Zerbrechlich

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-Alice
Eine Nachricht reißt mich aus meinen Gedanken. Sie ist von Henning. Sie ist wirklich von Henning! Eine mir nur allzu bekannte Zeile zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht und ich stoße ein leises Quietschen aus. Schnell halte ich mir die Hand vor den Mund in der Hoffnung, dass das niemand gehört hat. Wie von meinen Fingern geleitet tippe ich: "Ich würd' viel lieber von dir träumen..." und schicke die Nachricht ab. Moment mal.. warum ist er überhaupt wach? Mein Kopf schmiedet einen Plan und schneller als ich eigentlich kann, habe ich wieder meine Jacke und meine Schuhe an und mache mich auf den Weg zu ihm. Es ist Montag. 5 Uhr Morgens. Zeit für einen kleinen Spaziergang.

-Henning
Ich lese die Nachricht, die sie mir zurückgeschrieben hat, und muss augenblicklich lachen. Sie ist einfach besonders. Schnell ziehe ich mir eine Jogginghose und altes Tourmerchandise an. Zähne putzen ist auch noch drin. Sie kommt bestimmt vorbei, wenn sie schon wach ist. Wie als habe sie meine Gedanken gelesen, klingelt es, als ich gerade meinen Mund ausspüle. Ich gehe zur Tür und öffne sie. Davor steht - wie erwartet - Alice. Hübsch wie immer. ,,Hey.", raune ich und beuge mich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.

-Alice
Sein Kuss lässt mich sofort erröten und ich grinse, wie schon so oft, in mich hinein. Ich greife nach seinen Händen und schwinge unsere Arme wie eine Schaukel hin und her. Ich bin sprachlos. Aber ich bin froh, hier zu sein. Warum fühle ich mich bei einem Mann so wohl, den ich erst seit nicht mal 2 Tagen kenne? Er packt meine Taille, zieht mich an sich heran und umarmt mich. Verwundert aber glücklich schlinge ich meine Arme um seinen Hals. "Ich habe etwas mitgebracht, wie du vielleicht schon gesehen hast.. ich... Ich habe natürlich kein Plektrum ohne Gitarre. Ist Montag morgen nicht die perfekte Zeit, ein wenig Musik zu machen?" Ich grinse ihn an und setze meinen Gitarrenkoffer ab.

-Henning
,,Definitiv. Montagmorgen ist der perfekte Zeitpunkt." Ich grinse genauso wie sie und ziehe sie in unsere Wohnung. Den Gitarrenkoffer nehme ich ebenfalls und stelle ihn ins Wohnzimmer. Dann drehe ich mich zu ihr um. ,,Das einzige Problem ist, es ist noch nicht mal Morgen, mein Mitbewohner schläft noch und Musik macht ziemlich viel Lärm." Ich lache lauthals, schlage mir dann aber schockiert die Hand vor den Mund, da mein Gelächter durch die ganze Wohnung schallt. Alice bemerkt meinen schockierten Gesichtsausdruck und muss deshalb erst recht lachen. Gemeinsam kichern wir um die Wette, als habe irgendjemand einen echt lustigen Witz gerissen. Wir sind echt bescheuert.

-Alice
"Dann spielen wir eben leise. Wir scheinen ja ganz gut darin zu sein, uns stumm unsere Gefühle mitzuteilen." Ich grinse. "Oder wir verziehen uns in den Zimmer. Wir könnten ja -" Er ergreift meine Hand. "Ach, bevor ich es vergesse, ich habe uns Frühstück besorgt. Du hast sicherlich Hunger." Ich greife in meinen Tridem-Beutel und hole eine Tüte vom Bäcker raus. Ich betrete Hennings Zimmer, während er in der Küche leise Geschirr für uns zusammensammelt. Dieser Mann lügt in keinen seiner Songtexte. Da steht tatsächlich ein Hochbett. Ein wenig verkrampft klettere ich mit meiner Gitarre und der Tüte voller Gebäck die Leiter des Hochbettes hoch und mach es mir in einer Ecke gemütlich.

-Henning
Ich nehme zwei Teller und zwei Becher mit heißem Tee für uns mit sowie, ein Messer und Butter, falls das Brot zu trocken ist. Ich komme in meinem Zimmer mit dem Kram an und sehe sie im Bett ihre Gitarre stimmen. Ihre Haare verdecken ihre rechte Gesichtshälfte und sie ist vollkommen darin vertieft die Regler zu drehen. ,,Ich nehme an, ich sollte bloß meine Stimme mitnehmen, zum Musik machen?" Sie erschrickt sich fürchterlich vor mir und presst eine Hand auf ihre Brust. ,,Mensch! Erschrick mich nicht so!", schnauft sie und grinst fast sofort, nachdem die Worte ihren Mund verlassen, ,,aber ja, du brauchst nur deine Stimme." Sie rückt noch etwas zur Seite, damit ich ihr das Zeug hoch reichen kann. Sie nimmt ihren Tee entgegen und stellt ihn aufs Bettgestell. Ich tue das ebenfalls. Schnell verdrücken wir beide ein Brötchen. Ich grinse ihr mit vollem Mund zu. Sie fängt an zu kichern, wodurch ihr einzelne Brotkrümel aus dem Mund fallen. Nun kann ich nicht mehr an mir halten und pruste ebenfalls los. Der Lachanfall hält geschlagene 5 Minuten, bis alle Krümel wieder eingesammelt sind, vergehen weitere 2 Minuten. ,,So, jetzt aber los.", meint Alice lächelnd. Ich zwinkere ihr zu.

-Alice
"Es gibt ja immer Songs, die man sofort mit jemanden verbindet. Das ist dir offensichtlich nicht neu. Jedenfalls möchte ich einen Song vor dir hören, der nicht aus deiner Feder stammt, der dich an jemand ganz besonderen erinnert. Natürlich bekommst du auch einen von mir. >Ladies First< gilt hier aber nicht." Ich fange an zu lachen. Ein wenig überrascht schaut er mich an, schnappt sich aber kurz darauf die Gitarre. "Das haben wir früher immer gemacht, wenn ich jemanden kennengelernt habe, der auch Musik macht. War nicht meine Idee, das verspreche ich dir." Ich zwinker ihm zu und warte gespannt auf den Song, den er spielen wird. Ich schnappe mir ein Kissen und drücke es so fest an mich, als wäre es mein Lieblingskuscheltier von früher. Er beginnt zu spielen.

-Henning
Die Gitarrensaiten surren unter meinen Fingerkuppen. Ich spiele die ersten Takte an und krächze:,,You laugh at all the jokes. Even the ones you know. Funny I'm doing that, too." Meine Stimme ist belegt, zu viele Erinnerungen drängen an die Oberfläche, die zu lange versteckt waren, aber ich mache weiter: ,,Alone in a crowded room. The one string that's out of tune. Trust me, I feel like I do. Let me love the lonely out of you. Let me numb the pain you're going through. I think I'd saved myself by saving you. Let me love the lonely out of you." Ich fange an zu weinen. Durch meinen Tränenschleier kann ich Alice' Reaktion nicht beobachten, aber ich singe weiter. Klagend. Weinend. Verzweifelt. ,,Lighthouse without the lights. You smile without your eyes. I know, coz I do that too. Your own worst enemy, you think that no one sees. I do, coz I'm like that too." Meine Finger spielen den falschen Ton, aber das ist egal. Mein Stimme ist rauchiger denn je. Gefühle, Gefühle, Gefühle. Zu viele von diesen Mistdingern. ,,Let me love the lonely out of you. Let me numb the pain you're going through. I think I'd saved myself by saving you. Let me love the lonely out of you." Ich beobachte, wie Alice inzwischen ebenfalls weint. ,,We can light a fire to warm our bones. This world is much too Cold to sleep alone." Ich denke kurzzeitig an diese eine Person, dann kommt der letzte Refrain: ,,Let me love the lonely out of you. Let me numb the pain you're going through. I think I've saved myself by saving you. Let me love the lonely out of you." Ich verstumme.

Das Porzellanmädchen [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt