Kapitel 3: Teil 16

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Anfang November 2017

„Hanna!", hörte ich jemand nach mir rufen.
„Hallo, Haeun."
Ich lächelte sie an, als sie sich neben mich setzte.
„Danke noch einmal, dass du mir am Freitag helfen willst."
„Tu ich doch gerne."
„Kannst du um 17 Uhr zu mir kommen? Ich schicke dir dann meine Adresse."
„Klar, das geht."
„Danke~.", meinte sie lächelnd.
Jeongin kam auch zu uns an den Tisch.
„Annyeong..."
Er fiel schon fast auf seinen Stuhl.
„Geht es dir gut?", fragte meine Freundin den Jungen.
Er nickte, „Bin nur müde... Sonst ist nichts."
„Jeongin ist die letzte Zeit immer so. Er trainiert zu viel und ist deshalb 24/7 müde."
„Oh, stimmt. Da war ja was. Aber Respekt, das du das durchziehst."
„Dir geht es doch bestimmt genau so. Du lernst doch auch immer so viel."
„Ja, stimmt schon. Aber ich mache ja nicht so viel Sport wie du."
„Stimmt auch wieder."
Ich sah mich im Raum um, als ich Areum sah, die bei einigen ihrer Freunde saß. Der Anblick tat mir irgendwie weh, ich vermisste sie die letzte Zeit immer mehr. Als sie ihren Blick auch in meine Richtung wendete, sahen wir uns in die Augen. Sie sah nicht so böse wie sonst immer aus, sondern auch etwas niedergeschlagen. Ich sah wieder weg. Trotzdem spürte ich immer noch ihre Blicke auf mir und sah immer wieder zu ihr rüber. Irgendwann wurde mir die Situation unangenehm, als ich mich bei Haeun und Jeongin abmeldete. Haeun folgte mir und Jeongin ging zu Areum, da die beiden auch befreundet waren. Keine Ahnung, was und ob sie ihm viel erzählte, aber manchmal versuchte Jeongin unseren Streit durch seine Hilfe zu schlichten, jedoch immer ohne Erfolg.

„Alles okay, Hanna?", fragte Haeun.
„Areum hat mich die ganze Zeit angeschaut, ich wollte das nicht."
„Warum redest du nicht mit ihr?"
„Weil sie das nicht will. Ich weiß, dass sie zu stur ist."
„Hast du es denn mal versucht?"
„Nein verdammt! Ich kenne sie!"
Ich ging auf die Toilette und atmete paarmal tief durch. Nachdem ich zurück in die Klasse ging, sah ich Haeun und Jeongin zusammen in Raum sitzen. Ich versteckte mich im Türrahmen und hörte ihnen zu.
„Immer wenn es um Areum geht, streitet sie alles ab und wechselt sofort das Thema oder rennt weg. Ist sie bei dir auch so?"
„Ja... Sie ist immer so drauf. Ich denke, sie leidet einfach darunter."
„Aber warum unternehmt sie denn nichts dagegen?"
„Ich kann sie ja auch nie überstimmen."
„Aber warum geht sie ihr denn so aus dem Weg? Ich verstehe das nicht."
„Ich glaube, dass hat viel mit ihrer Vergangenheit zu tun, warum sie so drauf ist."
„Wie meinst du das denn?"
„Also, es ist so. Ich denke, ich weiß was sie hat. Sie hat nicht mals irgendwie versucht mir ihre Probleme zu erzählen. Ihr Bruder meint, wie kenne uns zu lange, deshalb sagt sie mir nie etwas. Das kann durchaus sein, aber natürlich macht mich das auch tra-"
„Könnt ihr mal bitte aufhören, die ganze Zeit über mich zu reden? Das geht euch nichts an, was meine Probleme sind und was nicht!", meinte ich, als ich ihn unterbrach.
„Wir wollen dir doch nur helfen, Hanna.", sagte Jeongin.
„Keiner muss mir helfen!", rief ich, als ich aus dem Klassenraum ging.
Heute gingen sie mir echt alle auf die Nerven. Als wäre das nicht genug, musste ich später auch noch mit Felix lernen und hatte keine Lust, meine Laune an Jaemin rauszulassen. Warum musste immer alles so kompliziert sein?

Felix half mir gerade bei Chemie. Vorher haben wir zusammen Mathe gemacht. Er merkte scheinbar, dass ich heute etwas angespannt war und so neugierig wie er war sprach er mich natürlich darauf an.
„Du wirkst heute besonderst angespannt.", meinte er, als er mich ansah.
„Was soll den das heißen...", nuschelte ich vor mich hin.
„Naja, du bist nicht immer die Entspannteste~", er zwinkerte.
„Yah! Warum nervt ihr mich alle damit?"
„Vielleicht liegt es daran, dass es stimmt, wenn jeder dich darauf anspricht?"
„Warum sollte das stimmen??"
„Hast du dir den noch nie Gedanken darüber gemacht?"
Ich sagte nichts.
Er legte vorsichtig seine Hand auf meine Schulter, „Achte doch einfach mal mehr auf dich, Hanna. Dir fällt nie etwas auf, wenn man dich fragt. Wenn du mehr darauf achtest und es tatsächlich stimmt, dann kannst du was daran ändern!"
„Warum soll ich mich ändern?"
„Wenn du merkst, es gibt etwas, an dem du schleifen könntest, warm nicht? Außerdem müsstest du dann dir keine nervigen Gespräche mehr anhören. Du kannst niemanden ändern und glaub mir, wenn du dich änderst, tut das dein Umfeld automatisch auch, weil sie dann anders auf dich reagieren. Denk einfach mal darüber nach."
Der Typ ist schon ein Fall für sich. Wie konnte er sich so viel aus der Nase ziehen?
„Woher weißt du, das das stimmt?"
„Glaub mir einfach."
„Warum sollte ich?"
„Hab doch mal etwas vertrauen in mich, Hanna."
„Wie sollte ich denn bitte Sachen verändern, die nicht veränderbar sind?? Wie soll das denn gehen?!"
„Hast du es den jemals versucht?"
„Nein...", sagte ich leise.
„Warum nicht?"
„Das hat einen Grund...", beichtete ich, als ich weg sah.
„Hast du jemals jemandem davon erzählt?"
Ich sagte nichts.
„Du musst mir nichts sagen, wenn du mir nichts sagen willst. Aber ich denke, wenn du jemandem deine Sorgen anvertraust, dann geht es dir auch besser. Dann musst du nicht alles in dich reinfressen."
„Ich habe nie jemandem davon erzählt.", sprach ich nach wie vor leise.
„Du musst es auch nicht mir sagen. Du kannst es auch Chan oder so sagen. Ich werde niemandem erzählen, dass du einen Grund hast. Das behalte ich für mich."
Er war ja sowieso total aufdringlich. Er würde ja solange daran rumhacken, bis ich ihm etwas sagen würde.
„Ich habe.... Angst.", flüsterte ich.
„Vor was?"
Ich dachte nicht, dass er das gehört hat.
„Mit ihr zu reden."
„Mit Areum?"
Ich nickte.
„Warum?"
„Ich habe Angst, sie zu verlieren..."
„Wieso sagst du ihr das denn nicht?"
„Wenn ich mit ihr rede und sie mich dann noch mehr hasst, will sie gar nichts mehr von mir wissen. Wenigstens kann ich sie jetzt noch in der Schule sehen."
„Irgendwann ja nicht mehr."
„Ich weiß! Das macht mir doch Angst."
„Bist du deswegen immer so angespannt? Ich meine, vorher, als du noch gut mit ihr warst, warst du auch schon so."
„Nein... Ich habe nicht nur wegen ihr Angst."
„Generell?"
„Ja man. Bist du so schwer von Begriff...", nuschelte ich.
„Meinst du, du hast Bindungsangst?"
„Ich weiß es nicht... Ich möchte einfach niemanden verlieren..."
„Ich denke, dass du Bindungsangst hast. Aber ich glaube, du kannst deine Angst überwinden. Und ich möchte dir dabei helfen."
„Wie denn bitte?", fragte ich, als ich ihn ansah.
„Du musst einfach lernen, mir zu vertrauen! Ich weiß, dass du mich nicht so gerne hast. Und du kannst so deine Angst überwinden, indem du versuchst, mich zu mögen und mir zu vertrauen. Dann hast du bei mir deine Angst überwunden. Du musst dir nicht aufdringen, mich zu mögen und plötzlich wie Kaugummi an mir hängen, um so zu tun, als würdest du sie überwinden. Du musst dir einfach Zeit lassen und dann glaube ich, wirst du das hinbekommen."
„Warum unbedingt du?", flüsterte ich.
„Weil du dich überwinden musst."
Er zwinkerte, streckte mir seinen kleinen Finger hin und sah mich an.
„Na schön. Ich versuche es."
Ich harkte meinen kleinen Finger bei ihm ein und versiegelte das mit meinem Daumen auf seinem.
Er strahlte, „Super! Gemeinsam bekommen wir das hin!"
Ich fakte ein Lächeln.
Ich kam mir so vor, als wären wir ein Paar. Ich habe ihm von meiner Angst erzählt. Ich habe mit ihm ein Deal, dass er mir bei den Hausaufgaben und beim lernen hilft, ich aber im Gegenzug ihm koreanisch beibringe. Er ist quasi mein Tanzlehrer geworden und ich versuche jetzt mit ihm meine Angst zu überwinden. Ich mache weitaus mehr mit ihm, als ich jemals wollte.
„Ich hol noch etwas Wasser aus der Küche und gehe kurz aufs Klo."
Ich nickte, als er eine leere Flasche nahm und raus ging. Ich war kurz an meinem Handy, als es klingelte.
„Hanna, kannst du bitte aufmachen?", rief Felix aus der Küche.

„Ja.", meinte ich knapp. Ich merkte, dass ich eine T-Shirt anhatte, was etwas enger war und einen V-Ausschnitt hatte, also wollte ich mir schnell etwas überziehen. Um die Person draußen nicht noch länger warten zu lassen, zog ich schnell Felix Weste über, die er auf seinem Stuhl hängen hatte und zog sie etwas über meine Brust. Daraufhin ging ich an die Tür und öffnete diese.
„Annyeonghaseyho.", meinte eine mir zu vertraute Stimme.
„A-Areum...", meinte ich, als ich nervös wurde, „Was machst du denn hier...?"
„Ich wollte mit dir reden..."
Sie sah zu mir hoch, denn sie sah vorher noch nach unten.
„Okay..."
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich wieder ganz schnell, als sie mich wiederholt ansah, „Ist das dein Ernst?"
„Was meinst du?"
„Du weißt genau wovon ich spreche!"
„N-nein, sag es mir."
Sie zupfte an der Weste, die ich trug, „Ich weiß ganz genau, wem diese Weste gehört!"
Tränen bildeten sich in ihren Augen, „Du hast mich doch durchs Guckloch gesehen und deshalb provoziert! Als wäre das nicht genug, dass du ihn vor meinen Augen gefragt hast, ob er denn eine Freundin möchte... Jetzt ziehst du auch noch seine Sachen an..."
„N-nein, das verstehst du falsch! Es ist nicht so, wie du denkst!"
„Genau, Bang Hanna...."
Sie ruft nie irgend wen mit vollem Namen. Wenn sie das macht, meint sie es entweder nur, um aus Spaß ernst zu klingen oder wenn sie richtig sauer auf jemanden ist.
„Das war es beim letzten mal auch. Du kannst mir nichts mehr vormachen...."
Sie nahm eine Kette aus ihrer Tasche und schmiss sie auf den Boden, „Das kannst du behalten."
Sie sah mich mit einem durchdringlichen Blick an und ging.
„W-warte, Areum!"
Sie reagierte nicht und ging einfach weiter.
Ich spürte, wie Tränen mein Gesicht runter flossen und auf den Boden platschten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Meine beste Freundin hasste mich nun richtig. Und das nur wegen Felix...
Ich rutschte den Türrahmen unter und weinte einfach nur. Meine Beine zog ich an meinen Körper und umarmte sie.
„Hanna!", rief Felix, als er angelaufen kam und sich runter zu mir kniete.
„Geh weg von mir!! Ich möchte nichts von dir hören!"
„Hanna, sei bitte nicht sauer auf mich..."
„Du bist doch der einzige Grund, warum wir Streit haben!!"
„Es könnte auch jeder andere Junge gewesen sein! Kann ich was dafür, dass sie sich in mich verleibt hat? Außerdem hättet ihr ganz bestimmt wegen irgendeiner anderen Sache mal Stress miteinander bekommen! Schieb mir nicht die Schuld in die Schuhe."
Er versuchte mich zu umarmen, ich schlug aber immer seine Arme weg und versuchte ihn auch mit meinen Füßen von mir zu drängen.
„Jetzt halt doch mal still!"
Er konnte seine Arme um mich legen, während ich immer weiter versuchte, ihn von mir wegzudrängen. Irgendwann gab ich auf, als auch er seinen Griff lockerte.
Wir saßen beide auf dem Boden, mehr oder weniger im Dorm. Er umarmte mich eine Zeit lang und ich erwiderte es nicht. Irgendwann legte ich auch ganz leicht meine Arme um ihn und heulte einfach los. Mir war grade egal, dass es Felix war, ich wollte meinen Schmerz einfach nicht länger in mir tragen. Felix streichelte ganz vorsichtig meinen Rücken. Irgendwann ließ er mich auch wieder los und sah mich mitfühlend an. Ich wischte mir meine Tränen weg und stand auf. Wir gingen zusammen in den Dorm und er schloss die Tür. Danach gingen wir wieder in mein Zimmer.
„Hast du dich etwas beruhigt?", fragte Felix leise.
Ich nickte kurz.
„Gut, dann hören wir hier heute mal auf."
„Ok..."
„Ich geh dann rüber."
Er lief an die Tür, als ich ihn aufhielt.
„Warte mal..."
Ich stand auf und ging zu ihm.
„Hmm?"
„Willst du mich nicht fragen, warum ich deine Jacke habe?"
„Nein", sagte er entschlossen.
„Warum?"
„Na ja, du wirst sie ja aus einem Grund anhaben und mir zurück geben, wenn du sie nicht mehr brauchst."
Ich war geschockt über seine Reaktion, so hat noch nie jemand auf mich reagiert.
Ich zog die Weste aus und gab sie ihm, „Ich wusste nicht, wer an der Tür war und wollte mir dann was drüber ziehen... Deine Jacke war halt das erste, was ich grade gefunden habe. Mianhae."
„Siehst du, du hattest deine Gründe.", sagte er lächelnd, „Ist kein Problem."
Damit ging er aus dem Zimmer.
Er wirkte heute ganz anders auf mich als sonst. Ich weiß auch nicht, was los war.

Ich traf mich mit Jaemin. Wir waren draußen im Park. Ich versuchte mich bei ihm noch etwas weiter von der Situation auszuruhen. Natürlich erzählte ich ihm nichts davon, ich wollte einfach nur auf andere Gedanken kommen. Anfangs traute ich ihm nicht wirklich, jetzt hatte ich auch noch meine Zweifel. Aber da es Jaemin ist und ich ihn von NCT kannte, hat sich auch bald bestätigt, dass sein Charakter in Wirklichkeit dem vom Internet sehr ähnelt. Außerdem vertraute ich Haechan, dass er mir niemand böses vorstellt. Haechan kannte ich schon lange, da hatte ich noch keine Bindungsangst, wie Felix meint. Von daher vertraute ich ihm auch noch. Genau so ging es mir mit Haeun, Areum und Jeongin auch.
Wir redeten normal miteinander und als es Abend wurde, ging ich heim. Er begleitete mich noch bis zum Entertainment und dann ging ich in den Dorm zurück. Die Member von Stray Kids waren alle noch nicht da. Ich sah auch nicht nach, ob Lucas da war, sondern ging einfach ins Bett, weil der Tag einfach zu belastend war.

How I met your father [A Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt