~ 7.2 ~

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[Hinweis: Dieses Kapitel enthält zum Teil Inhalte, auf die manche Leser sensibel reagieren könnten]

Ihre glänzenden, schwarzen Lackschuhe spiegelten sich in dem penibel gebohnerten Marmorfußboden unseres Wohnzimmer wider, als meine Erzeugerin gerade dabei war, ihre gewohnte Checkliste durchzugehen.

Fast einen Monat waren sie dieses Mal ferngeblieben. Nordeuropa, hatten sie mir gesagt. Dort sollte bald ein neuer Firmensitz eröffnet werden.

Mit einer abgehackten Bewegung rückte sie die schmale Brille auf ihrem Nasenrücken zurecht, bevor sie mich kalt anfunkelte.

Früher war sie anders gewesen.

»Keine weiteren Vorfälle?«

»Nein«, erwiderte ich mit fester Stimme, den Rücken durchgestreckt.

Sie begann süffisant zu lächeln. »Warum nur glaube ich dir das nicht?« Mit einer gezielten Bewegung packte sie mein Handgelenk und bohrte ihren spitzen Fingernagel tief in die noch nicht komplett verheilte Zigarettenwunde.

Meine Augen weiteten sich, doch ich verzog keine Miene. Frisches Blut quoll aus der Verletzung hervor.

Fieberhaft suchte ich nach einer Erklärung. Sie durfte es nicht merken. Sie durften es nicht wissen.

»Ich habe mich vor einigen Tagen mit einer Kommilitonin in einem Café getroffen«, erzählte ich ruhig.

Wütend begann meine Mutter zu zischen: »Wer hat dir den Auftrag dazu gegeben?«

»Niemand. Ich wollte sie lediglich besser kennenlernen«, gab ich zurück. Bitte lass es funktionieren!

»Du hast niemanden kennenzulernen. Jeder, den du kennen musst, wird dir von uns vorgestellt. Du bist nicht mehr wert als der Dreck unter deinen Fingernägeln.«

Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, während sie ihren Finger immer tiefer in mein Fleisch bohrte.

»Ich weiß. Es war falsch. Bitte vergebt mir.« Demütig senkte ich den Kopf. Nur noch ein kleines bisschen.

„Dir vergeben?" Mit einer ausladenden Bewegung hob sie ihren Arm, ich bereitete mich innerlich schon auf das folgende Brennen auf meiner Wange vor, da hallten schwere Schritte durch den Raum und mein Herz rutschte mir in die Hose.

Bitte nicht.

„Na na. Du weißt doch, was ich von solch offensichtlichen Verletzungen halte." Die tiefe Stimme meines Vater erfüllte das Zimmer, den Arm meiner Mutter hielt er mit seiner großen Pranke fest umklammert.

Meine Mutter lief rot an vor Zorn, riss sich los und verließ aufgebracht das Wohnzimmer.

Ich musste den in mir aufsteigenden Fluchtreflex unterdrücken.

Vor meiner Mutter war es ein Leichtes, das Austricksen ihres Bestrafungssystems zu verbergen, aber vor ihm. Ich schaute angestrengt zu Boden.

„Mit einem Mädchen hast du dich also getroffen?" Seine Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

„Ja, Sir." Unwillkürlich begann ich zu zittern.
Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Obwohl ich einige Programmierungen bereits ausgehebelt hatte, so konnte ich doch gegen vereinzelte kleine Trigger nichts ausrichten.

„Nicht so förmlich, wenn ich bitten darf. Und das ist auch wirklich die ganze Wahrheit?"

Verdammt. Panisch bemerkte ich, wie einige Zahnräder in meiner Psyche sich in Bewegung setzten und zu rattern begannen.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt