20.Kapitel

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NATE

Es war recht kühl und man merkte, dass der Sommer langsam zu Ende ging. Während ich vor ein paar Wochen meine Lederjacke zumindest geöffnet oder ganz ausgezogen hätte, war ich jetzt froh, dass sie mich warm genug hielt.

»Willst du noch eine rauchen?«, fragte Key, als wir mit der vollen Einkaufstüte zum Auto gingen. Er hatte jede Menge Essen gekauft, dazu Süßkram und Knabberzeug für später, wenn wir uns einen Film ansehen würden.

»Wenn es dich nicht stört, gerne.«

»Überhaupt nicht.« Er verstaute die Tüte auf dem Rücksitz, dann stellte er sich neben mich. Wir beide lehnten uns gegen das Auto, ich mit einer Zigarette in der Hand, während er kurz die Nachrichten auf seinem Handy durchsah. Ich musterte ihn von der Seite. Schon vorhin war mir aufgefallen, dass er dünner wirkte. Zwar war er noch immer pummelig, aber nicht mehr ganz so sehr wie vor sechs Wochen noch, als ich ihn zuletzte gesehen hatte.

»Geht es dir wirklich wieder besser?«, fragte ich und er hob seinen Blick, hielt kurz dabei inne die Nachricht zu schreiben.

»Ja, wieso fragst du?«

»Nur so.« Er wandte sich wieder ab und schaute auf sein Handy, dann stieß er einen Seufzer aus.

»Unsere Schwestern scheinen jede Menge Spaß zu haben.« Er zeigte mir ein Bild von den beiden, wie sie gerade zusammen mit einem Jungen – welcher dem Aussehen nach zu urteilen offensichtlich Keys Bruder war – dabei waren etwas zu backen... zumindest sollte es wohl danach aussehen, aber ich bezweifelte dass sie mit dem nötigen Ernst bei der Sache waren.

»Dein Bruder sieht fast genauso aus wie du. Nur wesentlich sportlicher und ohne diesen leicht dümmlichen Gesichtsausdruck«, meinte ich grinsend und Key schnaubte empört, doch seine Mundwinkel zuckten.

»Es kann ja nicht jeder so unverschämt gut aussehen wie du«, meinte er nur, ehe er sein Handy in die Hosentasche gleiten ließ und ich hob fragend eine Augenbraue.

»Du findest also, dass ich gut aussehe?« Mein Herz schien bei diesem Satz sogar einen Sprung zu machen und ich verzog das Gesicht. Nur weil er fand, dass ich gut aussah, hieß das noch lange nichts, immerhin dürfte man durchaus finden dass ein anderer Mann nicht schlecht aussah.

»Natürlich, jeder der nicht an Geschmacksverwirrung leidet würde sagen, dass du gut aussiehst. Ich wette meine Schwester würde dasselbe sagen, ich glaube du könntest sogar ihr Typ sein... wenn sie überhaupt einen hat. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob sie nicht doch nur auf 2D steht.«

»Selbst wenn ich nicht schwul wäre, wäre deine Schwester viel zu jung für mich... auch wenn sie schon 16 ist. Ein Freund von mir hat da letztens eine sehr seltsame Erfahrung gemacht, von welcher er vermutlich noch bis an sein Lebensende traumatisiert sein wird.« Key schaute mich interessiert an und ich stieß ein Seufzen aus, beschloss ihm die Story zu erzählen.

»Dieser Freund ist schon seit längerem Single. Letztens war er mal wieder in einem Club feiern, mit einer Frau verschwinden... du weißt schon. Jedenfalls hat er dann wirklich ein Mädchen mit nach Hause genommen, die laut ihren eigenen Aussagen schon Volljährig war und auch so aussah, als wäre sie schon mindestens 18. Nun ja, das Endergebnis davon war, dass er am nächsten Morgen feststellte, dass sie erst 14 war... Ich glaube, das war das letzte Mal dass er irgendjemanden abgeschleppt hat.« Allein bei dem Gedanken daran schüttelte es mich und auch Key sah aus, als würde er sich am liebsten übergeben wollen.

»Davon hätten die meisten ein Trauma.« Ich drückte meine Zigarette aus, dann stiegen wir in das Auto und fuhren zu ihm. Ermachte sich sofort daran, die Zutaten vorzubereiten und ich setzte mich mit einer Tasse dampfenden Kaffee an den kleinen Esstisch welcher in der Küche stand und sah ihm dabei zu. Mit geübten Bewegungen schnitt er das Gemüse klein und konzentrierte sich auf das was er tat – er war unglaublich ruhig, es kam nicht ein einziges Mal vor, dass er hektisch umher rannte oder fluchte. Keine Ahnung wie er das machte, aber er sah dabei sogar richtig... elegant aus. Mir kam der Gedanke, wie gern ich jetzt neben ihm stehen würde, meine Hand an seine Hüfte legen würde und ihm einen sanften Kuss gab. Er würde sicher überrascht die Augen aufreißen, mich erschrocken von sich schieben, während er total rot anlief und dann begann verlegen nach Worten zu ringen.

Mir einem Seufzen wandte ich mich ab, hörte auf Key anzustarren und schaute stattdessen auf meinen Kaffee hinunter. Ich sollte so etwas gar nicht erst denken, immerhin hatte ich es die letzten sechs Wochen auch erfolgreich geschafft, trotz der Tatsache, dass ich täglich mit Key geschrieben hatte, ihn dennoch aus meinem Kopf zu verbannen und so zu tun, als wäre alles normal. Als hätte es den Kuss nie gegeben.

Es war mir beinahe gelungen... aber konnte ich ihn wirklich so leicht aufgeben? Wollte ich ihn überhaupt jetzt schon aufgeben? Doch es machte keinen Sinn, sich verzweifelt an etwas zu klammern, was von Anfang an hoffnungslos war. Ich klammerte mich doch nur an all die kleinen Anzeichen, an die Tatsache, dass er mich nicht sofort zurückgestoßen hatte, dass er noch immer mit mir befreundet sein und mich treffen wollte, mich noch immer in seiner Nähe haben wollte... aber vermutlich redete ich mir nur irgendetwas ein, weil ich mir so sehr wünschte dass es Realität werden würde.

 Doch Key zu liebe sollte ich diese Gefühle verdrängen und darüber hinweg kommen. Es würde nur alles viel komplizierter machen, wenn ich die Sache jetzt ständig wieder erwähnte und außerdem würde ich mir damit nur selbst im Weg stehen. Ich konnte ihn schlecht vergessen, wenn ich mich ständig meinen Tagträumen hingab und das während ich gerade Zeit mit ihm verbrachte.


Dark Shame (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt