Sanft fuhr ein schwacher Windhauch über meine Wange, zart schmiegte er sich an die weiche Haut meiner linken Gesichtshälfte, drang in meine zerschlissenen Kleider und ließ eine angenehme Gänsehaut zurück.
Endlich keine Schmerzen mehr.
Der Druck, der auf meiner Brust gelastet hatte, als hätte ein Nachtmahr sich dort zur Ruhe gebettet und im Schlaf jegliches Glück aus meinen ohnehin schon kargen Träumen gefressen, während er mir im Austausch auch die nächtlichen Stunden zur Hölle gemacht hatte, war schlussendlich und ein für alle Male verschwunden.
Es war vorbei.
Endlich hatte ich loslassen können.
Ein leises Summen drang in mein Bewusstsein vor, sacht umgab es mich und umschloss mich beinahe wie ein weicher Wollmantel, den man an Tagen hervorholte, an denen der Wind noch zu beißend war, um das Haus gänzlich ohne Jacke zu verlassen, jedoch die Sonne bereits zu wärmend, um die dicken Wintersachen überzuziehen.
Indes war ich weiterhin zu nicht mehr im Stande, als lediglich die warme Brise zu genießen sowie die nunmehr gänzlich von mir abfallende Last, den Jüngeren nicht länger weiteren Gefahren auszusetzen.
Wohlig stieß mein Körper ein tonloses Brummen aus, als ich die wärmenden Sonnenstrahlen auf meinen geschlossenen Augenlidern spürte, stumm kitzelten sie die zarte Haut, die meine Augäpfel schützte, die ich mich wohl nie wieder zu Öffnen bemühen versuchen musste.
Das Summen gewann währenddessen stetig an Intensität, klanglos vermischte es sich mit dem Zirpen der Vögel, welches sich ebenfalls weiter in den Vordergrund drängte.
Da kehrte plötzlich das vertraute Ziehen in meinem Brustkorb schlagartig zurück, als hätte jemand ein Gummiband bis kurz vorm Zerreißen in die Länge gespannt, um es daraufhin schmerzlich in seine Ursprungsform zurückschnellen zu lassen, peitschte es gegen meinen Rippenkäfig und raubte mir unmittelbar den Atem.
War es etwa doch noch nicht vorbei?
Immer lauter schwoll das mittlerweile mehr als unangenehme Zwitschern der gefiederten Tiere an, es war mir fast, als würden sie mich aus ihrer erhöhten Position von den kahlen Baumkronen aus herab, verspotten, währenddessen verwandelte sich das angenehme Summen, welches mich kurz zuvor noch in solch einer trügerischen Sicherheit gewogen hatte, in ein schrilles Quieken, hell und in einer Tonlage, zu dessen Bestimmung mein Gehör definitiv nicht den passenden Frequenzbereich abdeckte, malträtierten sie mein Hirn schlimmer als jegliche Halluzinationen und Wahnvorstellungen es zuvor je vermocht hatten.
Allem Anschein nach schien der Tod noch einiges mehr als das Leben für mich in der Hinterhand bereit gehalten zu haben.
Allein bei dem Gedanken begann mein Herz unruhig in meiner Brust zu pochen.
Moment.Mein Herz?
Schlagartig schärften sich meine Sinne, ich fühlte den feuchten, knackenden Untergrund unter meinen Handflächen, ich vernahm glasklar die hellen Vogelgesänge, spürte schmerzhaft das anhaltende Brennen meiner Lungenflügel – hatte es je aufgehört?
Nichtmal Sterben gelang mir auf Anhieb.
Hätte die Bitterkeit dieser Tatsache nicht überwogen, hätte sich der Umstand durchaus einer düsteren Komik nicht entziehen können.
Wie war es mir gelungen, den Tod ungewollt erneut ausgestochen zu haben?
Ein zartes Wimmern gesellte sich unauffällig zu den restlichen Geräuschen, die meinen Geist dominierten, je mehr ich mich auf die Schluchzer konzentrierte, desto deutlicher klärte sich die Stimme in meinem Kopf.
DU LIEST GERADE
DAS LACHEN DER TRAUERWEIDE
Fanfic𝗼𝗻𝗴𝗼𝗶𝗻𝗴 ❝In der Ferne war er bereits zu hören. Der galoppierende Herzschlag der alten Dampflok, welcher sich unweigerlich näherte. Die Miene des Jungen versteinerte, behutsam bettete er seine Wange unmittelbar auf dem kühlen Stahl, die Schien...