Bonnebelle blieb unschlüssig in meinem Arbeitszimmer stehen und wand sich unter meinem Blick. Sie hatte mich bereits mit ihrem Besuch überrascht, aber mit ihrem geknickten Gebaren verwunderte sie mich noch viel mehr. Bisher war sie immer eine stolze und schöne Frau gewesen. Hübsch war sie immer noch, aber etwas von ihrem Selbstvertrauen schien ihr Paget mit seiner Abfuhr genommen zu haben. Beinahe hätte ich sie getrösten.
»Ich danke Euch, dass Ihr mich anhört« begann sie zögerlich, worauf ich automatisch lächeln musste. Bevor ich darüber nachgedacht hatte, bot ich ihr einen Platz an und schenkte uns Tee ein. Meine Hofdame verzog missbilligend das Gesicht, weil das eigentlich ihre Aufgabe wäre. Aber etwas gab mir das Gefühl, dass Pagets Geliebte mir etwas sagen wollte, dass ausschließlich für meine Ohren bestimmt war.
»Paget möchte nicht, dass Ihr es wisst« fuhr sie fort und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Wechselte sie gerade die Seite? Es störte mich, dass sie seinen Vornamen verwendete. Ich war seine Frau und selbst ich hatte den Anstand ihn bei seinem Titel zu nennen. »Ihr seit mit Seiner Majestät nicht einer Meinung?« fragte ich und Bonnebelle schüttelte langsam den Kopf und schob ihre Handflächen über ihre Bauchdecke. Alarmiert setzte ich mich gerader hin. Pagets Mätresse hielt ihren Kopf gesenkt. Konnte es sein ... Ich schloss für einen Moment die Augen, bevor ich mich erhob. Bonnebelle folgte mir.
»Seine Majestät weiß davon?«
»Ja, Majestät«
Ich konnte ihr ansehen, dass allerlei Rechtfertigungen für das Verhalten meines Mannes auf ihrer Zunge lange, aber sie schwieg und dafür schenkte ich ihr ein schwaches Lächeln. Paget hatte eine Frau geschwängert.
»Was gedenkt Ihr zu tun?« fragte Bonnebelle vorsichtig und ich wandte mich wieder zu ihr um. Beinahe hätte ich vergessen, dass sie noch hier war. In ihren Augen stand die Sorge um ihr Kind. Ich musterte sie nochmal. Noch konnte man nichts von ihrer Schwangerschaft sehen.
»Eurem Kind wird es an nichts fehlen« versprach ich und bewegte mich zur Tür. Ich musste mit Mathew besprechen, wie wir diesen Skandal eindämmen könnten. Es hatte mir gereicht, die verlassene Ehefrau zu sein. Da musste nicht gleichh ein weiterer Bastard dazu kommen. Ich wollte ganz schnell von hier verschwinden. Hoffentlich würde alles gut laufen und ich könnte länger in Malheur bleiben.
Der Gedanke, Bonnebelle mit ihrem wachsenden Bauch zu sehen, widerte mich an. Sie hatte kein Recht ... ich seufzte und schlang die Arme um mich. Paget hat es ihr ermöglicht ein Kind von ihm zu bekommen und der Erzherzog hatte das Recht zu tun und zu lassen, was ihm beliebt. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten.
»Es ist immer noch mein Kind, Majestät!«
»Es ist ein Kind der Krone und so wird es auch behandelt werden«
Bonnebelle wurde noch eine Spur blasser. Hätte sie sich einen anderen Geliebten gesucht, stünde sie nicht vor diesem Problem. Trotzig verschränkte ich meine Hände.
»Paget wollte es Euch nicht sagen, weil er wusste, dass Ihr grausam sein würdet« prophezeite sie und ich löste meine Arme. Sollte sie im Glauben gehen, ich sei grausam. Ein Leben als Mitglied der kaiserlichen Familie öffnete dem kleinen Wesen viel mehr Türen, als seine leibliche Mutter im jemals bieten könnte. Bonnebelle wusste das und wenn Paget einmal seinen Kopf anstellle seines Geschlechts einsetzen würde, wäre auch ihm das klar.
»Der Erzherzog kennt mich nicht gut genug, um meine Reaktion abzuschätzen«Mathew nahm meine Hand und führte mich die Treppen hinunter. Sein halber Hofstaat war versammelt. Sein Lächeln spiegelte seine Versprechungen wieder. Paget mochte nicht hier sein, aber Mathew hatte mich nicht alleine gelassen. »Ich verlasse mich auf Euch« erinnerte er mich und ich nickte ernst. Diplomatie. Mathew hatte mir in den letzten Wochen einen tieferen Einblick in die Situation gegeben, als ich es für möglich gehalten hatte. Mit diesem Wissen bewaffnet könnte ich am fremden Hof überstehen.
Ich sah mich noch ein letztes Mal suchend um, bevor ich meine Hand von Mathews löste. Insgeheim hatte ich immer noch gehofft, Paget würde kommen, um sich zu verabschieden. Aber ein Wiedersehen mit Dorian schien für ihn ausgeschlossen.
Seufzend reichte ich meinem Cousin die Hand und er half mir in die Kutsche. Seine grünen Augen folgten fasziniert jeder meiner Bewegungen und ich genoss den Schauer, der mir dabei über den Rücken lief. Als mich nochmal aus dem Fenster wandte, um Mathew zuzuwinken, hätte mich sein Blick beinahe ermordet.
»Ich hoffe, Ihr seid nicht auf eine Affäre mit Erzherzog Dorian aus, Cousine« Ich hatte nicht geantwortet, war aber trotzdem vor Scham errötet. Der Gedanke gefiel mir, Mathew und Paget könnte sich den Kopf darüber zerbrechen, ob zwischen mir und Dorian etwas vorfallen könnte.
»Ich habe mich furchtbar benommen« beichtete er und ich wandte mich zu ihm um. Seine Stimme löste wieder dieses Kribbeln in mir aus, obwohl sie im letzten Jahr etwas von ihrem einzigartig hellem Klang eingebüst hatte. »Du hast um mich gefeilscht, als sei ich ein Stück Vieh« erwiderte ich und verschränkte meine Hände. Als mir Mathew eröffnet hatte, Dorian würde mich über die Grenze begleiten, habe ich einen Moment lang gezögert. Er hatte dazu beigetragen, dass meine Ehe mit Paget zerbrach ... oder vielleicht gar nie wirklich in Schwung kam.
»Zum Glück bin ich daran gewöhnt« setzte ich hinterher und lächelte ihn an. Gott alleine wusste, zu vielen Teilen ihn sein Vater dazu genötigt hatte. Ich brauchte einen Freund an diesem Hof. »Ich hätte dich so gerne vor ihm beschützt« flüsterte er und ich senkte meinen Blick. Ich wünschte mir so sehr, dass er mich vor dieser Demütigung und Enttäuschung bewahrt hätte. Aber ich wusste, dass dies nicht in seiner Macht stand. Hätte sein Vater vor dem Kaiser einen Erzieher nach England geschickt, wäre die Sache vielleicht anders verlaufen. Aber Mathew hatte mich mit Seans Hilfe in Paget Arme getrieben, da war ich kaum zehn Jahre alt.
»Du kannst immer noch bei mir bleiben«
»Nein«
Die Antwort ging mir so schnell über die Lippen, dass ich einen Moment von mir selbst überrascht war. Mein Blick flog zu ihm und ich konnte die ewige Enttäuschung sehen. Ich liebte den Hof mit all seinen kleinen Umständlichkeiten und seinen Bewohnern. Paget mochte sich nicht immer für mich entscheiden, aber ich konnte mich für das Leben, das er mir bot, entscheiden. Ich lächelte.
»Deine Wachen werden uns nicht begleiten« wechselte Dorian das Thema und klopfte an die Kutschenwand. Alarmiert sah ich zu ihm auf. Das konnte unmöglich sein erst sein. »Das war so nicht vereinbart. Man hat es Mathew versprochen« - »Papa scheren Versprechungen nicht. Aber ich werde mein Wort halten und auf dich Acht geben« Die Kutsche hielt ruckelnd an und Dorian sprang aus der Tür. Sofort raffte ich meine Röcke, um ihm zu folgen.
Ein für alle Mal! Ich war niemandes Spielzeug. Ohne Wache werde ich überhaupt nirgends hinfahren, außer nachhause. Dorian drückte mich bestimmt zurück in die Kutsche. »Ich gebe auf dich Acht, Lavinia. Versprochen« wiederholte er, bevor er die Tür von außen verschloss. Ich hämmerte dagegen, aber das Holz war zu massiv, um mich zu befreien.
Als ich erste Schreie hörte, verstummte mein Protest. Ich ließ mich zurücksinken. Mein ganzer Körper zitterte. Meine Wache wird nie wieder jemanden begleiten. Verzweifelt presste ich die Hände auf meine Ohren, als das Geschrei sich mit Schwerterklingen mischte.
Ich hatte mich nicht getäuscht.
Der Kaiser war ein grausamer Mann.
Gott helfe mir als seine Geisel.
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Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielen
Historical Fiction»Lavinia. Ich ließ genauestens überwachen, ob du den Strapazen einer Geburt gewachsen sein würdest. Dieser Entschluss war lange diskutiert worden« versuchte Paget sich heraus zureden. Mein Mann hatte also von Beginn an nicht geglaubt, dass ich seine...