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Taehyung PoV

Zwanzig Minuten.

Geschlagene zwanzig Minuten hatte keine der Parteien, die an unserem hellen Esszimmertisch saßen, auch nur ein Wort gesagt.

Das Kratzen und Klirren des Bestecks auf unseren Tellern waren die einzigen Geräusche, die seit dieser Zeit den Raum erfüllten, von der angespannten Stimmung mal abgesehen.

Mit meiner Mutter hatte ich seit dem Streitgespräch vor einigen Tagen kein Wort mehr gewechselt.

Zu tief war die Verletzung auf meiner und die Sturheit auf ihrer Seite.

Meinen Vater hatte sie mit Sicherheit mittlerweile auch auf ihre Seite gezogen, zumindest verhielt sich dieser ebenfalls auffällig ruhig seitdem.

Eigentlich wusste ich selbst noch nichtmal sicher, ob ich wirklich schwul war.

Andererseits war es doch recht offensichtlich, nicht nur meiner gereizten Reaktion während des Gesprächs mit meiner Mutter nach zu urteilen, sondern allen voran die starken Gefühle Jeongguk gegenüber, die ich einfach nicht zum Schweigen bringen konnte.

Aber wie sollte ich es auch anders verifizieren, immerhin gab es keinen anerkannten, allgemeingültigen Test, der Homosexualität nachweist. Ich könnte natürlich Jeongguk erneut küssen und meine Erregungswerte messen: Nein, das war definitiv keine Option.

Ich seufzte. Wie so oft drifteten meine Gedanken vollkommen zu ihm ab, sobald sein Gesicht auch nur für den Bruchteil einer Sekunde vor meinem inneren Auge erschien.

Lange hatten wir an dem Tag noch dort gegessen, die letzten Sonnenstrahlen und schließlich den Sonnenuntergang gemeinsam genossen, den zwitschernden Vögeln zugehört, dem seichten Plätschern, welches die überhängenden Äste der Trauerweide auf der Oberfläche des Teichs erzeugten, gelauscht und einfach die Seele baumeln lassen.

Es war mir dann auch egal gewesen, dass ich mein hagwon verpasste. Immerhin hatten sich meine Noten seit Jeongguk mir Nachhilfe gab, trotzdem rapide verbessert, da konnte ich einen Nachmittag auch mal abschalten und nicht alles zerdenken.

Das war auch der Tag gewesen, an dem ich endgültig beschlossen hatte von Jeongguk nicht mehr als Freundschaft zu verlangen.

Mein Herz würde einerseits keine Zurückweisung, die ich doch für mehr als realistisch hielt, verkraften, andererseits wollte ich ihn überhaupt nicht erst in so eine unmögliche Situation bringen und riskieren, dass er seinen ersten richtigen Kumpel sofort wieder verlor.

In diesem Punkt stellte ich seine Gefühle schlicht über meine, so schwer es mir fiel.

Es war zwar, im Vergleich zu dem, was er alles für mich tat, nicht viel, aber so konnte ich ihm zumindest etwas zurückgeben.

»Schling gefälligst nicht so«, riss mich die kalte Stimme meiner Mutter unsanft aus meinen Gedanken.

Finster blickte ich zu ihr herüber. »Auch essen tue ich ganz wie es mir beliebt«, entgegnete ich sarkastisch und schob mir die nächste Portion Kimchi umso unsauberer in den Mund, sodass sich kleine Spritzer des eingelegten Gemüses rings um meinen Teller herum verteilten.

Mir war bewusst, dass mein Verhalten mehr als kindisch wirken musste, aber ich wusste einfach nicht, wie ich anders auf meine Mutter reagieren sollte.

Ihre starke Ablehnung hatte mich wirklich tief verletzt.

Ich sah, wie meine Mutter ihre Lippen fest aufeinander presste, sodass ein schmaler, weißer Rand um ihren Mund entstand. Wütend tippte sie auf den Tasten ihres Telefons herum.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt