Frustriert raufte ich mir die Haare und blickte auf den Zettel, der vor mir lag, als erneut das nervtötende Geräusch der Bohrmaschine durch die gesamte Wohnung hallte. So kann ich mich beim besten Willen nicht konzentrieren.
Schon seit Stunden waren meine Eltern damit beschäftigt, die Wohnung nach ihren Wünschen zu gestalten und das hieß für die Beiden wohl, sie zunächst in Schutt und Asche zu legen – zumindest nachdem, was ich hier mitbekam. Natürlich machte ich ihnen keinen Vorwurf, immerhin sollten sie sich hier genauso wohlfühlen, aber bei dem Krach konnte ich das Lernen für heute erstmal vergessen. Ich seufzte.
Kurzentschlossen schnappte ich mir meine Jacke und Kamera und verließ das Zimmer. Ein amüsanter Anblick bot sich mir im Wohnzimmer, als mein Vater meine Mutter hochhob, um scheinbar die Glühbirne der Deckenlampe auszutauschen. Ich räusperte mich und mein Vater erschrak, sodass er sie beinahe fallengelassen hätte. Im letzten Moment umfasste er ihre Hüfte und drückte sie an sich. Sie kicherte nur verlegen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
»Jetzt erschreck mich doch nicht so!«, meckerte sie jedoch kurz darauf und kniff meinem Vater neckisch in die Nase.
»Das wirst du noch bereuen«, gab er spielerisch zurück und klemmte sie sich unter den Arm, während sie sich mit Händen und Füßen wehrte und anfing zu lachen.
Das darf doch nicht wahr sein. Ich schüttelte den Kopf und setzte unbeirrt meinen Satz fort: »Ich werde mir ein bisschen die Stadt anschauen gehen.« Abwesend strich ich meine abgetragene Lederjacke glatt. »Vielleicht kann ich auch schonmal die Augen nach einem neuen Nebenjob offenhalten.«, meinte ich knapp.
Meine Eltern benahmen sich oft wie verliebte Teenager und obwohl es mich freute, dass sie sich nach all den Jahren noch so gut verstanden, war es doch manchmal einfach nur anstrengend für mich.
Wie erwartet unterbrachen sie ihr Tun nicht, sondern mein Vater drehte sich nur noch einmal lachend zu mir um und erwiderte: »Fein, aber bleib nicht zu lange weg und nimm dein Handy mit, falls irgendwas ist, ich«, grinsend warf er mir einen letzten Blick zu, »werde deiner Mutter jetzt erstmal wieder etwas Respekt einflößen«, knurrte er dann noch kehlig hinterher, bevor er sie über die Schulter warf und mit ihr in Richtung Couch stapfte.
Oh man ich muss hier raus, war mein einziger Gedanke und schnellen Schrittes verließ ich die Wohnung, zog die Haustür hinter mir zu und atmete einmal tief die warme Sommerluft ein.
Behände warf ich mir die Jacke, welche ich strenggenommen bei den Temperaturen noch gar nicht gebraucht hätte, über die Schultern und marschierte los. Schnell fand ich mich im Inneren des Dorfes wieder. Ich schlenderte den Gehweg entlang und ließ meinen Blick ziellos umherschweifen.
In Seoul hatte ich zuletzt als Bedienung in einem kleinen Restaurant gearbeitet und ich hoffte, hier etwas Ähnliches finden können. Die Arbeit war nicht sonderlich hart und durch mein zugegebenermaßen relativ gutes Aussehen bekam ich auch immer ordentlich Trinkgeld, wenn ich die Frauen nett anlächelte und etwas flirtete, auch wenn ich darauf nicht unbedingt viel Lust hatte.
Generell hatte ich noch nie wirklich Interesse an Mädchen gehegt, abgesehen vielleicht von meiner Freundin Mina, aber wie das weitergehen sollte mit einer Fernbeziehung, stand auch noch in den Sternen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich der Beziehung mit ihr auch nur zugestimmt, weil ich bereits neunzehn war und meine Eltern mich endlich nicht mehr hatten nerven sollen mit der ganzen Datingkiste.
Wenigstens konnte Mina mich jetzt nicht mehr mit ihrem ganzen Pärchenzeugs nerven, da uns nun mehrere Autostunden trennten. Sie war ja ganz nett, aber für dieses ständige Kuscheln und Händchenhalten war ich einfach nicht so der Typ, vom Sex mal ganz zu schweigen. Weiß der Geier, warum die ganze Filmindustrie und sämtliche Medien diese Themen immer wieder so aufbauschen, wirklich Gefallen habe ich persönlich nie dran finden können.
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DAS LACHEN DER TRAUERWEIDE
Fanfic𝗼𝗻𝗴𝗼𝗶𝗻𝗴 ❝In der Ferne war er bereits zu hören. Der galoppierende Herzschlag der alten Dampflok, welcher sich unweigerlich näherte. Die Miene des Jungen versteinerte, behutsam bettete er seine Wange unmittelbar auf dem kühlen Stahl, die Schien...