Kapitel 16

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Ich wand mich unruhig, als mein Schlaf vom Gemurmel rundherum gestört wurde. »Was tut Ihr hier, Gräfin?« fragte Paget schroff und ich spürte, wie sich die Matratze hob, als Maida ihren Platz ein meiner Seite verließ.
»Ihre Majestät wollte nicht alleine sein, solange sie auf Euch warten musste«, erwiderte Maida und der unterschwellige Vorwurf in ihrer Stimme brachte mich zum Schmunzeln. Selbst Gräfin laRovere zog den Kopf vor meinen Mann ein. Maida stieg immer weiter in meinem Ansehen. »Wie geht es ihr?« - »Sie ist durch die Hölle gegangen. Dementsprechend gut würde ich sagen. Sie braucht Euch«
Einige Sekunden war es still, bevor ich die Röcke der meiner Hofdame rascheln hörte und Pagets Gewicht die Matratze verschob. Lächelnd streckte ich meine Hände nach ihm aus. »Darling« er drückte einen Kuss auf beide Handrücken. Ich rutschte näher an ihn heran, worauf er sofort die Arme um mich schlang. »Tut mir leid, dass ich so weit weg vom Schloss bin« flüsterte ich, worauf er entschlossen den Kopf schüttelte. »Du scheinst es bei Princesse Solei zu mögen« - »Sie ist eine wunderbare Freundin« Paget sortierte meine Haarpartien auf meinen Rücken und hielt mich eine Weile schweigend im Arm.
»Unsere Truppen sind heute in Malheur einmarschiert« wechselte mein Mann das Thema und ich hielt erschrocken Luft an. Mathew hatte Unrecht. Paget konnte an einem Tag den ganzen Ministerrat umkrempeln. »Kenneth hat Bilder von deinem Rücken veröffentlicht. Die Empörung war groß genug, dass die ersten Zivilisten ohne militärischen Befehl über die Grenze gestürmt sind« berichtete er, worauf mir Tränen in die Augen stiegen. Diese Männer kannten mich nicht. Für sie war ich lediglich die schillernde Person, die ihren Kronprinzen das Leben geschenkt hat. Ich schluchzte leise auf bei dem Gedanken an die beiden. Sie waren mit Sicherheit schon ein großes Stück gewachsen.
»Wirst du in den Krieg ziehen?«
»Noch bin ich hier«
»Den Menschen wird es nicht gefallen, wenn du mich so schnell verlässt«
»Mir würde es nicht gefallen, dich zurückzulassen«
Paget rollte sich auf mich und Strich mir über die tränennassen Wangen. »Wie geht es unseren Kindern?« fragte ich und Paget strich erneut über meine Lippen. Er konnte sich nicht beschweren. Ich sprach. Selbst wenn es eigenartig war und ich erst mit der Schuld zurechtkommen musste, versuchte ich es. Das war ich den Menschen schuldig, die heute meinetwegen die Grenze gestürmt haben. »Gut, allen drein geht es gut. Grace kann es kaum erwarten, dich zu sehen« Ich fand es schön, das er Zeit mit seiner Tochter verbrachte. Ich zog seinen Kopf zu mir und presste meine Lippen gegen seine. Stöhnend schob er sich näher an mich und ich seufzte glücklich auf, als er meinen Kiefer küsste.
Irritiert sah ich auf, als er plötzlich aufhörte. »Ich muss mit dir über Dorian sprechen« keuchte er. Das fühlte sich an wie ein Eimer kaltes Wasser über meinen Kopf. »Ich weiß, dass er dich will und ich weiß, dass ich dir bei Gott keinen Grund gegeben habe auf mich zu vertrauen, aber hast du ...« - »Ich habe seine Hilfe angenommen, Paget. Ich habe zugelassen, dass er tage und nächtelang an meinem Bett gesessen ist, weil ich es nicht ertragen konnte, alleine zu sein« Ich ließ meinen Kopf auf die Seite fallen und starrte in die Dunkelheit. Dorian war da gewesen. Er hatte mir Wärme geschenkt, wenn ich geglaubt habe, der Minister würde jeden Moment durch die Tür stürmen und mein letztes Stündlein verkünden. Paget war so oberflächlich, wenn er glaubte, alles das ihm an einem anderen Mann gefährlich werden könnte, seien Küsse und Sex. »Aber er hat mir nie unsittlich berührt« endete ich und sah zu Paget auf. »Er hat es akzeptiert, als ich nicht mit ihm fortlaufen wollte« Ich riskierte einen Blick in Pagets Richtung. Langsam zogen sich seine Lippen zu einem Lächeln, worauf ich meinen Daumen über seine Unterlippe gleiten ließ. Er wird immer derselbe Narr bleiben.
»Hast da darüber nachgedacht?« bohrte er nach und ich ließ seufzend meine Hand von seinem Gesicht gleiten. Ich hatte bisher immer geglaubt, ich sei die Masochistin in unserer Beziehung, aber er schien es darauf anzulegen, dass ich ihm weh tat. »Mathew hätte das nicht zugelassen« erwiderte ich und sah ernst zu ihm auf. Die beiden Männer hätten jedes Fleckchen Erde Europas nach mir absuchen lassen. Ich habe mir den Gedanken nicht erlaubt, dass am hinter all dem Schmerz vielleicht ein neues Leben auf mich wartet. »Es tut mir so leid« Paget legte seinen Kopf auf meine Brust und ich strich ihm beruhigend durch die Haare. Ich spürte seine Tränen in meinem Ausschnitt.
»Das ist alles, was du nie wolltest«
»Das ist nicht wahr, Paget«
»Sean hat mir erzählt, wie du warst, bevor ich mich angekündigt hatte«
Paget hatte sich aufgerichtet und ich musste meine Arme ganz durchstrecken, um durch seine Haare zu streichen. Das beruhigte uns beide. Vor allem, wenn Sean Dinge in den Raum stellt, die schon lange überholt waren.
Er hatte Recht, wenn er sagte, dass ich, solange ich nur Seans Autorität kannte, mich niemanden unterwerfen wollte. »Ich habe mich Mathew freiwillig unterworfen, weil ich ihn respektiere« hielt ich dagegen und zog ihn näher zu mir. »Du hingegen hast mir nie eine Wahl gelassen« neckte ich ihn und zog spielerisch an seinen Haaren. Aber Paget stieg nicht darauf ein, »Ich wollte gegenüber keinem Mann klein beigeben, vor dem ich Angst habe. Ich wollte keine Familie mit einem Mann, der meine Kinder und mich unterdrücken würde« erklärte ich und drückte einen Kuss auf Pagets Mundwinkel, »aber das hast du alles nie getan. Du hast verlangt, dass ich dir folge und das mit einer Autorität, die ich nie angezweifelt habe« Pagets Augen glänzten verdächtig und ich rang mir ein Lächeln ab. Ich würde ihm folgen, wo auch immer er hinging oder von mir wollte. Es ist meine Pflicht und ich habe es bisher selten bereut. Bonheur hielt unglaublich schöne Überraschungen für mich bereit.
»Oh Gott, ich wünschte, ich hätte deine Loyalität verdient« ich erstarrte unter ihm. Suchte seinen Blick, den aber beharrlich abgewandt hielt. Was hatte er getan, dass er sich mir unwürdig fühlte? Gerade mir, deren Körper zerstört ist und deren Seele gerade geflickt wird.
»Ich hatte nach Bonnebelle eine weitere Geliebte«


Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt