Kapitel 7

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Ihre grünen Augen waren genauso wie die meinen. Stechend und wandelten ihre Schattierungen im Licht. Mamas Haare waren zwar eindeutig dunkler, aber genauso dicht wie meine. Das war aber auch unsere einzige Ähnlichkeit. In diesem dunkelblauen Kleid sah sie aus wie eine Frau Mitten im Leben. Der Rock wog um ihre Hüften und ihre Augen strahlten, als sie Dorian sah.
»Ist Vater hier?«
»Nicht mehr«
Ich konnte Dorians Gesicht nicht sehen, aber Mamas Mundwinkel sanken nach unten und ihre rechte Wange war geschwollen. Dorian nickte ihr zu und ich drückte laRoveres Hand noch eine Spur fester.
»Hier bist du vorläufig sicher, Lavinia« beruhigte mich Dorian und ich überhörte das vorläufig in seinem Satz. Sein Vater und dieser Minister werden kommen und dann Gnade mir Gott. »Kann ich dich alleine lassen?« fragte er und ich wollte schon selbstsicher bejahen, als ich merkte, dass sein Blick an jemand ganz anderem hing. Mamas Augen wurden weich und streichelte Dorian kurz über die Wange.
»Du musst ihn beruhigen« - »Ich weiß, Tante Somalia«
Irritiert sah ich zwischen den beiden hin und her. Aber niemand hatte vor mich einzuweihen und Dorian verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken von mir. Ich lächelte gezwungen.
Mama und ich blieben in der Halle stehen und starrten uns an.
Schwiegen.
Ich verkrampfte meine Arme auf der Seite und scharrte ungeduldig mit dem Fuß. Warum sagt sie bloß nichts? Wollte sie mich nicht umarmen? Gefiel ich ihr am Ende nicht. »Bitte verzeiht, aber ich würde die Sachen Ihrer Majestät gerne auspacken und alles zum Umkleiden vorbereiten« holte uns laRovere aus unserer Starrre und ich wandte mich dankbar zu ihr um. Drückte ihre Hand und wich dann selbst zur Seite, damit sie ihre Arbeit tun konnte. Aber das Schweigen zwischen uns blieb. Es hingen so viele Fragen in der Luft. »Warum bist du gekommen« - »Pagets Mätresse ist schwanger« Mama nickte langsam und schob ihre Hand über den Tisch. Ließ sie aufgleiten und sah mich an. In ihren Augen stand ein ähnlicher Schmerz, wie ich ihn fühlte. Ob mein Vater oder Kenneth sie auch betrogen haben? Ich sah auf die abgewetzte Tischplatte. War es wirklich das Kind, das mich störte? Als Mathew mir zugesichert hatte, dass ich es großziehen könnte, fühlte ich nichts als Triumph. Dafür sollte ich mich schämen.
»Warum bekommt Ihr keine besser in Stand gehaltene Residenz« wechselte ich das Thema. Mathew und Paget waren weit fort. Zuerst galt es einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. »Ich hätte ein Schloss haben können, wenn mir dein Vater gereicht hätte« flüsterte sie und die Tränen, die ihr dabei in die Augen traten, ließen mich zurückfahren.
»Hat Papa mich geliebt?« fragte ich und meine Mutter lächelte schwach. Zuckte mit den Schultern. Die Frage ob sie mich geliebt hatte, war überflüssig. Wenn ich daran dachte, meine Söhne nach England zu schicken, zog sich alles in mir zusammen. Niemals würde ich zulassen, dass man sie mir entreißt. »Ich habe dich mitgenommen. Erst als die Situation hier eskalierte, schickte ich zu meinem Bruder« Ich sah sie fassungslos an. Lord Hawkins hat mir mein Leben lang das Gefühl gegeben, Mama hätte mich verraten. Dabei nahm sie mich mit. Wollte mich eine Chance in ihrem neuen Leben geben. Ich lachte leise auf und versuchte die Tränen zurückzudrängen. Hätte sie mich bloß nie weggeben. Hier konnte es kaum Schlimmer gewesen sein, als bei Lord Hawkins. »Deine Mutter war schon immer überführsorglich« Mama erhob sich und ich folgte eilig ihrem Beispiel. Sie war steif wie ein Brett. Mein Onkel war ein dicker Mann. Seine Kleidung war vor einigen Jahren sicher prachtvoll gewesen, aber mittlerweile war seine Uniform abgewetzt. »Onkel« ich machte einen anständigen Knicks. Nicht so tief wie vor einem Kaiser, aber tiefer wie ich vor Lord Hawkins geknickst habe. Mathew hat mich davor gewarnt, ihm zu viel Ehrerbietung zukommen zu lassen. Kenneth verzog den Mund, wandte sich aber zum Glück wieder meiner Mutter zu. Besorgt sah ich mich um. Der Minister war zu meinem großen Glück nicht zu sehen. Dorian zwar auch nicht, aber mein Onkel sah so aus, als könne man mit ihm fertig werden.
»Das wollte ich nicht« flüsterte er und strich über Mamas blaue Wange. Augenblicklich versteifte ich mich auch. Ich sollte ihn nicht unterschätzen. »Ich weiß« flüsterte sie, nahm seine Hand von ihrer Wange und drückte einen Kuss darauf. Kenneth lächelte sie an. »Lass mich kurz mit unserer Tochter alleine« ich öffnete sofort meinen Mund, aber Mamas mahnender Blick ließ mich verstummen. Nichts an diesem Mann war mir vertraut. Er war nicht mein Vater.
»Warum hat mein Neffe zugestimmt, dich hierher zu schicken?«
»Er möchte den Frieden sichern«
»Auf meine Kosten!«
Ich sah ihn stumm an und faltete nervös die Hände in meinem Schoß. Vor diesem Gespräch hatte ich die größte Angst. Aber wahrscheinlich war es meine einzige Möglichkeit, meinen Onkel umzustimmen. Hoffentlich war ich in der Zukunft nicht mehr alleine mit ihm. Er deutete mir erneut am Tisch platz zu nehmen.
»Der Kaiser wird nicht nachgeben. Er hat die stärkeren Truppen und die besseren Verbündeten, Onkel«
»Erzähl mir etwas über eure Verbündeten«
Ich presste meine Lippen zusammen, um nichts Unbedachte zu sagen. Es schien Mathews größter Trumpf zu sein, dass Kenneth schlecht über unsere außenpolitische Lage informiert war. »Die Italiener, wie sind sie so?« bohrte er nach und ich schüttelte still den Kopf. »Die Engländer?« fuhr er mit erhobener Stimme fort und sprang auf. Ich sah schweigend zu ihm auf. Als mir Paget erstmals von Onkel Kenneth erzählt hatte, stellte ich mir einen jungen Mann vor. Nicht diesen übergewichtigen, alten Mann.
»Die Franzosen?« schrie er und ich fuhr zurück. Er spuckte mich beim Reden unabsichtlich an und ich verkrallte meine Hände in meinem Kleid, um mir nicht über die Wange zu wischen.
»Ich bin hier, um mich Euch über Frieden zu sprechen, Onkel«
»Nein, Kind. Du bist hier, weil meine Männer deine Soldaten überwältigt haben. Es wird Zeit, dir das ins Gedächtnis zu rufen«
Ich sah alarmiert zu ihm auf. Hatte ich den Fehler gemacht ihn zu unterschätzen. Er winkte eine Wache heran. Um wenigstens ein bisschen Haltung zu waren, erhob ich mich. Trotzdem fühlte ich mich klein.
»Meine Nichte muss sich ausruhen und ihre Gedanken ordnen. Kontaktiert mich, sobald sie zur Vernunft gekommen ist«
Mein Onkel verzog seine Hände zu einem mitleidigen Lächeln, bevor er mir über die Wange strich. Sofort versteifte ich mich. Ob er mich auch Schlagen würde? »Ich werde nichts sagen« prophezeite ich und er hob seine Augenbrauen. Verstärkte den Druck seiner Hand und hielt meinen Kopf in Position.
»Oh, das haben schon um einiges willenstärkere Personen zu mir gesagt, die schlussendlich aber auch gesungen haben wir Vögelchen«
Wütend holte ich aus und schlug ihm ins Gesicht. Sein Griff löste sich von mir und ich stolperte zurück. Fiel hin und konnte mich gerade noch mit meinem Ellbogen abstützen. Mein Onkel sah schmutzig grinsend zu mir herunter und flüsterte der Wache etwas zu, die beflissen nickte.
Ich getraute mich nicht, mich zu bewegen. Mein Onkel ging vor mir in die Hocke und wartete, bis ich ihn ansah.
Dann spuckte er mir ins Gesicht.



Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt