„Komm, ich möchte dir noch etwas zeigen.", flüsterte er dann geheimnisvoll.
Flink schnappte er sich, nach einer kurzen Rückversicherung bei Sung, den Soju und unsere beiden Gläser und zog mich, wie schon so oft heute, hinter sich her.
Überrumpelt stand ich auf und stolperte fast, als er mit schnellen Schritten das Lokal durchquerte und schließlich vor einem kleinen Fenster zum Stehen kam, dessen weißer Holzrahmen definitiv schon bessere Tage gesehen hatte.
Mit einem Ruck schob er die Scheibe nach oben und ein kühler Windhauch wehte uns entgegen und fuhr Jeongguk einmal durch sein glänzendes Haar.
Elegant kletterte er aus der Öffnung heraus, während ich ihm nur geschockt dabei zusah.
„Bist du übergeschnappt, was machst du da?", zischte ich panisch und sah mich nervös im Raum um, ehe ich versuchte, den Jüngeren wieder hereinzuziehen.
„Tae, das können wir auch später machen, erstmal will ich dir jetzt was zeigen.", rief er spöttisch.
Augenblicklich entfernte ich meine Hände von seiner Hüfte, ehe er komplett durch den Rahmen schlüpfte. Unsicher stand ich nun alleine in dem stickigen Raum.
„Komm schon.", rief Jeongguk von draußen.
Also schluckte ich meine Bedenken herunter und kletterte ihm blind hinterher.
Hoffentlich wird dir deine sträfliche Naivität nicht noch irgendwann mal zum Verhängnis, schalt ich mich.
Unbeholfen quetschte ich mich nun, wahrscheinlich unter den belustigten Blicken sämtlicher Gäste im Inneren, durch den schmalen Spalt, der durch das Öffnen des Fensters entstanden war. Die kalte Nachtluft schlug mir entgegen wie eine massive Wand.
Ächzend zog ich schlussendlich mein anderes Bein durch die Fensteröffnung, ehe ich den Halt verlor und Jeongguk mich sogleich fest am Arm packte.
„Immer mit der Ruhe.", hauchte er nur grinsend, während ich mit großen Augen zu ihm heraufsah.
Einen Moment lang erwiderte der Jüngere unseren Blickkontakt, bevor er von mir abließ und sich mit einer ausladenden Handbewegung dem sich uns bietenden Ausblick zuwandte.
Skeptisch galt meine Aufmerksamkeit jedoch zunächst dem sich unter uns befindlichen Untergrund.
Wir standen auf einem metallenen Vorsprung, von gleicher Beschaffenheit wie die Stufen, die uns überhaupt hier heraufgebracht hatten, hingegen mit dem Unterschied, dass diese Plattform kein Geländer besaß.
Im Prinzip sah es aus wie ein halb abgeschnittener Balkon, welches meinen Bedenken, gerade in Bezug auf die Statik dieses Konstruktes, nochmal drastisch in die Höhe schnellen ließ.
Automatisch entfernte ich mich einige Schritte vom Abgrund und drückte mich ängstlich an die bröckelnde Hauswand, als hätte ich die Befürchtung, dass mein Körper, allein bei dem Gedanken an die Höhe und die Möglichkeit hier herunterzuspringen, dieses Vorhaben ohne meine weitere Zustimmung direkt in die Tat umsetzen versuchen zu würde.
„Tae, sieh doch.", lenkte der Schwarzhaarige meine Aufmerksamkeit jedoch sofort auf sich, als er meine Furcht bemerkte „Von hier aus können wir über ganz Hongdae hinwegsehen.", murmelte er mit einem Funkeln in den Augen und ergriff behutsam meine Hand.
Und tatsächlich: Zögerlich hob ich den Blick, doch der Ausblick, der sich mir daraufhin bot, verschlug mir unmittelbar den Atem; das Lichtermeer, durch das wir vor wenigen Stunden noch gewandert waren, erstreckte sich grell und blinkend zu unseren Füßen.
Die satten, leuchtenden Neontöne wirkten von hier aus betrachtet weicher und gefälliger; sanft verwaschen waren die knalligen Leuchtreklamen der unzähligen Bars und Läden mit dem warmen Lichtschein, der aus den vielen Wohnblöcken strahlte.
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DAS LACHEN DER TRAUERWEIDE
Fanfikce𝗼𝗻𝗴𝗼𝗶𝗻𝗴 ❝In der Ferne war er bereits zu hören. Der galoppierende Herzschlag der alten Dampflok, welcher sich unweigerlich näherte. Die Miene des Jungen versteinerte, behutsam bettete er seine Wange unmittelbar auf dem kühlen Stahl, die Schien...