31.Kapitel

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Ich war noch immer total müde, als ich aufwachte und an die alten, schon halb von den Wänden fallenden Poster an der Wand starrte. Für das Wochenende war ich mal wieder nach Hause zu meinen Eltern gefahren, was damit geendet hatte dass meine Geschwister mich die halbe Nacht lang mit Brettspielen wach gehalten hatten und ich aus irgendeinem Grund trotzdem schon gegen neun aufwachte, als würde mein Körper mir damit sagen wollen, dass ich den Schlaf gar nicht brauchte.

Dabei war ich immer noch totmüde.

Seufzend quälte ich mich aus dem Bett, zog mir irgendein T-Shirt und eine Jogginghose über und ging dann die Treppe nach unten. Aus der Küche hörte ich die vertrauten Geräusche: Das Klappern von Geschirr, das Raschelnder Zeitung, das Schlürfen von Kaffee.

Bei meinem Eintreten wurde ich kurz gemustert, doch es störte sich niemand weiter daran, dass ich zu Abwechslung ebenfalls mal so früh wach war, dann goss ich mir eine Tasse Kaffee ein und setzte mich mit zwei Scheiben Toast an den Küchentisch. Es war alles so wie an beinahe jedem Morgen: Mein Vater saß ebenfalls mit einer Tasse Kaffee da und las die Tageszeitung, mein Bruder war dabei Cornflakes zu essen während er ein Sportmagazin aufgeklappt neben sich liegen hatte, Maria aß gerade ebenfalls Frühstück und meine Mutter durchsuchte gerade die Küchenschränke und schrieb sich einen Einkaufszettel was sie alles benötigte.

Es war ein friedlicher Morgen der ruhiger nicht hätte sein können, aber natürlich musste etwas kommen was alles wieder zerstörte.

»Sag mal Key? Kann es sein, dass du und Nate mehr als nur Freunde seid?« Die Frage von Maria brachte mich total aus der Bahn und ich verschluckte mich an meinem Kaffee, hielt schnell die Hand vor dem Mund damit ich ihn nicht quer über den Tisch verteilte. Schlagartig wurde es komplett still in der Küche. Mein Vater schaute von seiner Zeitung auf und warf mir einen undeutbaren Blick zu, Jayjay hob ebenfalls den Kopf und hielt mitten in seiner Bewegung inne, sodass sein Löffeln nun auf halbem Weg zwischen Schüssel und Mund schwebte und auch meine Mutter hörte auf etwas auf ihren Block zu kritzeln, senkte beides und schaute mich prüfend an.

Vermutlich hätte ich jetzt einfach etwas schlagfertiges erwidern sollen, damit sie es nur als dummen Scherz abtaten, aber stattdessen lief ich rot an.

»Wie kommst du plötzlich darauf? Nur weil wir befreundet sind heißt das nicht...«, begann ich, aber merkte selbst, dass es keinen Sinn hatte. Meine Reaktion, mein Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass ich es nicht sofort mit einem lustigen Spruch abgetan hatte, hatten mich verraten und waren schon Antwort genug gewesen. Wieso musste meine Schwester so etwas nur am Esstisch fragen?!

»Ich... also...«

»Ich glaub's nicht«, meinte Jayjay nur völlig geschockt, der Löffel in seiner Hand vergessen, das Sportmagazin uninteressant. Maria hingegen stieß ein Quietschen aus und ihre Augen begannen zu funkeln, während meine Mutter die Stirn runzelte als wüsste sie nicht, wie genau sie jetzt reagieren sollte.

»Nach der Sache mit deinen komischen Schwulen Mangas verstört mich nichts mehr«, meinte mein Vater nur amüsiert grinsend, während ich merkte wie mein Gesicht bei der Erinnerung an diesen äußerst peinlichen Moment eine Spur dunkler wurde, sofern das überhaupt noch möglich war.

Es gab zwei Arten von Eltern: Die, die sich nicht die Bohne dafür interessierten was man in seiner Freizeit machte und welche Hobbys man hatte und die, die dann doch mal neugierig werden und Interesse zeigen. Unter normalen Umständen wäre zweiteres kein Problem gewesen, aber nicht wenn dein Vater in dein Zimmer kommt um mit dir über etwas völlig belangloses zu sprechen, sein Blick auf dein Mangaregal fällt und er neugierig fragt: »Was genau liest du eigentlich so?«

Bis zu diesem Punkt war alles in Ordnung gewesen – aber bei meinem Glück hatte er, als er zufällig einen Manga aus dem Regal zog, natürlich einen Boyslove Manga erwischt. Er schlug ihn wahllos auf irgendeiner Seite auf und das auch noch Mitten bei einer Sexszene.

Ich hatte mir in diesem Moment wirklich gewünscht im Erdboden zu versinken.

Glücklicherweise hatte mein Vater daraus eher einen Spaß gemacht, indem er eine ernste Miene aufsetzte und so wirkte als wolle er zu einer peinlichen „Es ist okay wenn du auf Männer stehst"-Rede ansetzen, doch war dann in Lachen ausgebrochen, als ich verzweifelt versuchte mich mit Stammeln zu rechtfertigen.

Jetzt saß ich hier und das war mit Abstand unangenehmer als die Sache von damals.

»Es ist so...Also... Ja, wir sind mehr als nur Freunde. Zusammen, um genau zu sein.«

»Aber der sieht doch viel zu gut für dich aus«, meinte Jayjay entgeistert und ließ endlich seinen Löffel zurück in die Schüssel fallen.

»Ist das alles was du dazu zu sagen hast?«, fragte ich ein wenig beleidigt. Ich war froh, dass meine Familie das so locker aufnahm, aber sie könnte ja wenigstens etwas verwundert oder geschockt darüber sein, dass ich gerade zugegeben hatte mit einem Mann zusammen zu sein.

»Na dann viel Spaß euch beiden. Du hast ja genug Vorwissen«, meinte mein Vater  noch immer grinsend, dann wandte er sich wieder seiner Zeitung zu.

»Du kannst ihn ja demnächst mal zum Essen vorbei bringen«, sagte nun auch meine Mutter, die sich dann wieder ihrer Einkaufsliste widmete und nun den Kühlschrank unter die Lupe nahm.

»Das ist soooo süß.« Maria schien sich vor Begeisterung gar nicht mehr einzukriegen. Schweigend aß ich meinen Toast auf, dann verschwand ich wieder aus der Küche und in mein Zimmer. Gerade als ich mein Handy in die Hand nahm um Nate zu schreiben, vibrierte es und ein Name erschien auf dem Display.

Dennis. Den hatte ich ja komplett vergessen.

»Ich hatte schon gehofft nie wieder etwas von dir zu hören«, begrüßte ich ihn grinsend.

»Begrüßt man so etwa seinen besten und einzigen Freund?«, fragte er gespielt beleidigt und obwohl ich seine Stimme schon fast ein Jahr lang nicht mehr gehört hatte, fühlte sie sich so vertraut an, dass sich ein seltsames Gefühl in meiner Brust ausbreitete.

»Was gibt's?«

»Ich wollte dir nur mitteilen dass ich morgen gegen eins beim Flughafen ankomme und es nett wäre wenn du mich abholen würdest.«

»Was ist, wenn ich keine Zeit habe?«, fragte ich.

»Hä? Was sollst du sonst an einem Sonntag vor haben, als zu Hause rumzusitzen. Da kannst du deinen besten Freund den du ein ganzes Jahr lang nicht gesehen hast auch abholen«, meinte er und ich hörte das Grinsen in seiner Stimme. Er wusste, genauso gut wie ich, dass ich ihn so oder so abholen würde.

»Meinetwegen. Dafür bezahlst du das Bier, wenn du Abends zum trinken bleibst.«

»Geht klar. Bis morgen.« Damit legte er auch schon auf und ich seufzte.

Da ließ er ein ganzes Jahr nicht von sich hören und rief dann an, nur um einem mitzuteilen dass man ihn abholen sollte. Für jeden anderen wäre das unfreundlich erschienen – aber ich kannte Dennis schon so lange, dass ich seine typische Art einfach mit einem Grinsen hinnahm.



Endlich kommt auch einmal ein Charakter vor, den ich schon vor einigen Kapitel erscheinen lassen wollte, nur hat es irgendwie nie so ganz gepasst.
Dafür ist dieses Kapitel auch wieder ein Stückchen länger. 

Dark Shame (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt