7.Kapitel

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»Du brauchst keine Angst zu haben, halte dich einfach an mir fest und lehn dich in die Kurven«, meinte Nate und reichte mir seinen zweiten Motorradhelm, den ich zweifelnd betrachtete. Nachdem wir unsere Nummern ausgetauscht hatten, hatten wir uns noch zweimal getroffen und mittlerweile hatte ich einen ganz anderen Eindruck von Nate bekommen.

Zwar wirkte er die ganze Zeit gelangweilt und seine Stimme, welche die meiste Zeit monoton und emotionslos klang, verstärkte diesen Eindruck, aber je besser man ihn kannte umso mehr wurde einem bewusst, dass er gar nicht so gelangweilt und desinteressiert war,wie es den Anschein hatte. Er lachte und lächelte sogar recht häufig und war durchaus auch an anderen Dingen interessiert, hörte einem Aufmerksam zu und konnte begeistert von etwas reden was er mochte, sowie jeder andere Mensch auch. Jeder, der ihn nur flüchtig kannte,würde ihn vollkommen falsch einschätzen so wie ich es getan hatte.

»Ich habe kein gutes Gefühl dabei«, murmelte ich und Nate schüttelte nur leicht mit dem Kopf.

»So geht das jedem beim ersten Mal. Meine Schwester hat mir bei unseren ersten Fahrt auch laut ins Ohr gekreischt, aber dann fand sie es so cool, dass sie richtig gerne mit mir fährt. Dir wird es genauso gehen, vertrau mir.«

»Wenn ich morgen in einem Krankenhaus aufwache, bringe ich dich um.« Er grinste nur, dann setze er seinen Helm auf.

Noch immer zweifelnd atmete ich einmal tief ein und aus, dann setzte ich den Helm auf und setzte mich hinter Nate auf das Motorrad. Sofort schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper und sicher erdrückt eich ihn gerade beinahe, so fest wie ich mich an ihn klammerte, aber er ließ es wortlos zu und startete den Motor.

Zuerst schloss ich die Augen als wir losfuhren und klammerte mich nur noch fester an Nate, doch nach einer gewissen Zeit merkte ich, dass er alles gut unter Kontrolle hatte und ich keine Angst haben musste,dass er gegen den nächsten Baum fuhr. Ich vertraute Nate und langsam fiel die Anspannung von mir ab, ich fühlte mich sicher in seiner Gegenwart, immerhin schaffte selbst seine Schwester es ohne Angst mit ihm zu fahren.

Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, dann hielt er auch schon auf einem Parkplatz. Ich stieg ab und musterte Nate, der im Gegensatz zu mir schon verdammt cool aussah, einfach nur wenn er den Helm absetzte und seine schwarzen, kurzen Haare, völlig durcheinander waren. Wardas nicht irgendwie unfair?

»Alles gut? Wie du siehst hast du es überlebt.«

»Es ist gar nicht so schlimm...«

»Sage ich doch. Und jetzt gehen wir irgendwo etwas essen, ich lade dich auch ein.«

»Das musst du nicht...«

»Ich will aber. Also, bestimmte Wünsche?« Ich schüttelte mit dem Kopf und wir setzten uns in Bewegung. Dafür, dass wir beide doch recht unterschiedlich waren, verstanden wir uns erstaunlich gut. Es gab kaum Gemeinsamkeiten zwischen uns: Wir hatten einen komplett anderen Musikgeschmack, völlig verschiedene Lebensstile und trotzdem fühlte ich mich in seiner Gegenwart wohl und es machte Spaß mich mit ihm zu unterhalten.

Immerhin hatte ich ihm heute sogar angeboten bei mir zu schlafen...Es war das erste Mal, seit ich umgezogen war, dass ich jemanden gefragt hatte ob er bei mir übernachten wollte. Nicht, weil ich sonst keine Freunde hatte, sondern weil ich immer lieber nach Hause fuhr, statt die Nacht irgendwo anders zu verbringen und Gäste auch immer recht früh „rausschmiss" damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen konnten, bei mir übernachten zu wollen. Meine Geschwister waren da schon eine große Ausnahme.

Wir setzten uns in das erste Restaurant, an welchem wir vorbei kamen,dann machten wir uns auf den Rückweg. Wieder klammerte ich mich an Nate fest, aber tatsächlich kam mir die zweite Fahrt bei weitem nicht so schlimm vor wie die erste. Ich könnte mich sogar daran gewöhnen.

Wir hielten vor meinem Wohnblock, dann gingen wir die Treppe nach oben, wobei ich ziemlich nervös wurde. Obwohl es mich sonst nichts wirklich interessierte was andere Leute von mir hielten, war das bei Nate anders... bei ihm wollte ich aus irgendeinem Grund einen möglichst coolen Eindruck machen, auch wenn das vermutlich bei ihm nicht möglich war. Immerhin war er praktisch der König im cool sein.

»Fühl dich ganz wie zu Hause«, sagte ich, als ich die Tür aufschloss und er nach mir die Wohnung betrat. Er schaute sich interessiert um.

»Nett hast du es hier«, meinte er, als er das Wohnzimmer betrat und neugierig mein Mangaregal betrachtete. Sofort verschwand ich kurz in der Küche, wo ich mir erst einmal eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank nahm und einmal tief ein und aus atmete. Warum war ich eigentlich so nervös? Es gab absolut keinen Grund dazu, es war immerhin nur Nate.

Als ich zurück ins Wohnzimmer kam verschluckte ich mich beinahe an meiner Cola und hatte Mühe, sie nicht sofort wieder auszuspucken. Nate hatte einen meiner Boyslove Manga in der Hand, den er mit einem ernsten Gesichtausdruck druchblätterte. Sofort rutschte mein Magen gleich mehrere Stockwerke in die Tiefe und ich spürte wie mein Gesicht rot anlief.

»Interessant«, meinte Nate nur trocken und ich schluckte schnell die Cola hinunter, bevor ich sie wirklich noch über den Boden verteilte.

»Das... also... ich...« Zum ersten Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, begann Nate richtig zu lachen, ein sehr schönes Geräusch was mir durchaus das Herz erwärmen würde, wenn es nicht eine so peinliche Situation gewesen wäre.

»Du musst mir nichts erklären. Keine Sorge, ich gehe nicht davon aus, dass du schwul bist... und selbst wenn, wäre mir das auch ziemlich egal. Ich finde nur deine Reaktion gerade so lustig.« Erstellte den Manga wieder vorsichtig ins Regal zurück, dann setzte er sich auf das Sofa. Nate hatte mittlerweile seine Lederjacke ausgezogen und trug nur ein schwarzes T-Shirt, wo das Logo einer Metal Band aufgedruckt war.

»Ich hoffe es ist okay, wenn du auf dem Sofa schläfst.«

 »Kein Problem«, meinte er, wobei er noch immer grinste, während ich am liebsten im Erdboden versinken würde.    

Dark Shame (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt