Sophie

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-Henning
Irgendwie süß, dass sie eifersüchtig ist. Elvis? Guter Musikgeschmack. Sehr guter Musikgeschmack. Ich lächle wieder einmal Alice zu.. ,,Guten Musikgeschmack habt ihr.", flüstere ich und zerquetsche fast ihre Hand vor Freude darüber, dass es hier sowohl einen Plattenspieler als auch Elvisplatten gibt. Ich nehme mir ein Stück schwedisches Gebäck und koste. ,,Oh wow, das ist echt lecker, Alva." Ich nicke ihr freundlich zu und sie freut sich sichtlich über mein Kompliment. Alice entspannt sich wieder vom ihrer Eifersuchts-Aktion und ich kann mir einfach kein Grinsen verkneifen. Es ist so niedlich, wie sie sich Gedanken darüber macht, dass ich Interesse an jemand anders haben könnte...

-Alice
"Mein Vater ist ein großer Musikkenner. Er ist vielleicht noch ein wenig skeptisch.." Ich werfe meinem Vater einen Blick zu, der von einem Drachen stammen konnte, der sich bereit machte zum Feuerspeien. "Aber in dieser Hinsicht solltet ihr euch gut verstehen. Du kannst dich gerne mal durch unsere Platten blättern." Papa verschlingt sein Stück Kuchen und öffnet Henning den Plattenschrank. "Da liegen einige Schätze drin, aber das weißt du sicherlich. Ich rede mit einem Mann vom Fach, nicht?" Er grinst fragend Henning an. Ich lasse Hennings halt fallen und gebe ihm mit meinen Augen ein allzu gut verständliches Zeichen.

-Henning
Meine Finger fahren über die teilweise sehr alten Plattenhüllen. Es ist wirklich von allem etwas dabei. Nirvana, AC/DC, Michael Jackson, Elvis, um nur ein paar zu nennen. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus und fange sofort an mit Alice' Vater zu fachsimpeln: ,,Sie haben ein Michael Jackson Thriller Album. Originalausgabe? Wollen sie mich verarschen?" Alice' Vater lächelt stolz und redet weiter mit mir auf Hochchinesisch.

-Alice
Während sich die Männer ein wenig beschnuppern, trage ich mit Mama das Geschirr in die Küche. Ihr stetiger Blick trifft mich von der Seite. Ich weiß genau, was sie damit ausdrücken möchte und lächle. Sie freut sich für mich. Sie merkt.. sie weiß, dass es mir in seiner Gegenwart gut geht. Ich habe noch nie groß mit meinen Eltern über meine Probleme gesprochen, aber sie wissen, wie sie ihre Tochter glücklich stimmen können. Nachdem wir alles in den Geschirrspüler geräumt haben, gehe ich zu Emmas Zimmer und klopfe an ihrer Tür. "Emma, du kannst ruhig rauskommen. Er muss dich doch auch kennen lernen, schließlich gehörst du doch wohl oder übel zur Familie." Ich lache. Wir scherzen oft über uns. Was man halt als Geschwister so macht. Sie öffnet ihre Tür und fällt mir in die Arme. Sie freut sich für mich. Das weiß ich. Wir schlendern ins Wohnzimmer, schmeißen uns auf die Couch und stöbern wir so oft in alten Fotoalben.

-Henning
Als ich bemerke, dass Alice sich mit ihrer Schwester Fotoalben ansieht, trete ich zunächst näher, doch werde dann von meinem Handyklingelton unterbrochen. Vier verwunderte Augenpaare richten sich auf mich. Ich hole ebenso erstaunt mein Handy aus der Tasche. Severin. Ob alles okay ist? Ich gehe ran: ,,Hallo?"
,,Henning, wo steckst du?"
,,Ich bin bei Alice."
,,Komm bitte schnell."
,,Was ist denn los?"
,,Dein Vater hatte einen Unfall."

-Alice
Henning steht angewurzelt auf unserem Wohnzimmerteppich. Wie von Blitz getroffen. "Henning? Alles gut bei dir?" frage ich, in der Hoffnung, dass wir beide nicht gleich wieder in Tränen ausbrechen. "HENNING?"

-Henning
Alles klingt gedämpft zu mir durch. Alice' Schreien, die Sätze ihrer Familie, selbst als meine Schultern von irgendjemanden geschüttelt werden. Nein. Warum muss immer mir sowas passieren?! Alice hält mein Gesicht in ihren Händen, ich blicke zu ihr, aber nicht in ihre Augen. Ich blicke durch sie hindurch, als würde hinter ihr die Antwort auf diese Ungerechtigkeit liegen. ,,Ich muss ins Krankenhaus.", sage ich gedämpft, ,,Mein Vater hatte einen Unfall." ,,Soll ich mitkommen, Henning?" ,,Nein, es passt schon. Mach dir keine Sorgen, Prinzessin." Ihr zuliebe reiße ich mich zusammen und gehe mit zusammen gebissenen Zähnen zur Tür. Dahinter beginne ich zu weinen und renne , so schnell ich kann, nach Hause. Mein Kopf hämmert. Warum...? Warum? Warum immer ich?

-Alice
Gedrückt setzte ich mich wieder auf die große Couch im Wohnzimmer und spiele am Saum meines Pullis. Warum muss er alles schlucken und den Starken spielen? Das hat er alles nicht verdient. Mama reicht mir einen Tee und ich trinke, als wäre ich eine Woche durch die sengende Wüste gelaufen. Er war noch viel zu heiß, aber das ist mir egal. Was soll ich jetzt nur machen? Ich nehme mein Handy und öffne unseren Chat. Du solltest ihm schreiben. Fragen, ob alles gut gegangen ist. Ich tippe: "Bitte, bitte, bitte gib mir Bescheid, wenn alles gut gegangen ist. Ich bin für euch da, egal was ist. Ich hoffe, du weißt das..
Lass dir Zeit, aber bitte lass dich nicht mit deinen Gedanken allein. Du weißt, dass du mir alles sagen kannst. Das weißt du. Ich habe es dir gesagt. Es wird alles gut. Alles.
xx Alice
PS: Ich liebe dich."
Ich schicke die Nachricht los und warte sehnsüchtig darauf, dass er sie liest. Er hat doch eigentlich keinen Kopf dafür. Bitte lass alles gut sein.

-Henning
Als ich das Krankenhaus erreiche, schrillt jede Alarmglocke in meinem Kopf. Severin kommt mir entgegen und umarmt mich. Er sieht meine getrockneten Tränenspuren. ,,Es wird alles gut, Henning. Es wird alles gut." Ich versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. ,,Wie geht es ihm? Wo ist er? Was ist überhaupt passiert?" Sevi führt mich zu seinem Zimmer und gestikuliert währenddessen wild:,, Er hatte einen Autounfall. Einmal zu schnell um die Kurve und Zack. Er wollte dich eigentlich überraschen mit seinem Besuch. Seine beiden Beine sind gebrochen und er hat ein leichte Gehirnerschütterung. Die Fahrerin hat ihn hierher gebracht, aber-" Weiter kommt er nicht. Denn ich betrete das Zimmer und an Papas Bett sitzt Sophie. Meine Welt bricht zusammen.

Das Porzellanmädchen [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt