~ 8.2 ~

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Taehyung PoV

Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. In nichtmal fünf Minuten würde Jeongguks Zug in den Bahnhof einfahren.

Eigentlich konnten wir uns glücklich schätzen, dass dieses Kaff insofern an die Infrastruktur der restlichen Zivilisation angeschlossen war, dass es überhaupt über einen Bahnhof verfügte. Ich fröstelte.

Eine kühle Brise fegte über den Bahnsteig und fuhr mir durch meine eh schon zerzausten Haare.

Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, zu groß war die Sorge um meinen Vater gewesen.

Zwar war ich erleichtert, dass ich eine Freistellung von der Schule bekommen hatte, zumal ich mich eh nicht auf den Unterricht hätte konzentrieren können in dem Wissen, dass mein Vater gerade auf dem OP-Tisch lag und vielleicht nie wieder aufwachen würde, jedoch plagten mich darüber hinaus trotzdem auch Gewissensbisse, dass ich meine schulischen Leistungen momentan so vernachlässigte.

Ich hatte bereits einmal mein hagwon geschwänzt und zwar, als ich das letzte Mal mit Jeongguk unterwegs gewesen war.

Zweifelsfrei traf ihn keinerlei Schuld, wie hätte er auch wissen können, dass ich trotz meines Terminkalenders lieber ihm und seiner Familie nachstellte und um sein Anwesen schlich?

Es war mir wirklich ein Rätsel, warum er überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben wollte, ja sogar mehr noch; dass er sich für mich gestern fast die ganze Nacht um die Ohren geschlagen hatte, weil ich nicht hatte aufhören können zu heulen.

Beschämt vergrub ich mein Gesicht in den Händen.

Ich hatte eindeutig eine Grenze überschritten; immerhin kannten wir uns erst seit einigen Wochen und ich jammerte ihn schon mit meinen Problemen voll.

Und das, obwohl ich mir eingeredet hatte, dass ich ihn nichtmal wirklich leiden konnte.

Seine plötzlichen Stimmungsschwankungen mochten mir zwar manchmal auf die Nerven gehen, aber im Großen und Ganzen hatte er scheinbar doch ein gutes Herz.

Ich zuckte leicht zusammen, als das der dumpfe Gong ertönte und somit die Einfahrt des, auf der Infotafel angezeigten, Zuges ankündigte.

Mein Herz stolperte, bevor es in einem schnelleren Rhythmus weiterschlug.

Suchend stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um den Jüngeren in der uniformen Menschenmasse auszumachen, die sich mir auf dem Bahnsteig entgegen drängte, jedoch bemerkte ich bereits kurz darauf, dass dies nicht nötig gewesen wäre, da Jeongguks Kopf sofort aus der Menge herausstach, sobald er den Zug verließ.

Wild begann ich zu winken, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Ich sah wie sich seine Augen kurz weiteten, er mit schnellen Schritten auf mich zu kam, mich am Arm fasste und zur Seite zog, raus aus dem Menschenstrom.

»H-hallo«, stotterte ich überrumpelt. Durch meine dichten Wimpern blinzelte ich zu ihm hinauf.

Er sah schlecht aus – und mit schlecht meinte ich nicht, dass er nicht trotzdem immer noch der attraktivste Mensch überhaupt war.

Abgekämpft wirkte er, seine Augen waren blutunterlaufen, tiefe Augenringe zierten sein blasses Gesicht und ich merkte, wie er sich beim Gehen schmerzerfüllt an die Seite fasste.

Bestimmt nur, weil du ihn solange wachgehalten hast, flüsterte mir mein schlechtes Gewissen abermals zu.

»Taehyung, was machst du denn hier?« Mit verengten Augen starrte er mich an, meinen Arm immer noch fest im Griff.

DAS LACHEN DER TRAUERWEIDEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt