4.Kapitel

3.4K 201 30
                                        

»Erde an Key, bist du geistig anwesend?« Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als jemand seine Hand auf meine Schulter legte und  sich ein unangenehmes Gefühl an der Stelle ausbreitete. Ich mochte Körperkontakt noch nie wirklich und ich ertrug es nur bei wenigen Leuten... Mit einem Seufzend drehte ich mich um und sah zu meinem Arbeitskollegen Leon auf, welcher neben mir stand und mich besorgt musterte.

»Entschuldige, ich war total weggetreten.«

»Das habe ich bemerkt. Wollte mich nur von dir verabschieden«, sagte er und ich hob eine Augenbraue.

»Du gehst schon?«

»Hast du mal auf die Uhr geschaut? Wir haben Feierabend.« Grinsend schüttelte er den Kopf und ich warf einen Blick zu der Uhr und merkte, dass er Recht hatte. Die Zeit war plötzlich so schnell vergangen, dass ich nicht einmal bemerkt hatte, wie spät es eigentlich war.

»Wollen wir zusammen nach Hause gehen? Ich kenne da einen echt guten Laden, da gibt es die besten Burger der Welt. Ich lade dich auch ein.« Es war das erste Mal, dass Leon mich danach fragte mit ihm  etwas nach der Arbeit zu unternehmen. Ich mochte ihn und wäre gerne mit ihm befreundet, allerdings war ich viel zu zurückhaltend und konzentrierte mich – normalerweise – sehr auf meine Arbeit,sodass ich nur das nötigste mit meinen Kollegen sprach um nicht von irgendwelchen belanglosen Gesprächen abgelenkt zu werden. Nur in den Pausen redete ich mit ihnen oder ging ab und an mit ihnen in die Cafeteria, aber das war es auch schon.

Ich war kurz davor Ja zu sagen, bis mir etwas wichtiges einfiel.

»Ich würde echt gerne, aber meine Geschwister kommen heute zu Besuch. Vielleicht ein andermal, ja?«, sagte ich, zog meine Handschuhe aus und desinfizierte meine Hände. Leon tat es mir gleich.

»Klar, ich frage dich einfach nächste Woche noch einmal. Ich beneide dich wirklich für dein inniges Verhältnis zu deinen Geschwistern, bei mir und meiner jüngeren Schwester läuft es nicht so wunderbar«, seufzte er, dann verließen wir das Labor und gingen zur Umkleide, wo wir unsere Kittel auszogen und unsere Sachen aus dem Spind nahmen. Mein erster Blick fiel natürlich auf mein Handy, wo ich jede Menge Nachrichten der beiden Nervensägen hatte, die anscheinend schon im Bus saßen und fast bei mir waren.

»Wir sehen uns am Donnerstag«, sagte ich und ging zum Parkplatz, wo ich mich in mein Auto setzte. Zum Glück brauchte ich zur Arbeit nur fünfzehn Minuten und da ich wusste wie ich den nervigen Feierabendverkehr umgehen konnte, war ich schneller zu Hause als ich wollte.

Maria und Jayjay standen bereits vor dem Block, in welchem ich wohnte, und sahen mir genau zu, wie ich einparkte und ausstieg.

»Wir warten schon eine Ewigkeit!«, meinte Maria.

»Es sind nicht einmal fünf Minuten«, warf Jayjay ein und warf meiner Schwester einen Seitenblick zu, ehe sie hinter mir die Treppen nach oben stiegen.

»Was machen wir heute?«

»Heute erstmal gar nichts, morgen können wir meinetwegen die Stadt unsicher machen, aber heute brauch ich meine Ruhe.«

»Gut, dann fangen wir einfach eine Serie auf Netflix an«, meinte Jayjay und die beiden folgten mir in die Wohnung, wo sie ihre Rucksäcke so wie immer in die Ecke stellten und sich dann auf mein Sofa warfen.

Auf der einen Seite meines Wohnzimmers waren vier riesige Regale aufgebaut, welche bis oben hin mit Manga vollgestopft waren und ich mir langsam mal wieder ein weiteres kaufen musste, bevor ich anfing zu stapeln.

»Es wird immer voller hier drin. Du solltest in eine größere Wohnung ziehen und dir ein Zimmer nur für dein Zeug einrichten«,meinte Jayjay, der zufällig einen Manga aus meinem Regal gezogen hatte und gelangweilt darin blätterte. Maria hingegen begann nervös auf ihrer Lippe herum zu kauen, als wolle sie etwas sagen, aber traute sich nicht es anzusprechen.

»Frag ihn doch einfach«, meinte Jayjay, ohne von dem Manga aufzusehen und meine Schwester seufzte.

»Key? Du erinnerst dich doch noch an das Mädchen, was ich auf dieser Con kennengelernt habe, oder? Wir haben uns mittlerweile sehr gut angefreundet und schreiben jeden Tag miteinander. Wie es der Zufall so will, wohnt sie gar nicht einmal so weit weg von hier, mit  dem Auto ist es nur knapp eine Stunde. Können wir bitte zu ihr fahren? Wir würden uns gerne treffen und ich möchte ungern mein Taschengeld für den überteuerten Zug zahlen, der viel länger braucht und wo ich Umsteigen muss.« Ihre Stimme hatte was bittendes und sie begann schon beinahe zu quengeln.

»Muss ich wirklich?«, seufzte ich genervt und sie nickte. Ich wusste genau, dass sie, sobald ich es ihr einmal erlauben würde,mich immer wieder danach fragen würde, aber ich hatte auch keine Lust dass sie mir die nächsten Tage dauerhaft auf die Nerven ging nur damit sie ihren Willen bekam oder am Ende sauer auf mich war und die ganze Stimmung runter zog.

»Du hast danach was gut bei mir!«

»Und was ist mit Jayjay?«, fragte ich und sah ihn an.

»Ich habe ohnehin vor ein wenig in der Stadt alleine ein paar Läden abzuklappern. Überlass mir einfach einen Schlüssel, damit ich wieder rein kann, dann passt das schon.«

»Meinetwegen«, gab ich seufzend nach.

»Ich hab dich so lieb, Danke!« Maria umarmte mich, wobei sie mich beinahe erdrückte.

»Du lässt ihr viel zu viel durchgehen«, meinte Jayjay nur, während Maria sich sofort freudestrahlend an ihr Handy geklebt hatte.

»Für dich würde ich dasselbe tun.«

»Richtig, sollte ich eines Tages deine Hilfe benötigen bist du der Erste den ich frage. Das ist das Leid des älteren Bruders.«

 Womit hatte ich das eigentlich verdient?   

Dark Shame (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt