Schlagschatten fallen

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-Alice
Der Morgen knallt durch mein Fenster und lässt den Staub durch mein Zimmer glitzern. Verschlafen drehe ich mich auf die Seite und greife nach meinem Handy. Noch eine Woche. 8 Uhr. Eigentlich viel zu früh für einen Sonntag. Ich denke an Henning. An seine zersausten Haare, an seine rehbrauen Augen und diesen etwas verschlafenen Blick. Schnell öffne ich unsere Nachrichten und schreibe ihm erneut eine Nachricht.

"Guten Morgen, Liebling.
Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt und du hast gut geschlafen. Wann sehen wir uns heute? Worauf darf ich mich vorbereiten? 

Fühl dich geküsst.
Ich liebe dich."

Ich springe auf, gehe ins Bad um mir etwas Wasser ins Gesicht zu werfen und mir die Zähne zu putzen.

-Henning
Pling. Brum. Brum. Mein Handy sirrt. Ich schlage die Augen auf und blicke mich desorientiert um. Wo ist nur mein Handy? Ich suche im ganzen Bett und finde es schließlich am Fußende. Sollte ich wissen, wie du dahin gekommen bist? Ich entsperre das Display. Alice' Nachricht springt mir ins Auge. Ich wähle die Anruftaste.

-Alice
Aus dem Bad höre ich mein Handy klingeln. Ich renne mit der Zahnbürste im Mund zurück in mein Zimmer und nehme ab. "Hmm? Moment." Ich nehme die Zahnbürste aus dem Mund und lege sie auf meine Kommode. "Schatz? Du bist schon wach? Was gibt's?"

-Henning
,,Ja. Guten Morgen. Ich bin gerade zu faul, um alles haargenau dir zu schreiben, deswegen rufe ich an. Ich hole dich so schnell wie möglich bei dir ab und dann erwartet dich eine Überraschung." Sie will mich gerade unterbrechen, doch ich komme ihr zuvor: ,,Nicht nachfragen und nachdenken. Einfach entspannen und auf dich zukommen lassen. Bis nachher, Prinzessin."

-Alice
Henning legt auf und ich schmeiße mein Handy aufs Bett. Ich reiße eine Jeans und ein viel zu großes Shirt aus dem Kleiderschrank, werfe mir  diese über und schwenke zum Spiegel rüber. Ich steh nicht so auf aufgetakelte Tussis. Ich tusche schnell meine Wimpern und greife nach meiner Bürste, um mir die Knoten aus dem Haar zu kämen. Mein Koffer steht  jetzt schon bereit zum Packen. Die Freude steigt wieder in mir auf und ich grinse blöd in den Spiegel.

- Henning
Nachdem ich mein Handy beiseite gelegt habe, ziehe ich mir eine Jeans und ein rotes T-Shirt an. Ich richte meinen Blick in den Spiegel. Deine Haare haben auch schon mal bessere Zeiten gesehen... Im Bad suche ich eine Bürste, werde aber nicht fündig und kämme sie deshalb mit den Fingern. Naja... Besser als nichts. Grinsend hole ich mir eine Jacke, schlüpfe in meine uralten schwarzen Adidas-Schuhe und schnappe mir noch schnell den Korb aus der Küche. Sevi und der Rest wissen von meinem Vorhaben Bescheid, also greife ich mir noch den Schlüssel vom Brett und bin dann schon draußen. Ein fettes Grinsen prangt in meinem Gesicht und wird wohl so schnell nicht mehr verschwinden.

Nach einer halben Stunde der Vorbereitung, mache ich mich auf den Weg zu Alice' Wohnung, pfeife währenddessen vor mich hin und kicke Steine hin und her. Ich klingle.

-Alice
Dü, dü, düüüü. Die Klingel läutet durch die Wohnung und ich begebe mich zur Tür. Ich blicke durch den Spion und sehe einen über beide Ohren grinsenden Henning. Ich öffne sie und falle in seine Arme. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

-Henning
Ich halte ihr meine Hand hin. Sie nimmt sie ohne zu zögern und lächelt voller Vertrauen und Zuneigung zu mir auf. Dieser Gesichtsausdruck lässt ein paar Stücke meines Herzens wieder zusammenschmelzen. Wir gehen durchs Treppenhaus. Während unsere Schritte von den hohen kahlen Wänden widerhallen, zeichne ich mit meinem Daumen Kreise auf ihre Hand. Alice' will mich gerade über mein Vorhaben ausquetschen, als ich ihr zuvorkomme: ,,Ich habe immer das Gefühl, dir nicht oft genug zu sagen und zu zeigen, wie sehr ich dich liebe und wie viel du mir bedeutest, deswegen wollte ich dir heute eine Überraschung machen..." Wir verlassen das Treppenhaus und ich führe Alice einen schmalen Pfad entlang, der sich durch ein kleines Wäldchen schlängelt. Sie hat immer noch nichts auf meine Worte gesagt und blickt auf unsere ineinander verschränkten Hände.

-Alice
..wie sehr ich dich liebe und wie viel du mir bedeutest.. Mir schießt ein Lächeln ins Gesicht. Im Gleichschritt laufen wir durchs Grün. Als der Wald dichter wird und somit auch dunkler, überfährt mich ein wenig Angst, aber um mir das nicht anmerken zu lassen, fange ich an zu scherzen: "Wenn du mich umbringen willst, dann bitte dort, wo man mich auch findet." Ich drücke seine Hand fester und lausche all den Geräuschen, die unsere Ohren passieren. 5 Minuten später lichtet sich das Blätterdach wieder und die warmen Sonnenstrahlen schießen durch das Gestrüpp. Ich blicke in Hennings Gesicht und beobachte den Schatten, der vorüber fährt. Die Luft, die seine Locken springen lässt und das Lächeln, das sich abzeichnet, wenn sein Kopf die Sonne trifft.

-Henning
Ich spüre ihren Blick ganz deutlich auf mir, und meine Mundwinkel verziehen sich automatisch zu einem breiteren Lächeln. Wir müssten gleich da sein. Und tatsächlich, plötzlich haben wir eine Lichtung erreicht. Umringt von Bäumen liegt die kleine Wiese mit all ihren blauen, rosanen und gelben Blumen vor uns. Die Blüten scheinen ihre kleine Köpfe vor uns zu verneigen. Alice' Kinnlade fällt herunter und in ihren Augen, die durch das schräg einfallende Licht funkeln, weiten sich erstaunt. ,,Wow." Dann bemerkt sie erst die ausgebreitete Decke auf dem grünen Gras der freien Fläche. Im Hintergrund plätschert irgendwo ein Bach. Vögel singen und trällern vor sich hin, als wären sie ein Chor und ein ganz bestimmtes Lied dringt an unsere Ohren. ,,Da wären wir.", flüstere ich verschmitzt und drehe mich zu ihr um, um das Erstaunen in ihrem Gesicht und die darüber fahrenden Muster der Schatten und des Lichts der Blätter zu beobachten. ,,Ein Picknick? Auf einer Blumenwiese im Wald?", fragt sie ungläubig und tritt unsicher ein Stück näher. Ihre Hände werden feucht und sie klammert sich immer fester an meine. ,,Henning... Das ist... Das-" Ich unterbreche sie sanft mit einem Kuss. Sie seufzt glücklich auf und verschränkt ihre Hände in meinem Nacken. Ich drücke mich gegen sie. Mit meinem Körpergewicht hat sie nicht gerechnet und schwankt darauf nach hinten. Lachend fährt meine Hand unter ihren Rücken und hält sie fest. Ihre Fingerspitzen fahren durch mein lockiges Haar, das im Sonnenlicht, das durch das Dickicht scheint, glitzert und funkelt. Ihre Lippen öffnen sich leicht unter meinen und gewähren mir Einlass. ,,Vielleicht sollten wir essen, anstatt rumzuknutschen...", murmelt Alice nicht sehr überzeugt an meinen Lippen. ,,Aber auch nur vielleicht..." raune ich.

-Alice
Ein paar Küsse später, schaffen wir es, uns voneinander zu lösen und setzen uns auf die Decke. Sprachlos blicke in in alle Richtungen und zurück zu Henning. "Du bist doch verrückt! Sowas Romantisches hat noch nie jemand für mich gemacht. Sie sind unglaublich, Herr May!" Ich schlucke, um nicht gleich in Tränen auszubrechen. Vor Freude natürlich. Verrückt. Henning öffnet den Korb und holt ein perfekt vorbereitetes "Komm, wir machen ein romantisches Picknick"-Essen heraus. Ich grinse vor mich hin und beobachte ihn dabei, wie er alles fein säuberlich auf die Decke legt und eine Flasche Rotwein öffnet.

-Henning
Während Alice alles mit einem überraschten Glanz in den Augen beobachtet, entkorke ich den Wein und gieße uns in zwei Gläser ein. ,,Was sollen wir zuerst probieren, Prinzessin?", frage ich und mustere ihr wunderschönes Gesicht. Immer wieder wundere ich mich darüber, wie ein Mensch so wunderschön sein kann...
,,Den Lachs mit... den Brötchen da.", meint sie immer noch vollkommen überrumpelt. Ich nicke und gemeinsam verschlingen wir im warmen Morgenlicht der Sonne unser Frühstück. Alice erzählt mir von Schweden und ich ihr im Gegenzug von all den Reisen, die ich mit Papa gemacht habe. Es ist ein wunderbares Picknick. Wir lachen, erzählen, schmusen, essen und halten unsere Hände. Diese entspannte Zweisamkeit, während der man einfach so sein kann, wie man ist, hatte ich bei niemanden sonst zuvor...
,,Danke, Henning. Es ist einfach so süß, wie viel Mühe du dir machst.", sagt Alice zum gefühlt tausendsten Mal und drückt mir einen Kuss auf die Wange, während ich gerade die letzte Weintraube in meinen Mund schiebe.
,,Nichts zu danken.", brumme ich mit vollem Mund. Sie fängt an zu lachen und ich grinse ihr zu. Nachdem wir alles in den Korb eingepackt haben, legen wir uns auf die Decke. Mein Arm dient Alice als Kissen, aber das macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Ihr warmer Atem streicht über meinen Hals und ich fahre mit meinen Fingerspitzen durch ihr blondes Haar, während wir gen Himmel schauen und die vorbeiziehenden Wolken beobachten.

Das Porzellanmädchen [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt