Kapitel 17

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Ich schmiegte meine Wange an Pagets Schulter, worauf er fragend zu mir heruntersah. Schweigend schüttelte ich den Kopf. An die Wachen hinter mir hatte ich mich längst gewöhnt, aber an die Menschen, die immer zahlreicher in den Park strömen und uns begaffen noch nicht. Ich schloss die Augen und atmete tief durch, um die Blicke um uns herum abzustreifen. Paget gab mir einen Stups auf die Nase und ich wich lachend zurück.
Princesse Solei wandte sich strahlend zu mir und ich erwiderte den Ausdruck kurz. Paget wollte sich den Tag für uns Zeit nehmen. Die Kinder, er und ich. Es war unwirklich, dass sie zu mir gehören sollten. Obwohl sie im letzten Monat unglaublich gewachsen waren, fühlten sie sich immer noch zu zerbrechlich für meine Hände an. Solei dachte da anders. Sie hob Novel, der gerade maunzte aus dem Kinderwagen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Ich hätte Paget noch so ein kleines Wesen schenk müssen. Noch so ein kleines Wesen hätte ein Recht darauf gehabt, genauso geliebt zu werden. Aber ich habe es nicht geschafft, es zu schützen.
»Solei pendelte zwischen Nemours und unserem Anwesen hin und her. Ich weiß nicht, von welchen Männern sie sich mehr angezogen fühlt« flüsterte mir Pagets ins Ohr und ich schmunzelte in mich hinein. Der kleine Bruder von Grande Prince Nemours. Ich schüttelte über die Erinnerung den Kopf. Es war so offensichtlich, dass Princesse Solei ihn wollte. Warum reagierte er nicht darauf?
»Majestäten« Timophly kam von Pagets Seite und seinem ernsten Gesichtsausdruck nach wird es mir nicht gefallen, was er sagt. »Was ist geschehen?« fragte ich besorgt und spürte Pagets fragenden Blick auf mir. Konnte er nicht sehen, dass Timophly etwas bedrückte? »Der englische Gesandte bittet jetzt um eine Audienz, Majestät« er sah dabei ganz bewusst mich an, dass mich irritierte. Ich kannte diesen Mann nicht. Paget neben mir wurde unruhig und ich sah fragend zu ihm auf. Zu meiner eigenen Überraschung erwiderte er meinen Blick. Da lag eine gewisse Resignation in seinen Augen, die nichts Gutes bedeuten konnte.
»Was wird er mir erzählen?« fragte ich Paget, worauf er sofort wegsah. Also doch nicht so viel neu ergatterter Mut. »Majestät« drängte Timophly, worauf ich mich seufzend zu ihm umwandte. Der Mann schien kein angenehmer Zeitgenosse zu sein, wenn er selbst Timophly in Stress versetzen konnte. Ich hätte einige Tage Pause mehr vom höfischen Leben gerne angenommen, aber gut. »Ich lasse bitten« Timophly nickte knapp und trat mit einer Verbeugung aus meinem Sichtfeld. Pagets Schultern neben mir verkrampften sich. Ich sah nochmal flehentlich zu ihm auf. Er wusste, dass ich keinen Diplomat grundlos abweisen konnte. Aber es schien einen Grund für Paget zu geben, warum ich nicht mit ihm sprechen sollte. Ich hätte ihn gerne ganz fest geschüttelt und ihm klar gemacht, dass er es mir erzählen kann. So wie gestern Nacht, als er es nicht über sich brachte, mir zu gestehen, wer die fremde Frau in seinem Bett war.
»Majestät« begrüßte er mich. Innerlich über Paget schimpfend wandte ich mich von ihm ab. Ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben, als ich dem englischen Gesandten in die Augen sah. Automatisch streckte ich ihm die Hand entgegen. Das war einer von Englands begehrtesten und gutaussehendsten Junggesellen. Diese grünen Augen und das verwegene Lächeln hatten schon mehr Mädchen das Herz gebrochen, als Paget Mätressen hatte und das soll etwas bedeuten.
»Bitte verzeiht mein formloses Eindringen, aber ich muss darauf bestehen, dass Ihr Lady Asbury zur Vernehmung freigebt« drängte er und meine Augenbraun ruckten noch ein Stück höher. Die englische Lady Asbury? Meine Freundin aus Schottland? Mein Kopf ruckte kurz zu Paget herum, der aber immer noch an mir vorbei starrte. Hier ging eindeutig etwas von Statten, von dem ich nichts wissen sollte. Paget benahm sich wie ein Schuljunge, der beim Schummeln erwischt wurde. Lediglich war der Unterschied, dass es heute um internationale Angelegenheiten ging und nicht mehr ums Gedichte aufsagen.
»Wozu braucht Ihr Lady Asbury?« - »Eure Hofdame wird des Hochverrats an der englischen Krone aufgrund von Spionage verdächtigt« Nach einem tiefen Seufzer atmete ich aus. Ich sollte dringend nachforschen, welche Mätressen Paget noch in meinem Hofstaat versteckte. Gnade uns allen Gott, wenn Paget wirklich dieselbe Frau wollte, wie die englische Queen. »Ich werde zuerst selbst mit Lady Asbury sprechen« hielt ich dagegen, worauf mich beide Männer mit weitaufgerissenen Augen anstarrten. War ich in ein Fettnäpfchen getreten?
»Majestät wollen sich einem Haftbefehl der englischen Krone widersetzen?«
»Keinesfalls. Ich möchte mich nur selbst überzeugen, was dahinter steckt«
Seine Gesichtszüge verhärteten sich und das helle Grün seiner Augen wurde eine Nuance dünkler. Er war immer noch unverschämt attraktiv und ich bevorzugte es ihn anzustarren, als mich Paget zuzuwenden. Die Schuld, die ihm den Rücken krümmte, konnte nur bedeuten, dass Lady Asbury die Frau in seinem Bett war. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich mochte. Wobei, besser jemand den ich kannte und der diskret war, als eine zweite öffentlichkeitsliebende Bonnebelle. Ich hasste diese Gedanken. Auffordernd sah ich den Gesandten an. Er hatte mich heute bereits ausreichend gestört.
»Sie ist englische Staatsbürgerin. Wenn Ihr Euch weiter weigert, werden wir die Information an die Presse weitergeben!« - »Ihr wollte zugeben, dass Ihr es nicht schafft, eine Hofdame einzuvernehmen?« Der Spott in meiner Stimme war für eine Kooperation sicherlich nicht förderlich. Trotzdem beugte der Gesandte mit mahlenden Kiefern den Kopf.
Gut.
»Ich werde mit Lady Asbury sprechen und Euch anschließend zu Audienz bitten«***Ich drückte meine Lippen auf Graces Stirn und zog sie anschließend auf meinen Schoß. Ich biss mir auf die Zunge, um sie nicht sofort darüber auszuhorchen, mit wem sich Paget in den letzten Wochen getroffen hatte. Auch wenn es mir schwerfiel, wollte ich sie nicht zwischen die fronten Bringen.
»Lavinia« rief Paget und ich hörte einige Türen schlagen. Er suchte mich. Aber ich hatte es nicht eilig ihm zu sagen, wo ich war. »Habt Ihr Euch mit Papa gestritten?« fragte Grace und rutschte wortlos von meinem Schoß. Ihr vorwurfsvoller Blick störte mich, deshalb verschränkte ich demonstrativ die Hände und erhob mich ebenfalls. Mein Rücken ziepte. Ich würde gerne dieses Korsett loswerden.
»Da bist du ja« stellte Paget erleichtert fest und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. »Ich lasse Euch alleine« verabschiedete sich Grace und bevor ich etwas erwidern konnte, war sie aus der Tür.
Schlau.
»Das war mutig«
»Das könnte ich von dir auch behaupten. Ist Asbury deine Geliebte?«
Paget zog überrascht die Augenbrauen hinauf und schüttelte schnell den Kopf. Er überwand die wenigen Meter zwischen uns und legte mir die Hände auf die Schulter.
»Nein, sie ist Mathews Geliebte«

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Tut mir leid, dass letzten Sonntag nichts kam - das habe ich somit nachgeholt. Es sollte planmäßig kommenden Sonntag wieder weitergehen. 


Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt