstehen würden«, sagte Maria schnell und das Mädchen lächelte, ehe sie einen Stift und einen kleinen Notizblock aus dem Seitenfach ihrer Tasche kramte und den Zettel meiner Schwester reichte.
»Bye!«
Lächelnd sah meine Schwester ihr nach, ehe sie mir den Beutel mit den Figuren in die Hand drückte.
»Die nehmen sonst den ganzen Platz in meinem Rucksack ein«, sagte sie, als würde das erklären warum sie die nicht selber trug sondern sie stattdessen mir in die Hand drückte.
»Ich bin nicht den Packesel«, antwortete ich seufzend, aber gab mich meinem Schicksal geschlagen.

DU LIEST GERADE
Dark Shame (Boyslove)
Dla nastolatkówKey ist ein Otaku, wie er in sämtlichen Klischee Büchern anzutreffen ist: Regale voller Manga, Figuren und Merchandise, seine Freizeit verbringt er zum Großteil mit Anime schauen. Er kennt sich in den Genren welche er mag aus, ist oft das "Animelexi...