Kapitel 11

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Seit Dorian gegangen war, fühlte ich mich noch elender. La Roveres Geschichten waren verstummt und sie blieb die wenige Zeit, in der sie die Wache zu mir ließen einfach still an meinem Bett sitzen. Ohne Dorians Schutz würde mich der Minister hier bald wieder herausholen. Mama ist zu Kenneth ins Schloss gefahren, um ihn davon abzuhalten, mir zu nahe zu kommen. Aber wir wissen, dass Mama schon den Minister selbst überzeugen müsste, damit ich eine reelle Chance habe.
»Majestät« la Rovere knickste vor meinem Bett, bevor sie sich zu mir setzte. Ich konnte es nicht ertragen, wie sie mich immer noch wie eine Adelige behandelt. Kenneth hatte mir alle Eleganz geraubt. Mein Haar war sicherlich schon Wochen nicht mehr gewaschen worden, ganz zu schweigen von dem, das er mit meinem Rücken gemacht hatte.
»Es ist ein Brief von zuhause eingetroffen« flüsterte sie und ich hob meinen Kopf. Die Erleichterung, die in la Roveres Augen stand, ließ mich Lächeln. »Versucht einmal, aufzustehen« bat sie mich. Ich fuhr zurück und schüttelte vehement den Kopf. Solange ich nicht aufstehen konnte, würde mir niemand wehtun. »Bitte, Majestät. Ihr könnt ein Bad nehmen und dann ...« sie brach ab und die Panik in ihren eigenen Augen ließ mich erstarren. Und dann musste ich zu ihm .Meine Beine waren es kaum gewohnt zu gehen und als ich vor ihm Knicksen wollte, gaben sie unter mir nach. Vor Scham stiegen mir Tränen in die Augen. »Ist schon gut, mein Liebling« Mamas Stimme wärmte mich von innen und sie lag schützend die Arme um mich. Die ersten Tränen kullerten aus meinen Augen. »Somalia, sie soll sich setzen« ertönte Onkel Kenneths Stimme von hinten. Mama legte einen Arm um meine Mitte und zog mich mit sich auf die Beine. Ich wich Kenneths Blick aus und begegnete sofort den dunklen Augen des Ministers. Er stand hinter ihm, wie ein Wachhund, ein Auftragsmörder. Ich verkrampfte meine Hände im Kleid, das mittlerweile nur mehr an mir hängte.
»Auf Knien hatte sie mir besser gefallen« spottete er und mein Kopf fuhr zu ihm herum. Ich öffnete meinen Mund, um irgendetwas bissiges zu erwidern, aber mein Kopf war leer. Sein siegessicheres Lächeln ließ mich frösteln und ich rutschte näher zu Mama. »Wir sind nicht hier, um dir weh zu tun« beruhigte Kenneth mich und ich zog die Augenbrauen nach oben. Wenn er glaubte, dass ich nur einem Worte traute, dass aus seinem Mund kam, irrte er sich gewaltig.
»Was braucht Ihr, dass Ihr nicht aus mir herausprügeln konntet?«
»Oh wir mussten dich gar nicht prügeln. Dorian hat alles aus dir herausgekitzelt, dass wir brauchten«
Meine Augen brannten, aber ich zwang mich, ihm weiter in die Augen zu sehen. Auch wenn es mir schwerfiel, musste ich darauf vertrauen, dass Dorian nur das weitergab, dass ich ihm erlaubt hatte. Ich wusste nicht, ob dieser Glaube reine Dummheit war oder eine irrationale Hoffnung. »Ich möchte wissen, was Paget in England zu tun hatte« fuhr er fort und unterbrach unseren Blickkontakt, indem er sich erhob. Trotz seines dicken Bauches konnte er vor mir in die Hocke gehen und mir vertrauensvoll zulächeln.
»Ich möchte, das es dir gut geht und das wir einen Weg finden, wie du mit Dorian zusammen sein kannst. Aber dazu musst du mir helfen« beschwor er. Angewidert wandte ich den Blick ab. Ich wollte Dorian und dieses heruntergekommene Leben nicht. Ich wollte nachhause. Zu meinem Mann, der anscheinend vor seiner schwangeren Mätresse nach England geflohen war. Aber das konnte ich unmöglich zugeben und wenn ich ehrlich war, glaubte ich nicht, dass Mathew das zugelassen hätte. Deshalb sagte ich einfach nichts. Schnaubend trat Onkel Kenneth von mir zurück. Der Druck in meiner Brust legte sich.
»Was wollte dein Mann in England?«
Ich starrte weiter in meinen Schoß, unfähig dem dunklen Blick des Ministers zu begegnen. »Sie weiß es nicht Kenneth, ich bitte dich« flüsterte Mama und griff nach meiner Hand. Ich atmete erleichtert aus. Denn ich wusste er wirklich nicht. Onkel Kenneths stampfende Schritte kamen wieder auf mich zu und fassten in meinen Haarknoten. Zogen solange daran, bis ich meinen Kopf in den Nacken gelegt hatte. Zu ihm aufsah.
»Ich weiß es nicht« krächzte ich. Es zuzugeben und zu wissen, dass er wahr war, demütigte mich unglaublich. Noch mehr als sein Schlag. Meine Wange fühlte sich taub an und ich wand mich unter seinem Blick. Was sollte ich ihm sagen? Das Bonnebelle schwanger war, wusste er mit Sicherheit schon. »Ich ...« meine Stimme brach. Wann hatte ich das letzte Mal wirklich gesprochen? Eine ganze normale Unterhaltung geführt und nicht nur in abgehakten Sätzen geantwortet. »Paget war verschwunden, als ich aufbrach« stammelte ich und die Wut, die in Kenneths Augen aufblitzte, ließ mich erschaudern. »Er hat mir erzählt, dass er, bevor er das Anwesen für uns beide in England kaufte, am Hof logierte. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt« Kenneth ließ mich los und ich rieb mir über meinen schmerzenden Nacken. Mama griff sofort wieder nach meiner Hand.
»Das stimmt nicht, Majestät« die tiefe Stimme des Ministers erreichte mich nur langsam. Ich brauchte einige Momente bis ich begriff, was das bedeutete. Hilfesuchend drückte ich mich an Mama, die einen Arm um mich legte. Kenneth wanderte auf und ab wie ein eingeschlossener Tiger. »Sie ist wertlos!« brüllte Kenneth und fegte die nächste Vase vom Tisch. Mama schluchzte auf und legte ihre Arme schützend um meinen Kopf. Ich konnte nichts mehr sehen, aber hörte, wie er fortfuhr, dass Zimmer zu zerlegen. »Ich glaube kaum, dass wir dir hier von Nutzen sind« unterbrach Mama ihn kühl. Der Lärm hörte auf. Ihre Stimme hätte selbst Dampf gefrieren lassen.
Kenneth schwieg und Mama dirigierte mich aus dem Zimmer. Ich drehte mich nicht um, begutachtete den Schaden nicht, den er in diesem sowieso schon heruntergekommen Zimmer angerichtet hatte. 3 Tage später
Onkel Kenneth hatte die Besuchszeiten meiner Hofdamen noch weiter eingeschränkt. Zwei Stunden am Tag, dafür einige mehr in der Nacht. Ich wollte nicht wissen, wie la Rovere und Yorker die Wache herumbekommen haben. »Es hat geschneit« flüsterte Gräfin Yorker an meinem Ohr und entwirrte meine Haare. Sie dufteten noch nach Rosenöl und fühlten sich beinahe wieder so an wie früher. Aber eben nur beinahe. Für immer wird alles nur mehr so ähnlich sein, wie vor Kenneths ... Ich drückte meinen Kopf in das Kissen und zwang mich, nicht weiter darüber nachzudenken.
»Haben Majestät Ihre Monatsblutung?« fragte mich Maida vorsichtig, aber ich schüttelte den Kopf. Kenneth gab mir immer noch nichts Anständiges zu essen. Deshalb sparte mein Körper bei allem, dass ihm einfiel. Sie strich mir nochmal beruhigend über den Rücken, bevor sie sich von mir löste und ihren Kopf durch die Tür steckte.
»Wir müssen hier weg, sofort«
»Seine Majestät ist noch nicht fertig mit allen Vorbereitungen«
Ich konnte die Stimmen der Wachen nicht auseinanderhalten, also wusste ich nicht, mit wem Yorker sprach. Für mich klangen sie alle gleich monoton, ausgeblutet, leer. Als hätte sie Kenneth derselben Tracht Prügel unterzogen wie mich. »Was ist los?« Ich richtete mich auf, als ich la Roveres dunkle Stimme vernahm. Ich dachte, sie schläft ausnahmsweise einmal.
»Ihre Majestät blutet«
»Ich hole meine Salbe«
»Zwischen ihren Beinen, la Rovere«
Meine junge Hofdame wandte sich kurz zu mir um, bevor sie wieder durch die Tür sprach. »Entweder Ihre Majestät genest, oder sie hat gerade ihr Kind verloren« Ich schnappte erschrocken nach Luft und schob meine Hände über meinen Bauch. Das hätte ich doch gespürt, ich hätte doch etwas bemerken müssen, wenn ... Ich tastete weiter nach unten und spürte etwas Feuchtes. Starrte auf meine rotbenetzten Finger und war mit einem Satz aus dem Bett. Ich musste hier schleunigst weg.


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Hey, ihr Lieben!

Ich wäre wirklich froh, wieder  einmal von euch in Form von Feedback zu hören! Was denkt ihr so über Dorian und seinen Vater und wie glaubt ihr das es weiter geht?


Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt