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Taehyung PoV

»Und es ist wirklich in Ordnung für dich, wenn ich dich jetzt alleine lasse?« Unschlüssig sah mich die kleine Schwarzhaarige an, während sie die Augenbrauen hochgezogen hatte und sich nervös die Unterlippe kaputt biss.

Ich grinste »Natürlich, Yeji. In Seoul habe ich einen Laden geschmissen, der war viermal so groß wie der hier«, entgegnete ich, den Stolz, der in meiner Stimme mitschwang, nicht unterdrückend.

»Typisch, Angeber«, erwiderte Yeji nur knapp, bevor sie sich dann endgültig ihren dicken, braunen Wintermantel überstreifte. »Wenn irgendwas ist, rufst du mich sofort an, verstanden?«

»Jaja, und jetzt geh schon zu deinem Date«, gab ich lachend zurück und wackelte übertrieben mit meinen Augenbrauen.

Erneut verdrehte sie genervt die Augen, begab sich dann aber Richtung Tür. Eine kühle Brise huschte durch das kleine Café, als sie die schwere Holztür aufzog und hinter sich zufallen ließ.

Der Sommer war mittlerweile endgültig vorbei, die Tage wurden kürzer, die Blätter an den Bäumen und Sträuchern begannen sich in verschiedenen Braunnuancen zu färben; der Herbst stand bereits an der Türschwelle. Verträumt blickte ich durch die gläserne Front nach draußen und betrachtete, wie der Wind mit dem ersten gefallenen Laub auf dem Bürgersteig spielte.

Insgeheim war ich froh, heute alleine im Café zu sein. Meist war hier nicht für mehr als eine Person Arbeit und trotzdem hatte ich in den vier Wochen, die ich hier bereits angestellt war, noch keine einzige Einzelschicht übernehmen dürfen.

Und dabei war ich, ganz bescheiden gesagt, nach der kurzen Zeit schon mit eine der besten Kräfte, im Hinblick darauf, dass meine restlichen Kollegen alle noch jüngere Schüler waren, die ihr Taschengeld aufbessern wollten und ich für meinen Teil schon in um einiges größeren Etablissements erfolgreich gearbeitet hatte.

Darüber hinaus war gerade Yeji mehr eine Belastung als eine Hilfe für mich. Ständig brachte sie Bestellungen durcheinander - was mich bei den wenigen Gästen wirklich manchmal an ihren geistigen Kapazitäten zweifeln ließ - schmiss Sachen kaputt und am schlimmsten von allem kaute sie mir während unserer Schicht immer ein halbes Ohr ab und jammerte mich mit ihrem Privatleben voll.   

Ich ließ mich zurück an die Theke sinken, die ich kurz zuvor mit einem nassen Lappen poliert hatte. Heute konnte ich mich also auf eine ruhige Schicht freuen, bevor ich dann später noch zu meinem neuen hagwon ging.

Die letzten Wochen waren anstrengend, aber ereignislos gewesen und obwohl ich noch durchgängig jede Nacht von Jeongguk träumte - nähere Details seien an dieser Stelle mal ausgeblendet - schaffte ich es übertag doch, mich gut abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen. Nicht zuletzt wegen Jimin, er war tatsächlich gar nicht so übel, wie ich anfangs angenommen hatte und auch Hobi taute langsam auf.

Ich fuhr mir mit der Hand unwirsch durch meine silbergefärbten Haare. Auch wenn Jimin mir trotzdem ständig auf die Nerven mit diesem ganzen Jeongguk-Thema ging; im Nachhinein glaubte ich mit meinen Erzählungen ihm gegenüber am Anfang doch etwas zu dick aufgetragen zu haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte ich mich in die ganze Geschichte einfach zu sehr reingesteigert und die Realität etwas aus den Augen verloren, aber mittlerweile sah ich wieder klar und konnte diesen Idioten nur zu gut aus meinen Gedanken verdrängen und mich auf die wirklich wichtigen Dinge, meinen Abschluss und den anstehenden suneung, konzentrieren.

Die Tür des Cafés wurde aufgeschwungen und zusammen mit einem eisig kalten Windhauch betraten meine zuvor geäußerten Lügen den Raum und verpassten mir eine ordentliche Backpfeife.

Im Türrahmen stand, wie könnte es anders sein, Jeon Jeongguk in voller Pracht, sein langer, dunkler Mantel umspielte seine hochgewachsene Gestalt, während er sich mit der Hand durch die, vom Wind zerzausten, Haare fuhr. Wie gerne hätte ich von dem Anblick gerade ein Foto geschossen.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt