Umarmungen

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-Henning
Das Mädchen kommt wieder zurück, nachdem sie sich verabschiedet hatte. In ihrem Blick liegt so viel tiefe Traurigkeit, dass mein Herz schmerzt. ,,Alles OK, Alice?" Sie nickt unbeholfen, aber ich glaube ihr nicht. Auch Sevi und Chrissi mustern sie misstrauisch. ,,A-also..." Sie räuspert sich. ,,I-ich... Oh fuck, das ist mir echt unangenehm... Ich wollte mich für eure wunderschöne Musik bedanken und die wahren Worte, die mein Herz erwärmt haben und mich glücklich gemacht haben." Kaum hatte sie die ersten Worte rausgebracht, sprudelte der Rest nur so aus ihr raus:,, Ich bewundere euch alle unfassbar. Eure Harmonie ist so.... Perfekt. Die Stimme von Henning. Sevis Schlagzeug. Chrissis Gitarrensoli... Ich liebe es einfach. Und dafür wollte ich euch danken, das war alles. Tut mir leid, dass ich so stumm war." Eine kleine Träne kullert ihre Wange hinab. Ich bin gerührt und bringe kein Wort heraus. Sie mustert uns alle ziemlich verunsichert und lächelt dieses schiefe Lächeln, das mir noch meinen Verstand raubt.

-Alice
Mir ist gerade ein riesen Stein vom Herzen gefallen. Nein, kein Stein. Eher ein ganzes Gebirge. Kurz im Gedanken versunken höre ich mein Handy klingeln. Beim Rangehen fällt mir fast das Handy aus der Hand. Es ist meine Mutter. Wir unterhalten uns eine Weile und ich lege auf. "Meine Mutter möchte, dass ich jetzt nach Hause komme, ich muss dann wohl wirklich gehen... Danke nochmal." Ich erzwinge mir ein Lächeln. Ich möchte eigentlich noch gar nicht gehen. Sie werden mir fehlen. Ich werde sie nie wieder sehen. Ich greife nach meiner Tasche und schmeiße mir meine Jacke über.

-Henning
,,Ähm... Alice?" ,,Ja?" , meint sie mit einem Blick über die Schulter..,,Ich fand es nett mit dir zu reden, dürfte ich deine Handynummer haben? Vielleicht ergibt sich nochmal ein Gig und wir geben dir dann Bescheid." Ich lächle zerstreut.

-Alice
Hat er gerade wirklich nach meiner Handynummer gefragt? "Ja.. ja, natürlich!" Henning reicht mir sein Handy ich tippe ihm meine Nummer ein. Vor Aufregung schreibe ich 4 Mal meinen Namen falsch, bis ich es endlich geschafft habe und ihm sein Handy zurückgebe. Ich spüre, wie die Hitze in mir aufsteigt, und ich werde rot. "Ich hoffe, du meldest dich auch. Ich stehe nicht so auf leere Versprechungen." Henning guckt mich verdutzt an, aber fängt kurze Zeit später an zu grinsen. Soll ich sie umarmen? Unbeholfen komme ich den Jungs wieder ein wenig näher und umarme jeden Einzelnen. Genau das, was ich gerade gebraucht habe! Vor Henning bleibe ich kurz stehen, betrachte ihn und dann bekommt auch er seine Umarmung. Er riecht so vertraut.. ich verstehe nichts mehr.
Ich löse mich schweren Herzens von ihm und laufe Richtung Ausgang. Ich drehe mich noch einmal um, winke wie ein aufgedrehtes Mädchen, das grad ihren ersten Schultag hatte und ihren neuen Freunden winkt und verlasse den Club.

-Henning
Chrissi grinst mir so breit zu, dass ich Angst habe, seine Mundwinkel entgleisen... ,,Natürlich hast du nur nach ihrer Nummer gefragt, da du dich nett mit ihr unterhalten hast. Nicht weil sie unglaublich hübsch war oder dich angehimmelt hat wie das siebte Weltwunder." ,,Und natürlich wirst du heute Abend nicht vor deinem Handy hängen und überlegen, ob du ihr schreibst. Und morgen dasselbe und dann wirst du natürlich nicht darüber nachdenken, sie zu fragen, ob sie sich mit dir treffen will. Aber leider wolltest du ihr ja nur für Gigs Bescheid geben, so ein Pech!", stimmt Sevi in Chrissis Spott ein. Ich werfe den beiden wütende Blicke zu und knurre: ,,Ich hasse euch." Aber dann lachen wir vier laut, klatschen uns ab und packen zusammen. Nachdem alle Instrumente sicher verstaut sind, fahren wir mit unserem kleinen roten Van nachhause. Auf den Weg Nachhause muss ich an Alice' Umarmung denken. Sie roch nach Apfelshampoo und verbranntem Holz... Warum denkst du über ihren Geruch nach Henning? Und ihre Augen... Grün wie der bewachsene Moosboden im Wald bei strahlendem Sonnenschein ... Hör auf damit, Henning!!

-Alice
Mittlerweile sitze ich in der Bahn auf dem Weg nach Hause. Mir ist unglaublich kalt, aber irgendwie steckt noch ein wenig Wärme von den Umarmungen in mir. In grinse in mich hinein. Die Bahn ist ziemlich leer, also wird das sicherlich keiner mitbekommen haben. Ob er sich wirklich bei mir meldet? Werden wir uns auch mal außerhalb eines Auftritts sehen? Wird er an mich denken? Ob sie über mich reden werden? So viele Gedanken schießen mir durch den Kopf, so viele, dass ich schon fast meine Haltestelle verpasse. Ich sprinte zur Tür und laufe hinüber auf die andere Straßenseite. Ob Mama sauer sein wird? Wird sie fragen, wie es war? Soll ich ihr das überhaupt erzählen? Ich zupple an meinem Schal und verstecke ein Grinsen dahinter, während ich unser Treppenhaus betrete. Oben angekommen, bemerke ich, dass alle schon schlafen. Ich mache mich fertig und lege mich ins Bett. Wenn man nach so einem Tag nicht gut schlafen kann, dann weiß ich auch nicht..

Das Porzellanmädchen [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt