Kapitel 1

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Ich rollte mich stöhnend im Bett herum. Obwohl mir Princesse Solei mehrere Male versichert hatte, dass es völlig in Ordnung sei, hier zu entbinden, schämte ich mich schrecklich. Gräfin Yorker tupfte mir den Schweiß von der Stirn und ich keuchte kurz auf, als eine neue Wehe einsetzte. Gräfin laRovere schrieb den Abstand zwischen den Wehen erneut auf einen Zettel. Sie meinte, dass würde meinem Arzt helfen. Da sie die Einzige von uns war, die bereits entbunden hatte, verließen wir uns Wohl oder Übel auf ihren Rat.

»Ihr müsst pressen, Majestät« rief sie und ich sah sie erschöpft an. Ich spürte bereits jeden meiner Knochen und mir war furchtbar schlecht. Maida half mir aus dem Bett und ich wanderte einige Schritte im Zimmer auf und ab. Ich hielt mich am Wandschrank fest, als die nächste Wehe einsetzte. Zum ersten Mal verstand ich, was Paget meinte, als er sagte, ich sei zerbrechlich. Er sprach nie von meiner Persönlichkeit, sondern von meinem Körper. Vielleicht hatte er geahnt, dass diese Geburt hart werden würde und sich deshalb vorsichtshalber abgeseilt. Mittlerweile traute ich es ihm zu.

»Guten Abend« Princesse Solei führte einen völlig entspannten schottischen Arzt ins Zimmer, der sofort auf die Liste mit den Wehenabständen zusteuerte. »Geht weiter auf und ab, Majestät. Das ist gut so« sagte er geistesabwesend und gab den beiden Hebammen, die er mitgebracht hatte erste Anweisungen. Die nächste Wehe hätte mich beinahe in die Knie gezwungen. Maida verfrachtete mich zurück ins Bett. Der Arzt ließ mich mit den beiden Hebammen zurück, um sich kurz mit meinen Hofdamen zu besprechen. Mich überlief ein eisiger Schauer, als mich die beiden alleine ließen.

***

»Die beiden kommen zu früh«, flüsterte ich Stunden später, als sich immer noch nicht viel getan hat, außer das ich mittlerweile fast wahnsinnig wurde vor Schmerzen. Mein Arzt meinte, es sei alles normal, aber ich wusste, das er log. Er rieb sich immer wieder über den Bart und hörte mich ständig ab. Als das nächste Mal die Tür aufflog, war ich überzeugt, den Verstand verloren zu haben. Paget stürmte in den Raum, warf mir einen eiligen Blick zu, worauf er sofort blass wie eine Wand wurde. »Wir haben die Möglichkeit bereits in Schottland besprochen. Sie wäre nun angebracht. Wie entscheiden Eure Majestät?« fragte mein Arzt und ich starrte Paget an. Welche Möglichkeiten? Ich schob meine Hände schützend über meinen Bauch und gab mir bei der nächsten Wehe besonders viel Mühe mit Pressen.

»Ihr wollt Ihrer Majestät den Bauch aufschneiden?« - »Ich möchte die Kronprinzen mit einem Kaiserschnitt holen, ja« Ich schrie sofort auf. Das konnte ich nicht zulassen. Das war gefährlich! Für mich und die Kinder. Panisch sah ich zu Paget. Das konnte er nicht zulassen.

Als er knapp nickte, schlang ich meine Hände um meinen Bauch und schüttelte den Kopf. »Paget, nein! Ich schaff das!« rief ich verzweifelt. Mein Mann wurde noch eine Spur blasser, als er nochmal zu mir herübersah. »Euer Muttermund hat sich nicht geöffnet, Majestät. Eure Kinder stecken da drinnen fest« redete der Arzt auf mich ein. Ich schüttelte immer noch vehement den Kopf und suchte Pagets Blick. Ich hatte die beiden beinahe neun Monate in meinem Bauch getragen. Ich konnte nicht zulassen, dass er sie gefährdet. »Ich flehe dich an, Paget, ich will das nicht« schrie ich und Paget Blick flog noch einmal kurz zu mir. Er schüttelte stumm den Kopf, bevor er sich wieder dem Arzt zuwandte. »Rettet das Leben Ihrer Majestät. Schneidet die Kinder heraus« - »Paget, nein! Bitte« Ich lies mich schluchzend zurücksinken, als er ohne sich nochmal zu mir umzudrehen, die Tür hinter sich schloss. Maida setzte sich an die Bettkante und nahm eine Hand von meinem Bauch weg und drückte sie ganz fest an sich. »Alles wird gut, Majestät. Versprochen«

***

Ich konnte es selbst kaum glauben, als ich meine Augen aufschlug. Das glich einem Wunder. Vorsichtig strich ich über meinen Bauch. Erst einige Augenblicke später nahm ich das Gemurmel, um mich herum war. »Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob Ihr aufwachen würdet« gestand mein Arzt und klappte sofort seine Arzttasche auf, um erste Untersuchungen durchzuführen. Ich schwieg und presste die Lippen zusammen, als er meine Bauchdecke untersuchte. Es tat höllisch weh. Fast noch mehr, wie die Wehen.

»Bitte verzeiht mir, Majestät. Ich wollte nichts über Euren Kopf hinweg entscheiden, aber Seine Majestät hat klar gemacht, dass ...«

»Meine Kinder?«

Mein Arzt verstummte und sah mich bekümmert an, bevor ein Strahlen über sein Gesicht huschte. »Zwei gesunde Buben, Majestät« - »Ich will sie sehen« Mein Arzt zog sich mit einer Verbeugung zurück und schickte eine der Hebammen nach den Kindern. Ich fand Gräfin Yorkers Blick und lächelte ihr dankbar zu. »Ihr wart so tapfer, Majestät«, flüsterte sie und kniete sich neben mein Bett.

»Ist Seine Majestät abgereist?«, fragte ich nach. Hoffentlich würde er zur Hölle fahren. Er hatte mein Leben damit riskiert. Noch viel Schlimmer. Er hatte das Leben des Thronfolgers riskiert. Mir wurde warm bei dem Gedanken, dass ich wirklich zwei gesunde Söhne hatte. Für einen Moment hatte ich geglaubt, alles wäre aus und vorbei. Gräfin Yorker griff erneut nach meiner Hand und ich war mir nicht sicher, für wen der Körperkontakt gerade wichtiger war. Die Hebamme schlich auf leisen Sohlen in den Raum und legte mir einen Jungen auf die Brust und den Zweiten neben mir ins Bett.

Vorsichtig strich ich dem Buben über den Kopf. »Wie heißen sie, Gräfin?« - »Der auf deiner Brust ist Novel, der andere Avel« Ich erstarrte, als ich Pagets Stimme vernahm. Ich hatte Yorkers tröstende Geste falsch verstanden. Schützend schob ich die zweite Hand über Avel und funkelte Paget böse an. Er hätte das niemals über meinen Kopf hinweg entscheiden dürfen. »Lasst uns alleine« wies Paget an und ich sah unsicher zwischen meinen Kindern und der Hebamme hin und her. »Ich habe ein Auge auf die Prinzen« flüsterte mir Gräfin Yorker ins Ohr und ich rang mir ein Lächeln ab. Als sie Novel von meiner Brust nahm, stiegen mir für einen Moment Tränen in die Augen. Noch hatten sie blauen Augen, aber ich glaubte, bereits einige grüne Sprenkel erkennen zu können. Ich zog die Decke enger um mich und warf Paget einen misstrauischen Blick zu.

Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt