~ 20.5 ~

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Erschrocken fuhr ich zusammen, ehe ich auch schon in meiner Bewegung erstarrte. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, hastig deckte ich mit meiner Handinnenfläche den schwachen Schein meines Telefons ab, sodass ich mich daraufhin komplett im Dunklen befand.

Ich wusste nicht, was mich dazu veranlasste, dies zu tun. Immerhin hatte ich nichts verbrochen, wer auch immer das dort unten auch war, konnte mir kaum etwas Schlimmes anlasten. Trotzdem reagierte mein übermüdeter Körper stark auf die Anwesenheit der Fremden, ohne erkennbare Anhaltspunkte spürte ich eine intuitive, unbändige Furcht, die unmittelbar nach dem Erklingen der Stimmen durch meine Glieder fuhr und ich hatte gelernt, auf diese Intuition zu vertrauen.

„Und wie gedenken wir nun weiter zu verfahren?" So tief, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten, war die Stimme des Mannes, die ich bei genauem Hinhören vernehmen konnte.

Jede Faser meines Körper schrie, ich solle diesen Ort verlassen, mich umdrehen und so schnell laufen, wie ich nur konnte, doch meine Glieder gehorchten mir nicht.

Zu groß war die Neugier, die von mir Besitz ergriffen hatte und zu schmerzhaft war die Vorstellung, dass Jeongguk hier doch irgendwo, im schlimmsten Fall gegen seinen Willen, festgehalten wurde.

Am ganzen Leibe zitternd, presste ich mich eng an die feuchte, mit Moos überwucherte, Backsteinwand, den Atem anhaltend, versuchte ich angestrengt noch weitere Wortfetzen aufzuschnappen.

„Wir machen gar nichts.", entgegnete eine weitere Stimme, beinahe noch tiefer und rauer, als die vorherige. „Wir haben Vertrauen. Vertrauen in ihn, Vertrauen in uns. Wie lange und wie hart haben wir uns dieses Vertrauen erarbeiten müssen, das frag ich dich!" Bis ins Mark drang mir die gereizte Stimme der Person, beinahe gespenstisch hallte ihr archaischer Klang von der Struktur der steinernen Wände wider und erfüllte somit auch die letzte Ritze dieses feuchten Gefängnisses.

Ich musste krampfhaft das Zittern meiner Glieder verhindern, angestrengt grub ich meine Fingernägel tief in das poröse Mauerwerk, da erklang auf einmal eine glockenklare Stimme: „Wir verstehen, Pater! Jedoch haben wir vermehrt Grund zur Annahme, dass er uns etwas verschweigt, wir-"

„Kein Wort mehr! Wer hat dir überhaupt erlaubt, das Wort zu erheben, geschweige denn es direkt an den Priester zu richten?" Ein lautes Klatschen drang an meine Ohren, gefolgt von einem schmerzhaften Aufzischen. Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus.

Was verfolgte ich hier für ein obskures Gespräch?

Immer weiter schwoll die Panik, die mich von diesem Ort verdrängen wollte, in meinem Inneren an, doch ich musste einfach sicherstellen, dass Jeongguk nicht hier war.

Sollten die Stimmen, die ich gerade vernahm, tatsächlich die seiner Eltern sein? Seiner Eltern und eines.. Priesters?

Obwohl das Belauschen dieses Gespräches zunächst mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete, konnte ich mich nicht dazu durchringen, zu gehen.

Wie eine dunkle Wolke schwebte das ungute Gefühl gepaart mit einer düsteren Vorahnung über meinem Haupt und ließ mich hilf- und wehrlos mit meinen Gedanken zurück.

„Wenn Sie sagen, wir sollen Vertrauen haben, dann tun wir dies natürlich. Unsere Späher stehen ohnehin nur für den äußersten Notfall bereit. Egal, was der Junge denkt, zu erreichen; wir werden ihm immer einen Schritt voraus sein." Ein dämonisches Lachen erfüllte die Luft und ließ mich schaudern. „Soll er sich ruhig mit seinen Nutten vergnügen und sich noch ein bisschen in der trügerischen Sicherheit wiegen, er hätte uns überlistet; nicht mehr lange, dann wird Jeongguk sich wünschen, niemals geboren worden zu sein."

Dermaßen erschrocken von der unerwarteten Erwähnung seines Namens, biss ich mir mit voller Kraft auf die Zunge, um nicht laut aufzuschreien.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht spürte ich just darauf schon den blutig, metallischen Geschmack, der meinen Mund einnahm, doch das war mir in diesem Augenblick völlig egal.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt