Gräfin Lefort starrte mich einige Momente still an, bevor sie in einen Knicks sank. Mein Arzt neben ihr verhielt sich ähnlich. Beschämt wandte ich mich von ihnen ab. Mein Gesicht fühlte sich so an, als hätte es immer noch Regenbogenfarben und mein ausgemergelter Körper musste selbst durch die Decke Bettdecke zu erkennen sein.
»Darf ich mir die Wunden ansehen?« fragte er mich vorsichtig, worauf ich ihn misstrauisch anstarrte. Wollte er sie wieder reinigen? Bei der Erinnerungen stiegen mir Tränen in die Augen und ich zog die Bettdecke näher zu mir. Gräfin Lefort sah mich vorwurfsvoll an und ich ließ zweifelnd die Decke los. Mir lag die Frage auf der Zunge, ob er mir weh tun würde. Aber ich zwang mich, ruhig zu atmen, und deckte mich ab. Stieg aus dem Bett und bedeutete Gräfin Lefort, mein Nachtkleid zu öffnen.
Ihr Schluchzen riss mich aus meiner Starre und ich wandte mich eilig zu ihr um. Ich wollte etwas sagen, aber mir fiel bei Gott nichts ein, dass sie trösten könnte. Deshalb drückte ich ihr vorsichtig einen Kuss auf die Wange. Mein Arzt stellte sich inzwischen hinter mich und die gälischen Flüche, die er ausstieß, ließen mich schmunzeln. Wahrscheinlich sah es so schlimm aus, wie es sich anfühlte.
»Die Wunden wurden gereinigt?« ich nickte und wartete, ob er mich berühren würde, tat er aber zum Glück nicht. »Ich werde die Narben behandeln und Euren Rücken dann verbinden« erklärte er, worauf ich meine Brüste mit meinen Händen bedeckte, mich umwandte und ihn fragend ansah. Gräfin la Rovere hat in ihrer Not Alkohol über meinen Rücken geleert. Ich wollte wissen, was er vorhatte.
Er eilte zu seiner Arzttasche und holte verschiedene Tinkturen und Öle heraus. »Diese Substanzen sollten die Wundheilung beschleunigen. Einige Narben gehören vielleicht genäht. Aber das müssen wir noch nicht heute entscheiden« ich sah ihn unsicher an. Er hatte nicht gesagt, ob mir das weh tun würde. Als sich seine Finger zum ersten Mal über meinen Rücken bewegten, wollte ich der Bewegungen ausweichen. Aber Gräfin Lefort hielt mich an den Schultern fest und flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr. Es war bei Weitem nicht so schlimm wie die Behandlung mit Alkohol. Es ziepte ein bisschen, aber das war nach dem Schmerz der letzten Wochen kaum der Rede Wert.
***Mithilfe von Princesse Solei schaffte ich es hinunter in den Salon, wo Mathew auf mich warten sollte. Alleine die Blicke der Wachen, die überall positioniert waren, zwangen mich, weiter zu gehen. Ich hatte einem Erben seiner Dynastie das Leben geraubt. Hatte Staatsgeheimnisse aus Angst weitergegeben. Mathew wird mir wahrscheinlich nicht mehr in die Augen sehen wollen. Paget dann erst recht nicht.
Schluchzend drückte ich mich an Princesse Solei, die überrascht einen Arm um mich legte. Ich drückte meinen Kopf auf ihre Schulter, versuchte, mich unter ihr zu verstecken. Ihre Arme sollen mich verbergen. Du musstest bestraft werden, das verstehst du doch ... er hatte Recht.
»Majestät« jemand salutierte hinter mir und ich fuhr herum. Stellte mich schützend vor Princesse Solei. Sie durften mit ihr nicht dasselbe machen. »Majestät ich tue Euch nichts« beruhigte mich Timophly und ich sah ihn zweifelnd an. Bartstoppeln überzogen sein Gesicht und seinen Augen sahen stumpf aus. Verzweifelt. Rye! Rye war tot. Sein Freund.
»Rye« flüsterte ich und sah Timophly entsetzt an, der mich nur traurig anlächelte. Ich hatte ihn enttäuscht. Ich hatte sie alle enttäuscht und verraten. Ich ließ mich auf den Boden sacken und vergrub mein Gesicht in den Händen. »Meine Schuld« brachte ich heraus. Jemand legte von hinten die Arme um mich, worauf ich mich sofort zu wehren begann. Ich konnte selbst gehen. Ich war nicht mehr so machtlos wie im Kellergewölbe von Malheur.
»Lavinia, bitte hört auf, Euch zu wehren« schalt mich Mathew. Seine Stimme beruhigte mich. Mathew hat versprochen, mir niemals weh zu tun. Auf ihn konnte ich mich verlassen. »Bringt ihrer Majestät eine Decke und etwas zu Essen. Bei Gott, sie wiegt weniger als Prinzessin Grace« verteilte Mathew Befehle und trug mich ins angrenzende Zimmer. Er setzte mich auf der Sitzgruppe ab und zog sich einen Sessel vor mich.
Er sah genauso übermüdet aus wie Timophly, nur dass sein Bartschatten fehlte. Anstelle roch er nach Whisky. Missbilligend verzog ich meinen Mund, worauf er heiser auflachte. Mir wurde von hinten eine Decke um die Schultern gelegt, dass mich zusammenfahren ließ. Ich schob sie auf meinen Schoß hinunter.
»Ich kann das Leid niemals wieder gutmachen, dass Ihr in der Zeit erfahren musstest, in der wir taktiert haben«
»Sie haben gesagt, dass Ihr mich nicht holen, mich nicht mehr brauchen werdet«
»Wir haben Tag und Nacht versucht Euch zu finden. Aber wir konnten nicht einmarschieren, ohne Eure Sicherheit zu riskieren, und ... unsere Spione konnten nicht herausfinden, wo er Euch versteckt und ...«
Ich legte Mathew beruhigend eine Hand auf seinen Oberschenkel, worauf er mich erleichtert anlächelte. Kenneth hat gelogen. Aber ich nicht. In meinem Misstrauen habe ich ihm alles über meinen Staatsapparat mitgeteilt, über meine Freunde. Mathew holte ein Foto aus der Hosentasche. Er faltete es sorgfältig auseinander, bevor er es mir unter die Nase hielt. Das könnte mein Rücken sein. Überall verliefen Striemen, blutende, klaffende Wunden auf einem Frauenrücken. Aber auf einem eindeutig viel zu breiten Rücken für mich und meine Haare hatten zu diesem Zeitpunkt anders ausgesehen. Das war eine Fälschung. Aber sie entsprach der Wahrheit.
»Bist du das?«
Ich schüttelte stumm den Kopf, worauf Mathew erleichtert ausatmete und mich anlächelte. Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich genauso aussah. Das er mich ebenfalls entstellt hatte. Seine Mundwinkel sackten langsam nach unten, als die Nachricht sickerte. »Aber er hat das mit dir auch gemacht« ich schluchzte auf. Versuchte mich klein zu machen, aber die Wunden spannten, dass ich überdeutlich wahrnahm.
»Hat man dich bereits verarztet?« fragte Mathew besorgt, worauf ich langsam nickte. »Zuerst Gräfin la Rovere und heute mein Arzt« - »Ach Kind« Es fühlte sich eigenartig an zu sprechen. Mathew legte seine Hände auf meine Wange und klammerte sich an mir fest. Ich spürte die Kraft der noch nicht verheilten Schläge. Als er nicht losließ, wimmerte ich leise, worauf er sofort zurückfuhr. Der Schock in seinen Augen brachte mich beinahe erneut zum Weinen. Ich wollte nicht, dass sie traurig waren.
»Darling?« ich sprang auf, als ich Pagets Stimme vernahm. Mathew griff sofort nach mir, als ich strauchelte, aber mehr stolpernd als laufend, fiel ich in seine Arme. Sofort begannen meine Tränen zu fließen und ich klammerte mich hilflos an ihm fest. Paget schob seine Linke Hand um meine Hüfte und legte die rechte in meinen Nacken. Er wusste es. Meine Knie gaben unter mir nach, worauf Paget mich zurück zur Sitzgruppe dirigierte.
»Ich ...« die Worte blieben mir im Hals stecken und ich sah hilflos zu Paget auf. Wie sollte ich nach all diesen Wochen reagieren? Wie könnte ich mich vor den beiden Männern rechtfertigen? »Ist schon gut, mein Liebling« flüsterte Paget und griff nach meiner Hand. Sie war warm und jagte mir ein Kribbeln, durch den ganzen Körper. »La Rovere hat mir das Notwendigste erklärt - alles andere hat Zeit« er drückte mir einen Kuss auf meinen Handknöchel und warf Mathew einen mahnenden Blick zu.
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Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielen
Historical Fiction»Lavinia. Ich ließ genauestens überwachen, ob du den Strapazen einer Geburt gewachsen sein würdest. Dieser Entschluss war lange diskutiert worden« versuchte Paget sich heraus zureden. Mein Mann hatte also von Beginn an nicht geglaubt, dass ich seine...