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[Hinweis: Dieses Kapitel enthält zum Teil Inhalte, auf die manche Leser sensibel reagieren könnten]

Jeongguk PoV

Klitschnass stand ich im weitläufigen Flur unseres Anwesens und schüttelte mich wie ein nasser Hund; zu meinen Füßen hatte sich bereits eine kleine Lache gebildet.

Wasser rann mir über das eiskalte Gesicht, drang in meine Kleider und fiel schließlich in dicken Tropfen zu Boden. Warum hatte es auch unmittelbar, nachdem ich den Kleinen nachhause gebracht hatte, anfangen müssen zu regnen?

Scheinbar wollte selbst das Universum mich für meine Handlungen zur Rechenschaft ziehen.

Sofort schossen mir die Bilder des heutigen Tages erneut durch den Kopf; Taes silberner verwuschelter Haarschopf, seine vollen Lippen, der kleine Leberfleck rechts auf seiner Nasenspitze, der sich so süß verzog, wenn er die Nase rümpfte und nicht zuletzt seine großen, kaffeebraunen Augen, in denen ich mich jedes Mal, wenn ich in sie blickte, zu vergessen schien.

Schlagartig verdüsterte sich meine Miene, als sich der bekannte Druck auf meiner Brust bemerkbar machte. Ich durfte ...nicht nachgeben!

Um mich abzulenken, schritt ich schnellen Schrittes in unsere geräumige Küche. Die Arbeitsfläche bestand aus Marmor, die Schränke waren aus hellem Holz, generell wirkte alles an diesem Haus einladend – oder besser gesagt: Es sollte einladend wirken.

Ich als stetiger Bewohner dieses Anwesens hingegen konnte unsere Einrichtung mit nicht mehr als einem Wort beschreiben: steril.

Unwirsch griff ich nach einem Gummiband aus einer der unzähligen Schubladen und streifte es mir mit einer flinken Bewegung übers Handgelenk.

Einfach nicht dran denken!, versuchte ich die Stimme, die leise flüsternd dabei war, mein Unterbewusstsein zu übernehmen, zum Schweigen zu bringen, was jedoch nicht unbedingt von Erfolg gekürt war.

Mit einer gezielten Bewegung spannte ich das Band und ließ es zurückschnellen, sodass es schmerzhaft auf meine vernarbten Handgelenke traf. Ein roter Striemen entwickelte sich an der betroffenen Stelle.

Doch es half nicht.

Das Flüstern schwoll immer mehr zu einem regelrechten Stimmenwirrwarr an, Einzelne davon schienen sich herauszukristallisieren; bedrohlich, als würden sie bereits hinter meinem Rücken lauern und mir ins Ohr flüstern, nahm ich ihre Diktionen wahr: ›Du bist ein Verräter‹‚ ›Du verdienst es nicht zu leben‹‚ ›Du bist unehrenhaft‹, ›du bist schmutzig‹‚ ›Du bist unrein‹, ›du gehörst bestraft‹.

Verzweifelt ließ ich das Gummiband multiple Male auf die verblassten Brandnarben schnellen, jedoch weiterhin ohne Erfolg.

Die Stimmen flüsterten und wisperten, zischten und raunten, hauchten und säuselten und ehe ich auch nur bewusst einen Schritt getan hatte, stand ich mit der brennenden Zigarette an meinem geöffneten Zimmerfenster und presste den glühenden Glimmstängel fest auf meine blasse, im Mondschein fast durchscheinende, Haut.

Schmerzerfüllt zischte ich auf, unfähig die Hand, die die Zigarette umfasst hielt, wegzuziehen. Der Geruch von verbranntem Fleisch drang an meine Nase und es bildeten sich kalte Schweißperlen auf meiner Stirn, während sich die immer gleichen Bilder wie eine Diashow vor meinem inneren Auge abspielten, die den primären Schmerz der Verbrennung beinahe gänzlich aus meinem Bewusstsein schoben.

Flackernde Kerzen, grässliche, schemenhafte Schattengestalten, die einen immerwährenden Tanz auf den sich mir nähernden Backsteinwänden vollführten, die Schatten, die sich hoben und senkten, die Wände, die mich allmählich zu zerquetschen schienen und sich im Endeffekt doch keinen Millimeter bewegt hatten.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt