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Taehyung PoV

Der restliche Abend war an mir vorbeigezogen, wie in einem dieser alten schwarz-weiß Streifen: Hektische Bewegungen, kaum wahrnehmbare Geräusche, die es schafften, sich herauszukristallisieren und noch wenigere, klar erkennbare Bilder in meinem Kopf; es fühlte sich an, als sei die letzte Nacht ein riesiger, verschwommener Fleck in meinem Gedächtnis, als hätte jemand heißen Kaffee über die Aufzeichnungen meines Gehirns der vergangenen Ereignisse geschüttet, durchweicht und zerlaufen fühlten sich die einzelnen Fetzen, die nach und nach am nächsten Morgen meine Erinnerungen fluteten, an.

Jeongguks Hände an meiner Hüfte, die mich sanft im Takt unserer eigenen Musik wiegten, sein Duft, der mich umspielte, als wir erneut durch die verwinkelten Gassen, des scheinbar niemals schlafenden Studentenviertels stromerten, ausgelassenes Lachen, was unser beider Kehlen verließ, als wir Hand in Hand an den kleinen Buden und Lädchen vorbeischlenderten, unzählige zarte Berührungen, die elektrisierende Stöße durch meinen Körper schickten, seine Augen, die mich beinahe lustvoll fixierten, als wir schließlich endlich wieder in seinem Hotelzimmer angelangt waren und alles danach; ein riesiger, unregelmäßig verwaschener Kaffeefleck.

Tief aufseufzend lehnte ich erschöpft den Kopf an das beschlagene Fensterglas des unaufhörlich ruckelnden Zugs, in dem ich gerade meinen schmerzenden Körper in das tiefrote Polster kuschelte.

Am liebsten hätte ich meine Stirn frontal an das kühle Glas gepresst, nur um meinem hämmernden, glühenden Haupt zumindest geringe Linderung zu verschaffen.

Je mehr ich versuchte, mich an die vergangenen Ereignisse zu erinnern, desto weniger schien ich sie tatsächlich erhaschen zu können.

Bei jedem weiteren Rütteln, das unregelmäßig durch die eiserne Lok fuhr, verkniff ich mir ein schmerzhaftes Aufstöhnen.

Die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages schienen zaghaft durch das kleine Fenster in den Innenraum meines Abteils und erzeugten wirbelnde Lichtspiele in der klaren Flüssigkeit meiner bereits halbleeren Wasserflasche, dessen Inhalt im Takt des leisen, aber stetigen Ratterns auf den abgewetzten Stahlschienen, sanfte Wellen schlug.

Allein der Anblick der reflektierenden Oberfläche führte dazu, dass sich meine Augen rasch zu kleinen Schlitzen verengten und ich mir die große Kapuze des schier überdimensionalen Kapuzenpullis, den ich trug, noch weiter ins Gesicht zog.

Wehmütig sog ich den Duft des mir bei weitem zu großen Kleidungsstückes, in dem meine verkaterten Gliedmaßen zurzeit steckten, ein.

„Nimm schon!", hatte der Jüngere mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen schmunzelnd erwidert, ehe er mir den grauen Hoodie vor wenigen Stunden in seinem Hotelzimmer zugeworfen hatte „Es ist noch frisch zu dieser Uhrzeit."

Mein Gehirn hatte Jeongguks Stimme klar und deutlich vernommen, jedoch war es zu diesem Zeitpunkt voll und ganz damit beschäftigt gewesen, den Anblick, der sich mir just in dem Moment geboten hatte, zu verarbeiten, zu speichern und ihn gleichzeitig nicht mit offenem Mund, lediglich eine Boxershorts am Leib tragend, aus den zerwühlten Laken seines großen Hotelbettes heraus, anzustarren.

Der Schwarzhaarige hatte in der Mitte des Raumes gestanden, die hereindringenden Sonnenstrahlen hatten seine durchscheinende Haut in einen zarten Karamellton getaucht, andächtig war mein Blick über seine ausgeprägte Brustmuskulatur herunter zu seinen hervorstehenden Hüftknochen bis hin zu seiner schwarzen, engen Boxershorts gefahren.

Ein amüsiertes, kehliges Lachen hatte mich schmerzhaft zurück in die Realität befördert „Tae?" Die kratzige Morgenstimme des Jüngeren war derart tief gewesen, dass sie mir einen Schauer durch den gesamten Körper gejagt hatte.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt