Kapitel 9

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5 Tage später
Ich fuhr aus meinem Träumen hoch, als plötzlich eine Welle eiskaltes Wasser über mich schwappte. Augenblicklich begann mein Körper zu zittern und meine Zähne zu klappern. Ich wischte mir das Wasser aus der Stirn und richtete mich langsam auf. Das Zittern meiner Oberarme wurde durch die Anstrengung verstärkt.
Im schummrigen Licht, dass durch die Gitter der Zelle kam, konnte ich kaum ausmachen, wer da stand. Aber der Kübel in seiner Hand war sehr deutlich. »Habt Ihr gut geschlafen?« Ich erstarrte bei der Stimme und rutschte so weit zurück, bis ich den eiskalten Stein berührte. »Minister«, brachte ich heraus. Ich wünschte, meine Stimme hätte nicht so sehr gezittert. Vergebens räusperte ich mich einige Male. »Ich möchte mit Euch über Marokko sprechen« begann er und setzte sich an das untere Ende meiner Pritsche. Seine Augen konnte ich in der Dunkelheit nicht ausmachen, aber seiner Stimme konnte ich entnehmen, dass ihm diese Situation unsägliches Vergnügen bereitete.
»Nur zu« krächzte ich und bedeutete ihm fortzufahren. Das Aufeinanderschlagen meiner Zähne wurde lauter und ich zog meine Beine noch näher an mich heran. »Wenn Ihr mir etwas erzählt, werde ich Euch etwas anständiges zu Essen bringen« versprach er und suchte meinen Blick, so gut er es konnte. Wartete, bis die Botschaft bei mir sackte. Alleine bei dem Gedanken an irgendetwas anderes wie Brot knurrte mein Magen und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
»Ich weiß nichts, über Marokko« log ich und verabschiedete mich innerlich vom Gedanken einer warmen Mahlzeit. In den Unterlagen, die mir Mathew gegeben hatte, standen ausschließlich Vermutungen. Vielleicht verplapperte sich der Minister und ich konnte Mathew von etwas neuem Berichten. Marokko soll Kenneths engster Bündnispartner sein. Von Waffen, über Nahrung und Kleidung bis hin zu Soldaten schienen sie ihm alles zu liefern. »Ihr wisst, dass ich dich nicht verhungern lassen darf«, beinahe hätte ich laut aufgejubelt. Das bedeutete, er musste dem hier bald ein Ende setzen. »Deshalb muss ich kreativer in meinem Befragungsmethoden werden, wenn Ihr Euren Mund nicht aufmacht« - »Ich befürchte, Ihr müsst Euer Köpfchen anstrengen, Minister«
Er erhob sich und trat näher auf mich zu. Trat näher zu mir heran, bis seine ausgestreckte Hand meine ausgezehrte Wange berühren konnte. Beinahe liebevoll streichelte mich sein Daumen. »Ich wünschte, mir müssten das nicht mit Euch tun«

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Als die Tür das nächste Mal knackte, schossen mir sofort seine Worte durch den Kopf. Er war zu grausam, um ein schlechtes Gewissen für mein Dahinvegetieren in dieser Zelle zu haben. Das bedeutete, mir stand etwas wesentlich Schlimmeres bevor. Ich richtete mich, so gut ich es konnte kampfbereit auf.
»Keine Sorge, Majestät« flüsterte Gräfin la Rovere. Ich schluchzte auf und stemmte mich von meiner Pritsche hoch. Durchschritt die wenigen Meter zwischen uns und schlang meine Arme fest um sie. Vielleicht irrte ich mich. Dorian hatte versprochen mich zu beschützen. Sicherlich würde der Minister sich von ihm stoppen lassen.
Ich begegnete dem Blick des Wachmannes hinter ihr und fuhr zurück. Dieser hob sofort die Hände. »Ihr habt nichts von mir zu befürchten« versprach er und ich nickte klamm. Gräfin la Rovere drückte meine Hand und deutete dem Wachmann einzutreten. Trotz seiner Versprechungen wich ich zurück. In seiner Hand hielt er eine Schale, aus der ein herrlicher Duft ausstieg. Mit meiner letzten Kraft konnte ich verhindern, dass ich mich auf das Essen stürzte.
»Wisst Ihr, was der Minister mit Euch macht, wenn er hiervon erfährt?« fragte ich und trat noch einen Schritt von Wachmann fort. Wahrscheinlich hätte sein letztes Stündlein geschlagen. Gräfin la Rovere stieß einen leisen Fluch in einer Sprache aus, die ich nicht verstand. »Ich sehe nicht dabei zu, wie ein Kind misshandelt wird« erwiderte er und mir lag sofort eine Erwiderung auf der Zunge. Ich schluckte sie hinunter und griff eilig nach der Suppenschale.


5 Tage später

La Roveres Verbündeter war heute Morgen nicht hier gewesen, als mich die Wachen geholt hatten. Es war leichter, seitdem sie nachts zu mir kommen konnte. Zumindest für wenige Stunden. Wenn sie sich an meine Pritsche setzte und mit ihrer dunklen Stimme über Elfen und Kobolde erzählte, fühlte ich mich geborgen. Meistens sprach nur sie, während sie mir über den Kopf oder den Rücken streichelte.
Vergebens versuchte ich, dieses Gefühl der Geborgenheit zurückzuholen. Die Ketten an meinen Händen klirrten und sah verunsichert zwischen den Wachmännern hin und her. Obwohl la Rovere manchmal Essen in meine Zelle schmuggeln konnte, war ich immer noch lächerlich schwach. Die Wache hatte mich Knien lassen, nachdem sie realisiert hatten, dass ich niemals auf meinen eigenen Beinen stehen könnte.
Ein eisiger Windhauch fuhr durch die Zelle, als die Tür aufflog und trieb mir den Gestank von Moder und Tod in die Nase. Wo auch immer ich hier war, ich sollte mich sputen, wieder wegzukommen. »Ich werde dir jetzt solange weh tun, bis du mir brauchbare Informationen lieferst« drohte der Minister. Ich hielt meinen Blick gesenkt. Ich glaube kaum, dass es viel braucht, um mich in Ohnmacht fallen zu lassen. Mein Körper lief auf Sparflamme. Nicht einmal meine Blutungen bekam ich.
»Wer sind deine Vertrauten bei Hof«
»Mein Mann«
Er trat mir in den Bauch.
»Mit wem besprichst du, wo du was sagst?«
»Mit meinem Mann«
Er trat mich nochmal.
Mir lief eine Träne hinunter. So weit es mir die Fesseln erlaubten, krümmte ich mich zusammen. Es fühlte sich so an, als hätte er ein klaffendes Loch in mich hineingerissen, dass ein schmerhaftes Eigenleben führte. Woher wusste er, dass das gelogen war? »Öffnet ihr Kleid« Ich fuhr hoch und funkelte ihn böse an. Als ich warme Finger in meinem Rücken spürte, rutschte ich nach vorne hin weg. Aber es half, nichts. Mein Körper begann zu zittern, als der Stoff am Rücken auseinandergeschoben wurde. Die Finger des Wachenmannes scharrten über meine herausstehende Wirbelsäule. Er fuhr zurück.
»Bitte, ich habe gerade erst zwei Kinder ...«
Der erste Schlag ließ mich aufkeuchen. Ich suchte nochmal den Blick des Ministers. Er ließ mich auspeitschen? »Fünf Schläge« flüsterte er leise. Ich hatte mich doch nicht geirrt. Dorian pfiff auf seine Versprechungen oder der Minister war einfach mächtiger. Wahrscheinlich eher Zweiteres. Ich vergrub meinen Kopf in meiner Armbeuge, um meine Schreie zu dämpfen. Wenigstens die Genugtuung mich betteln zu hören wollte ich ihm nehmen. Mir lief eine Gänsehaut über den ganzen Körper, als die ersten Blutstropfen aus den Wunden liefen.
»Sieh mich an«
Mein Kopf ruckte zu ihm herum. Wann hatte er begonnen mich zu duzen? »Dein Mann liebt eine andere Frau« sagte er und ging vor mir in die Hocke. Ich spuckte ihm ins Gesicht. Manchmal fragte ich mich, ob ich nicht einfach lebensmüde war. Der Minister holte aus und sein Schlag traf ungedämpft meine Wange. Ein gewohnter Schmerz machte sich in meinem Gesicht breit. Ich hatte die Demütigung, die mit diesen Schlägen einhergeht, verdrängt, die mir ein treuer Begleiter während Seans Erziehung war.
»10 Schläge«
Meine Schreie wechselten sich mit einem Husten ab, dass mich meinen wunden Bauch spüren ließ. Dieser Mann schien meinen Rücken zerlegen zu wollen. »Sir, seit Ihr Euch sicher ...« begann eine der Mann hinter mir. Dankbar über die Pause atmete ich auf. Bereute es sofort wieder, als sich meine Rückenmuskultur ausdehnte. Der Schmerz fuhr von meinen Zehenspitzen bis in meine Haarwurzeln. Ich verstand den Schlagabtausch hinter mir nicht, aber vernahm deutlich das zu Boden fallen der Peitsche. Gott seid Dank!
»Wen hat Mathew zu deinen politischen Beratern gemacht?« flüsterte mir der Minister zu und ich sah hasserfüllt zu ihm auf. »Dein Mann war kaum da, deshalb ist das ausgeschlossen« Er trat hinter mich und sofort spannte ich mich an. Versuchte ein inneres Gefühl der Ruhe zu erzeugen, um mich auf die Qual vorzubereiten.
Aber nichts konnte mich vor diesem brennenden Schmerz schützen. Mittlerweile brüllte ich. Warum hörte mich niemand? Meine Tränen schmeckten salzig auf meiner Zunge. »Nochmal!« verlangt er, trat wieder hervor und hob mein Kinn an. »Sagt mir irgendetwas!« schrie er und ich fuhr zurück. Unfähig zu sprechen. Beinahe könnte ich glauben, es bereite ihm doch keine Freude, wenn das Funkeln seiner Augen nicht so eindeutig wäre.
»Macht sie los« verlangte Dorian und ich hob überrascht meinen Kopf. Die Tür flog hinter ihm ins Schloss. Er kam zu spät. Die Wache folgte seinen Anweisungen und als sich die Handfesseln lösten, kippte ich wie eine leblose Puppe nach vorne. »Ihre Majestät erwartet ein Kind« la Roveres rauchige Stimme ließ mich aufhorchen, und ich versuchte mich, auf meine Unterarme zu stützen. Für diese Lüge wird sie der Minister in eine Zelle sperren. »Ihr seid kein Arzt« herrschte er meine Hofdame an und trat ungeduldig wieder auf mich zu. »Aber ich stehe schon Jahrzehnte in Diensten. Ich weiß, wann eine Frau ein Kind erwartet« - »Vater zieht seine Erlaubnis sich einem schwangeren, jungen Mädchen zu vergehen zurück«
Der Minisiter fluchte auf, aber ich hörte, wie sich seine Schritte von mir entfernten. La Roveres raue Hände fuhren durch meine Haare und ich schluchzte auf. Ich konnte nicht mehr unterscheiden wo oben und unter war. Alles das ich spürte, war ein Brennen und Ziehen, dass mich entzweizureißen drohte.
Jemand hob mich hoch.
Ich schrie.


Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt