[Hinweis: Dieses Kapitel enthält zum Teil Inhalte, auf die manche Leser sensibel reagieren könnten]
Ohne Umschweife umfasste auch schon eine ausgekühlte Hand seinen Oberarm und zerrte ihn in die Mitte des Raumes.
Keuchend hörte der Junge nur, wie die Tür harsch hinter ihm zugeschlagen wurde; er vernahm ein hohes, schleifendes Geräusch wie von Metall auf Metall.
Verzweifelt versuchte er, seinen beschleunigten Puls sowie seine gepresste Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen, jedoch trat die Furcht, welche ihm sein geraumer Zeit bereits dicht auf den Fersen gewesen war, immer mehr zu tage.
Unsanft wurde er mit dem Rücken auf eine glatte kalte Oberfläche gestoßen.
Was war das bloß für ein Ort?
Auch in diesem Raum befanden sich unzählige Fackeln, unregelmäßig warfen sie flackernde Schatten an die unebenen Backsteinwände.
Als einzige weitere Lichtquelle schienen Kerzen verschiedenster Größen zu dienen; überall standen sie verteilt, mal allein, mal in einem metallenen Halter, große, kleine, schmale und breite Wachskegel füllten den beengten Raum mit ihrem stickigen Rauch und sorgten für eine noch verschleiertere Sicht als ohnehin schon.
Eine der verhüllten Gestalten trat erhobenen Hauptes auf den verängstigten Jungen zu, den Blick kalt und durchbohrend auf ihn gerichtet, und überreichte ihm wortlos eine der dunklen Roben.
Bevor Jeongguk überlegen konnte, was das zu bedeuten hatte, setzte sich sein Körper bereits in Bewegung und entledigte sich seiner Kleidung.
Fröstelnd zog er den schweren Stoff über seinen dünnen, schmalen Körper; die Kälte, die durch seine nackten Füße auf dem eiskalten Steinboden in seinen Körper fuhr, ließ ihn unbewusst erzittern.
Unsicher stand der Junge nun da, bebend vor Angst. Abermals öffnete sich die Tür und es schwärmten die ersten Menschen ein, allesamt in Roben, die Kapuzen tief in ihre Gesichter gezogen.
Ob Jeongguks Eltern sich wohl unter ihnen befanden?
Ohne Vorwarnung fuhr eine fremde, knochige Hand plötzlich in seine kurzen, braunen Haare und riss seinen kleinen Kopf unsanft zurück, bevor er spürte, wie ein dickflüssiger Saft quälend langsam seine ausgetrocknete Kehle runterlief.
Jeongguk musste ein Würgen unterdrücken. Es schmeckte widerlich, doch er verbarg seinen Ekel.
Es würde andernfalls nur schlimmer werden.
Mit einem leisen Knacken seiner oberen Halswirbel richtete der Junge sich wieder auf, sein Blick schweifte suchend über die uniforme Masse, die unablässig in den winzigen Raum strömte.
Irgendwie müssten seine Eltern sich doch bemerkbar machen.
Wie auf ein stummes Zeichen, welches dem Jungen entgangen war, versammelten sich die Gestalten in einem großen Halbkreis um den steinernen Altar, ein goldener Kelch mit einer Mischung aus Wein, Blut und Drogen wurde herumgereicht, die Stimmung wurde immer ausgelassener.
Warum sind hier keine anderen Kinder?, fragte sich Jeongguk still.
Immer bin ich allein.
Er betrachtete die Menschen um sich herum, die Stimme des Mannes, welcher ihm gerade den Mantel überreicht hatte, nahm er nur noch im Hintergrund wahr.
Die Meisten hatten ihre Köpfe gesenkt und ihre Gesichter durch die schwere Kapuze verborgen. Eigentlich sah Jeongguk gar keine Gesichter.
Nur Körper.
Er war der einzige.
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DAS LACHEN DER TRAUERWEIDE
Fanfiction𝗼𝗻𝗴𝗼𝗶𝗻𝗴 ❝In der Ferne war er bereits zu hören. Der galoppierende Herzschlag der alten Dampflok, welcher sich unweigerlich näherte. Die Miene des Jungen versteinerte, behutsam bettete er seine Wange unmittelbar auf dem kühlen Stahl, die Schien...