"Ich liebe dich, bitte vergiss das nicht"

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Nachdem Sam und Dean sich von Bobby und Tamara verabschiedet hatten, setzten sie sich auch in den Impala, sodass wir endlich losfahren konnten. Sam war etwas verwirrt, als er bemerkte, dass ich mich nach Hinten gesetzt hatte, stellte aber zum Glück keine Fragen und nahm einfach auf dem Beifahrersitz Platz. Ich dankte ihm im Stillen dafür, weil ich jetzt wirklich keine Lust zum Reden hatte. Dean sah mich während der Fahrt ein paar Mal durch den Rückspiegel schuldig an, begann aber kein Gespräch. Es war die ganze Fahrt über vollkommen still. Man hätte die Anspannung, die sich im Wagen ausbreitete, praktisch mit den Händen greifen können. Ich war etwas erschöpft vom Kampf und dem Wortgefecht mit Dean, sodass mir langsam die Augen zufielen. Allerdings dauerte das Nickerchen nicht lange, da ich nach gefühlten 5 Minuten wachgerüttelt wurde. Als ich die Augen aufschlug und Dean vor mir sah, wendete ich den Blick sofort wieder ab. Ich bin immer noch sauer auf ihn. Das, was er letzte Nacht gesagt hatte, ging einfach zu weit. Er weiß, dass er mir damit unglaublich wehtut und dennoch hat er es gesagt. Als ich aus dem Impala ausstieg, bemerkte ich, dass es schon dunkel war. Wir sind wohl ziemlich lange unterwegs gewesen. Sam ist vermutlich die Schlüssel für das Motelzimmer holen gegangen, da er nicht da war, als ich ausstieg.

„Dean und ich wollen uns etwas zu Essen holen. Möchtest du mitkommen?", meinte Sam, als er mit dem Schlüssel zurückkam und ich meine Tasche aus dem Kofferraum holte.

„Ich würde gerne im Zimmer bleiben, wenn es euch Recht ist", erwiderte ich.

„Sollen wir dir was mitbringen?", fragte Dean und sah mich besorgt an.

„Nein, schon gut"

„Bist du dir sicher? Du hast heute kaum was gegessen", kam es wieder besorgt von Dean.

„Ja, ich habe keinen Hunger", meinte ich daraufhin wieder, woraufhin ich ein Nicken von ihm bekam. Sam sah traurig zwischen uns beiden hin und her und überreichte mir den Schlüssel für das Zimmer. Danach verabschiedete ich mich von den Beiden und lief auf das Zimmer mit der Nummer 105 zu. Als ich nach Hinten sah, waren sie schon weg. Nach den Ereignissen von letzter Nacht würde mir etwas Zeit für mich alleine wirklich gut tun. Schwerfällig öffnete ich die Tür und betrat das Zimmer. Ich legte meine Tasche auf dem Bett ab und suchte mir ein paar Sachen zum Schlafen aus. Das erste, was ich herauszog, war ein großes schwarzes T-Shirt von Dean, dass ich mir mal geklaut habe. Ich weiß noch wie lange er verzweifelt danach gesucht hatte, bis ihm nach gefühlten Hundert Jahren endlich auffiel, dass ich es trage. Als ich daran dachte, musste ich schmunzeln.

Wie sehr Dean mich auch mit seinen Worten verletzt hatte, es änderte Nichts an der Tatsache, dass ich ihn immer noch liebte. Ich vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt und ließ mich von seinem Duft einhüllen. Ich hasste es, wenn wir streiten. Aber diesmal kann ich ihm nicht so einfach verzeihen. Er hat mir ins Gesicht gelogen. Ich seufzte auf und lief mit Deans T-Shirt und meiner Unterwäsche in der Hand ins Badezimmer, um zu duschen.

Erschöpft kam ich aus dem Bad und lief auf mein Bett zu. Ich packte meine Tasche an den Henkeln, um sie vom Bett zu ziehen, griff sie jedoch nicht richtig, woraufhin sich der halbe Inhalt auf dem Boden verteilte. Genervt stöhnte ich auf und bückte mich um die Sachen aufzuheben. Dabei fiel mir ein altes, zerfleddertes, in Leder gebundenes Buch auf. Ich sammelte noch schnell die anderen Sachen ein und verstaute sie wieder in der Tasche, bevor ich mich dem Buch widmete. Ich kuschelte mich in das Bett und spielte mit dem Medaillon von meinem Dad, welches um das Buch gebunden war. Das hatte ich schon ganz vergessen. Ich wickelte die Kette vom Buch und legte sie auf den Nachttisch. Danach schlug ich die erste Seite auf und las meinen ersten Tagebucheintrag. Als ich bis zum letzten Eintrag kam, der wieder schmerzhafte Erinnerungen an das Schicksal meines Vaters aufweckte, nahm ich das Bild in die Hand, das zwischen den Seiten steckte. Es zeigte meine Mom und mich, bevor sie gestorben ist. Ich konnte mich an die Nacht kaum erinnern, nur an ihre Schreie und wie mein Vater zu mir sagte „Rennt weg". In dem Moment stockte ich aber, weil mir auffiel, dass er damals die Mehrzahl benutzte. Oder erinnere ich mich nicht richtig daran? Immerhin ist es schon so lange her. Es ist, als wäre der Großteil dieser Nacht aus meinem Gedächtnis gelöscht worden. Mein Dad meinte damals, dass ich mich nicht daran erinnern kann, weil Menschen die schlimmsten Ereignisse verdrängen, um sich selbst zu schützen. Aber warum konnte ich mich dann an jedes andere schlimme Ereignis aus meinem Leben haargenau erinnern? Ich drückte das Bild an meine Brust und flüsterte leise „Ich vermisse dich, Mom. Dich und Dad...". Ich vermisste es, wie sie damals jeden Abend an meinem Bett saß und mir eine Gutenacht-Geschichte erzählte. Ich vermisste ihr Lachen und das Glitzern in ihren Augen, als sie sagte „Ich liebe dich, mein kleiner Engel". Ich hoffte es geht ihr gut, wo auch immer sie jetzt ist. In solchen Momenten wünschte ich, dass es einen Himmel gibt und, dass sie und mein Dad wieder zusammen sind. Der Gedanke daran, dass die beiden Frieden gefunden haben könnten, beruhigte mich ein wenig. Ich legte das Bild behutsam wieder zurück und schlug die Nächste Seite auf, um nach langer Zeit wieder einen neuen Eintrag zu verfassen. Ich setzte den Kugelschreiber an und fing an zu schreiben.

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