Die Anzahl der künstlichen Lichter ließ mit jedem weiteren Schritt, den wir taten, nach, bis uns schließlich nur noch das über uns befindliche Sternenzelt sanfte Beleuchtung spendete.
An einer lichten Stelle des Gehölzes verlangsamte ich schlussendlich meinen Schritt.
Mit leuchtenden Augen wandte ich mich Jeongguk zu.
Ich wusste nicht, warum ich ihn ausgerechnet jetzt hergeführt hatte.
Generell war mein Kopf dafür, dass sich die Ereignisse bis vor wenigen Stunden noch nur so überschlagen hatten, erstaunlich leer.
Vielleicht lag es an der Anwesenheit oder viel mehr an der körperlichen Nähe zu dem Jüngeren.
Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, wie wir beiden gerade zueinander standen, ob er mit mir nun was zu tun haben wollte oder nicht, aber nach seinem Gefühlsausbruch hatte ich das dringende Bedürfnis, ihm irgendwie etwas zurückzugeben.
Und hier standen wir nun: der Ort, an den ich mich immer verzog, wenn mir alles zu viel wurde.
Vielleicht würde er ja bei ihm ebenfalls Wirkung zeigen.
Vorsichtig legte ich meine Hände auf seine Schultern und drückte ihn sanft hinunter auf die morsche, hölzerne Bank vor uns.
Eigenhändig hatte ich sie damals in dieses winzige Waldstück geschleppt, weil es mir irgendwann zu bunt geworden war, ständig auf dem kalten, meist nassen Waldboden zu hocken, wenn es mich hierher verschlug und ich den Sternenhimmel betrachten wollte.
Immer noch erwiderte Jeongguk lediglich, keinen Ton von sich gebend, meinen Blick, seine Miene war unergründlich.
Ich setzte mich dicht neben ihn, mein Hemd fröstelnd etwas enger um mich schlingend.
Da löste sich der Schwarzhaarige plötzlich aus seiner Schockstarre.
Mit mechanischen Bewegungen entledigte er sich seines Mantels und warf ihn mir, ehe ich überhaupt die Möglichkeit hatte zu protestieren, über die Schultern.
Vereinzelt wirbelnde Schneeflocken verfingen sich in seinen dunklen, glänzenden Haaren, als er schließlich den Kopf schief legte und mir ein mattes Lächeln schenkte. »Ich habe es bereits angedroht, diese hier wirst du wohl jetzt ebenfalls behalten müssen.«
Wie konnte er sich nur nach einem derartigen Zusammenbruch immer noch mehr um mich, als um sich selbst sorgen?
Stumm erwiderte ich seinen Blick und wusste nicht so recht, was ich erwidern sollte.
Zu viele Fragen schwirrten in meinem Kopf, aber ich war nicht in der Lage, auch nur eine davon in Worte zu fassen.
Ich sah, wie Jeongguks Blick langsam über mich glitt, woraufhin mir wie aufs Stichwort die altbekannte Röte ins Gesicht schoss.
»Ich habe dich so schrecklich vermisst«, murmelte der Jüngere, wohl mehr zu sich selbst als zu mir, doch trotzdem war ich auf die Reaktion, die diese Worte aus seinem Mund in mir auslösten, nicht gefasst gewesen.
Wie schaffte ein einziger Mensch es, dermaßen widersprüchliche Signale senden?
Anstatt zu antworten, verschränkte ich abermals unsere Finger miteinander, woraufhin kurz darauf bereits feine, elektrische Schläge durch meine Handfläche fuhren.
Ob das jemals aufhören würde, wenn ich den Jüngeren berührte?
»Ggukie, was ist nur los?«, setzte ich vorsichtig an. »Bitte, du kannst mir alles sagen, nur stoß mich nicht mehr von dir weg. Nicht schon wieder.« Als wäre das möglich, rückte ich noch näher an ihn heran.
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DAS LACHEN DER TRAUERWEIDE
Fanfiction𝗼𝗻𝗴𝗼𝗶𝗻𝗴 ❝In der Ferne war er bereits zu hören. Der galoppierende Herzschlag der alten Dampflok, welcher sich unweigerlich näherte. Die Miene des Jungen versteinerte, behutsam bettete er seine Wange unmittelbar auf dem kühlen Stahl, die Schien...