Kapitel 18

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Paget und ich sahen sich einige Augenblicke schweigend an, bevor ich prustete und meine Hand gegen meine Stirn presste. Das durfte einfach nicht wahr sein! Es war schon eine schwierige Aufgabe in Sicht, wenn ich daran dachte Bonnebelles Kind großzuziehen, da wollte nicht noch zusätzlich Mathew Geliebte decken müssen. Paget sah mich besorgt an, worauf sich meine Züge wieder verhärteten.
»Wieso habe ich sie seit Schottland nicht mehr gesehen?«
»Mathew wollte nicht, dass du davon weißt«
»Trotzdem hat er sie in meinem Hofstaat gesteckt und du hast es befürwortet«
Paget zog mich zu meiner Überraschung in eine feste Umarmung. Diese Art unserem Gespräch auszuweichen, mochte ich viel lieber, als sein ständiges Schweigen. Seine Hände wanderten beruhigend über meinen Rücken. Das war Bestechung. Ich seufzte auf und stütze mein Kinn auf seiner Schulter ab. »Du bist so schön« flüsterte er mir ins Ohr. Ich lehnte mich ein Stückchen zurück und strich ihm über die Wange. So schön wie deine Geliebte?
»Ich bin gezeichnet«
»Ich auch«
»Bei Männern ist das etwas anderes«
»Es ist einfach nur seltener, dass Frauen Kriegsnarben haben - das bedeutet nicht, dass sie weniger ehrenhaft sind«
Meine Augen wurden groß und ich sah überrascht zu ihm auf. So sah er das? Ich hatte mich unglaublich für meinen entstellten Rücken geschämt. Aber ich habe ebenfalls gekämpft. Zwar habe ich verloren, aber ich habe alles gegeben. »Wir sollten zurück ins Schloss fahren« ich seufzte auf und strich Paget einige Haarsträhnen aus der Stirn. »Sicher, dass du dafür schon bereit bist?«


***

Maida ging zögerlich hinter mir her, während ich die verschiedenen Gänge des Schlosses durchstreifte. Mathew war vorerst noch in Besprechungen und ich konnte die Zeit gut gebrauchen mir zu überlegen, was ich überhaupt sagen wollte. Mit der Tür ins Haus zu fallen, war wahrscheinlich nicht die beste Idee. »Majestät, hier befinden sich die Arbeitsräume der Minister und Diplomaten - ich bin mir nicht sicher, ob es sich schickt, da durchzuspazieren« Ich wandte mich kopfschüttelnd zu ihr um und erstarrte in meiner Bewegung.
Hätte ich bloß einmal auf sie gehört. »Majestät« grüßte der englische Gesandte mit einer bereits beunruhigend neutralen Stimme. Sein Zorn schien unter der Oberfläche zu brodeln und das wird mir, befürchte ich, gefährlich werden. »Kann ich Majestät weiterhelfen?« fragte er höflich und ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich sehe mich lediglich ein bisschen um« - »Darf ich Euch begleiten? Ich habe mich bereits orientiert« Hilfesuchend sah ich zu Maida, die ihrerseits nur geschockt zum englischen Gesandten starrte. Er bot mir seinen Arm an, worauf ich mich widerwillig einhackte.
»Ich wollte Euch heute Morgen nicht brüskieren«
»Lady Asbury ist meine Freundin«
»Mag sein, aber Ihr habt sie bereits über ein halbes Jahr nicht gesehen«
Ich hielt einen Moment inne, wurde aber durch den Zug seiner Schritte weitergeschoben und stolperte fast über meine eigenen Beine. Er tat so, als hätte er sich nicht bemerkt, sah aber trotzdem besorgt zu mir herunter. Ich lächelte ihn schüchtern an. Dummes Mädchen! Ich wandte mich ab, spürte aber immer noch seinen forschenden Blick auf mir. Niemand hatte so recht vertrauen in meine körperliche Verfassung. Wenn ich ehrlich war, ich auch nicht.
»Ich kann mir vorstellen, dass es Euch alles Unwichtig erscheint, nachdem, dass Euch in Malheur widerfahren ist« wechselte er das Thema, worauf ich mich ihm wieder zuwandte. Darüber hatte ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Angestrengt zog ich die Augenbrauen zusammen. Nach allem das Geschehen war, wollte ich nur mehr Frieden. Und Schlaf. Und Paget. Aber alle drei Dinge werde so schnell nicht eintreten. Ich rang mir ein kleines Lächeln ab und trat anschließend einen Schritt zurück, damit ich ihm antworten konnte. Ich wollte nicht, dass er mich dabei berühren könnte, auch wenn ich wusste, dass er es nicht wagen würde. »Die Welt muss sich weiterdrehen« erwiderte ich, wandte mich von ihm ab und trat näher an den kleinen See heran, »Ich bin froh, dass es diese Kleinigkeiten noch immer gibt, ansonsten würde ich zu viel Zeit zum Nachdenken haben« Ich biss mir auf die Zunge, als ich merkte, wie intim diese Antwort war. Ich starrte auf das Wasser und hoffte, dass er noch ein zweites mal die Höflichkeit besaß über meinen Ausrutscher hinwegzusehen.
»Ihr seid eine außergewöhnliche Frau« flüsterte er, worauf ich auflachte. Außergewöhnlich gebrechlich vielleicht, aber ansonsten auch schon nichts. »Das aus Eurem Munde zu hören muss eine Ehre sein« scherzte ich, um die Angestrengtheit aus der Szene zu nehmen. Wenn er mich weiter schmeichelte, wird es mir schwerer fallen mich gegen ihn auf Lady Asburys Seite zu stellen.
»Gerade Ihr solltet wissen, dass man Gerede niemals für bare Münze nehmen darf. Oder stimmen in etwa die Gerüchte, dass der Erzherzog nicht nur eine schwangere Geliebte hat, sondern gleich eine Zweite in Kenneths Ministerrat?« fuhr er mich an, worauf ich mich abwandte und langsam Richtung Wasser nickte. Ich wusste nicht, ob er es sah und es war auch gleich. Paget hatte es trotz nächster Nähe zu Onkel Kenneths Beratern nicht geschafft, mich da früher herauszuholen. Ob er es gewusst hat? War sich Onkel Kenneth seiner Sache deshalb so sicher, weil er wusste, dass Paget den Informationen seiner Leute traute? Wütend ballte ich meine Hände zur Faust.
»Es tut mir so leid« hauchte er und legte eine Hand auf meine Schulter. Ich fuhr unter der Berührung zusammen, wehrte mich aber nicht. Seine Handfläche war warm und der Druck auf meiner Schulter ließ mich das hier und jetzt nicht vergessen.
»Ich wusste nicht, dass Ihr es nicht wusstest«
»Gut, dass Ihr es mir gesagt habt«
»Für mich nicht«
»Warum?«
»Jetzt könnt Ihr mich noch weniger leiden«
Ich lachte auf und wandte mich wieder zu ihm um. Aber die ersten Augen die mir begegneten waren nicht Haddocks, sondern Pagets. Er sah beleidigt zwischen uns hin und her. »Das ganzer Hofstaat sucht dich« - »Verzeih« Haddock zog seine Hand sofort zurück und ich drückte Paget vorsichtig einen Kuss auf die Wange. Er war stocksteif. »Ich begleite dich hinein« beschloss er, worauf ich Haddock nochmal zunickte und Paget wie ein getretenes Hündchen folgte. 


***


Ich wanderte unruhig in meinem Schlafzimmer auf und ab. Nemours hatte mich berichtet, dass sich Mathew mit Lady Asbury ins Familienanwesen zurückgezogen hatte und Paget war mir den restlichen Tag aus dem Weg gegangen. Ich erhielt keine Einladung zum Diner bei ihm und dafür war ich ganz dankbar. Mein Teil des Gartens lag im Schatten und ich suchte vergebens nach einem Funken Licht da draußen. Die Nacht war dunkel.
Ich fuhr herum, als Paget geräuschvoll die Tür ins Schloss fallen ließ. »Wie sieht die Ministerin aus?« kam ich ihm zuvor. Wenn er mir vorwerfen wollte, mich mit fremden Männern herumzutreiben, nur zu. Aber zuerst wollte ich wissen, wem er mir gegenüber erneut den Vorzug gegeben hatte. »Das faszinierendste an ihr sind wohl ihre roten Haare. Was zieht dich an Haddock so in den Bann?« erwiderte er und ich verzog meine Mundwinkel zu einem Schmunzeln. Zu meiner eigenen Überraschung erwiderte er die Geste und ging zögerlich auf ihn zu. Er kam mir entgegen und schlang die Arme um mich. »Vorsicht, mein Rücken« flüsterte ich, als er zudrückte, worauf er seine Hände sofort sinken ließ. Er hob mein Kinn an, worauf ich gezwungen war in loszulassen. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, um seine Lippen zu erreichen.
»Ich werde es nicht dulden, dass du mit anderen Männern alleine bist«
»Es tut mir leid«
Er sah mich einen Moment schweigend an, bevor er nickte, seine Hände um meinen Nacken legte und seine Lippen auf meine drückte. Ich brauchte einen Moment, bis ich ihm Einlass gewährte. Der Kuss schmeckte bitter.

Erzherzogin Lavinia - das Mädchen unter vielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt