Kapitel 27

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Die Wache an den Türen reagierte zu spät und deshalb stieß ich mir selbst die Türen auf. Er durfte nicht schwer verletzt sein! Warum hatte man mir nicht genauer telegrafiert? »Majestät bitte beruhigt Euch« ein Arzt stellte sich mir in den Weg und ich hielt abrupt inne. Wer wagte es ...? »Eurem Mann geht es soweit gut!« Ich spürte, wie mir die erste Träne die Wange herunterkullerte. Der Arzt strich sich verlegen über sein Kinn, drehte sich um und eilte voraus.
Ich erkannte Pagets verwuschelten Haarschopf bereits aus einigen Metern Entfernung und schob mich an dem Arzt vorbei. Ich ließ mich neben seinem Bett auf dem Boden sinken und griff nach der Hand, die auf seinem Bauch lag. Erleichtert drückte ich einen Kuss darauf. Das war zwar nicht majestätisch, aber zumindest ehrlich.
»Hör auf zu weinen, Darling« flüsterte er und seine Stimme klang rau und gebrochen. Ich sah unruhig zu ihm auf. Wie schlimm war es? Hatte der Arzt es gerade beschönigt? Hatten sie noch nicht alles gefunden? Ich drückte erneut einen Kuss auf seine Hand. Er hievte sich einige Meter zur Seite und ich setzte mich zu ihm auf die Matratze. Ich widerstand Versuchung mich zu ihm zu legen. Nemours hatte Recht. Ich musste aufpassen, dass jetzt nichts Falsches tat.
»Majestät« ein Krankenpfleger schob einen Sessel neben Pagets Bett und ich ließ mich widerwillig darauf nieder. Aber zumindest seine Hand konnte ich noch halten. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und es schien eine unglaubliche Anstrengung für ihn zu sein mich anzulächeln. Sein Lebensmut schien ebenfalls verletzt zu sein. Vorsichtig löste ich meine Hand von seiner und drückte seine Handfläche auf meine Bauchdecke.
Paget sah mich irritiert an. Durch den Schmerz blitzte Hoffnung auf. Nur ein kleiner Funke, aber er war da. »Du musst wieder gesund werden. Für uns beide« beschwor ich ihn, worauf er heißer auflachte. Er zog meinen Kopf zu sich herunter und presste seine Lippen auf meine. Das war kein Kuss, wie er es früher war. Pagets Lippen waren hart und er schien mich mehr zu suchen, als er mich wirklich gefunden hat. Ich drückte mich von ihm weg und strich ihm vorsichtig über die Wange. Wahrscheinlich war er noch nicht ganz bei sich.
»Wusste Mathew davon, als das mit Haddock passiert ist?« fragte Paget leise nach und sofort schossen mir Tränen in die Augen. Ich wandte den Blick zur Seite. Natürlich hatte ihm Mathew davon berichtet und sich wahrscheinlich im selben Atemzug über meine Empfindlichkeit beschwert. Ich schob seine Hand von mir und wollte aufstehen. Mit überraschender Kraft packte er in mein Kleid und hielt mich an Ort und Stelle. Ich wollte meine Tränen vor ihm verbergen. Er schob seine Hand erneut in meinen Nacken und ich spannte mich in Erwartung eines zweiten Kusses bereits an. Aber anstelle zog er mich an seine Brust. »Ich weiß, dass du dich gedemütigt fühlst« flüsterte er und zeichnete mit seinem Daumen Kreise in meinen Nacken. Ich schluchzte auf und drückte meinen Kopf fester an Pagets Brust. Er stöhnte auf und verkrallte seine Hand in meinem Haar. Vorsichtig richtete ich mich auf und sah ihn durch meinen Tränenschleier an.
»Ich bin von einer explodierenden Granate einige Meter zurückgeschleudert worden. Dabei habe ich mir einige Rippen geprellt« erklärte er heißer und deutete auf seinen Oberkörper. Durch die Bettdecke konnte ich natürlich nichts erkennen. Mir blieb der Mund offen stehen und ich strich ihm nochmal vorsichtig über seine Wange. War das besser oder gefährlicher als die Verletzung einer Schusswunde? Paget zog meine Hand über seine Lippen und drückte einen Kuss auf meine Handfläche. Augenblick überlief mich ein Schauer. »Tupf dir besser die Wangen ab. Bald wird der Oberarzt kommen, um uns in aller Ehre zu nerven« scherzte er und ich lachte auf. Einen Moment starrte ich noch auf seine eingefallen Augen und zerkratzen Wangen, bevor ich ihn loslassen konnte. Ich beseitigte so gut ich es ohne Spiegel funktionierte, alle Spuren meiner Tränen. Keinen Moment zu spät.
»Majestät« der Oberarzt, der mir vor wenigen Stunden einen Überblick über das Hospiz gegeben und mich herumgeführt hat, verbeugte sich tief vor mir. Ich warf Paget einen gequälten Blick zu, den er grinsend erwiderte. Er war krank, deshalb musste ich mich zum zweiten Mal an diesem Tag mit diesem Mann herumschlagen. Seine Korrektheit musste selbst Mathew Angst einjagen. »Darf ich Majestät am Weg hinaus über den Gesundheitszustand Seiner Majestät aufklären? Die Männer brauchen jetzt unbedingt Ruhe« Ich drückte Pagets Schulter, der mich beruhigend anlächelte. Ein bisschen Schalk stand immer noch in seinen Augen. Es schien ihn zu amüsieren, dass ich mich mit dem Mann herumschlagen musste.
»Wann ist seine Majestät soweit genesen, dass seine Behandlung von den Hofärzten bei Hof fortgesetzt werden kann?«
»Das wird nicht notwendig sein, Majestät. Der Erzherzog wird bald völlig genesen und wieder bereit sein, seine Position an der Front einzunehmen«
Der Arzt schenkte mir ein mitleidiges Lächeln, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. »Das ist seine Pflicht, Majestät« - »Was seine Pflicht ist, wird der Kaiser anhand der politischen Lage selbst bestimmen!« Ich wandte mich um und verließ fluchtartig den Saal mit den Betten. Die Augen der verletzten Soldaten folgten mir und ich zog fröstelnd mein Schultertuch enger um mich. Paget kann uns nicht schon wieder verlassen. Das wird Mathew nicht zulassen. Nicht, wenn ich erneut schwanger bin. 


***

Gräfin la Rovere blieb bei mir, ohne das ich etwas zu sagen brauchte. Sie gab mir einen Wink zur Seite zu rutschen und setzte sich an meine Bettkante. Zu meinem Glück fragte sie nicht nach, wollte mich nicht berühren, sondern blieb einfach bis ich schlief.
Der Gedanke, dass ich irgendwann alleine war, ließ mich erschauern. Maida sah mich aus müden Augen an. Zumindest schien la Rovere Maida unterrichtet zu haben, als sie selbst zu Bett ging. »Ich läute nach dem Frühstück, in Ordnung?«
Ich schüttelte den Kopf. Unfähig etwas zu sagen. Paget ist von einer Granate getroffen worden. Wahrscheinlich sollte ich mich über die gezielten Schläge auf meinem Rücken freuen. Mir hätten ganz unkontrollierte Dinge widerfahren können.
Bis ich bei Paget ihm Hospiz war, konnte ich keinen Bissen essen. Mit ihm gemeinsam würgte ich zumindest ein Stück Kuchen hinunter. Princesse Solei schickte wortwörtlich eine Armeeladung an Süßgebäck ins Lazarett. Paget und ich sprachen wenig. Einerseits, weil uns ständig alle begafften, die einen Blick auf uns erhaschen konnten und andererseits, weil wir beide befangen waren. Ich bevorzugte es weiter Briefe für Gefangene zu schreiben. Da hatte ich ihm meistens noch im Blick, war aber nicht gezwungen Konversation mit ihm zu betreiben. Die Kluft die zwischen uns entstanden war, schien immer unüberbrückbarer zu werden, desto härter es wir beide versuchten, uns zu lieben. 

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Meine Sommerpause ist seit letzter Woche vorbei. Habt ihr einen schönen Sommer?

Die Updates werden bis Anfang September aus urlaubstechnischen Gründen immer Dienstags kommen. 

Ich freue mich über Sternchen und Kommentare!




Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt