32. Kapitel

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Nach einer Weile hatte ich mich halbwegs von meinem Zusammenbruch erholt und stand mit wackligen Beinen auf. Wenn Yeojin recht hatte, wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte.
Andererseits würde es erklären, warum Chanyeol sich nicht meldete und gestern meine Anrufe ignoriert hatte. Plötzlich fühlte ich mich eingeengt, als ob die Schwärze mich erdrücken würde. Hektisch fing ich an zu atmen und versuchte gleichzeitig dagegen anzusteuern. Ich hielt die Luft an und schloss meine Augen. Als ich die Luft nicht mehr halten konnte, atmete ich langsam aus und atmete langsam und gleichmäßig mit tiefen Atemzügen weiter. Einen zweiten Nervenzusammenbruch würde ich nicht überstehen.

Langsam tappte ich zur Couch und setzte mich. Lange dachte ich nach.
Letztendlich kam ich zu dem Entschluss, Yoora anzurufen. Sie war Chanyeol's Schwester und ich verstand mich gut mit ihr. Sie mochte mich und war immer für unsere Beziehung gewesen. Chanyeol und sie standen sich sehr nahe und ich hoffte, Antworten von ihr zu bekommen. Sie mochte Yeojin auch nicht besonders. Yoora war etwas älter wie wir und sagte immer, Yeojin wäre sehr unreif und kindisch. Sie verhielt sich wie ein Teeniemädchen.
Meine Hände waren nass geschwitzt und eiskalt als ich nach meinem Handy griff. Meine Finger zitterten so sehr, dass ich mein Handy kaum festhalten konnte. Ich hoffte, ich würde sie nicht stören oder so, als es klingelte. Nervös presste ich mein Handy gegen mein Ohr und wartete darauf, dass sie abnahm.

''Hallo?''
''Yoora?'', meine Stimme klang schwach und ich räusperte mich schnell.
''Baekhyun?''
''Ja, ich bin's. Störe ich?''
Sie zögerte kurz. ''Nein. Was ist los?''
Ich schluckte. ''Stimmt es?''
Sie schwieg einen Augenblick. ''Es tut mir Leid'', flüsterte sie. ''Es stimmt. W-Woher weißt du es?''
''Von Yeojin, sie k-kam heute her... aber wieso..? Warum..?'', ich konnte keinen Satz bilden, meine Welt krachte zusammen, ich verlor meinen Halt und die gesamte Kontrolle. Meine Finger klammerten sich an das kleine Gerät als ob es ein Rettungsring wäre.
''Ich weiß es nicht. Er hat mir nichts gesagt. Er sagte er will... Yeojin.. heiraten. Woher das so plötzlich kommt weiß ich selber nicht, ich habe ihn seit gestern noch nicht gesehen, aber ich fahre jetzt gleich sowieso zu ihm. Ich kann dich dann nochmal anrufen, wenn du willst...''
Leicht nickte ich, auch wenn sie das nicht sehen konnte. ''Ja, bitte... danke.''
''Bleib stark, Baekhyun.. du kannst mich anrufen, wenn du reden willst, okay?''
''Okay.. danke.''
Wie sollte ich stark bleiben? Ohne ein weiteres Wort legte ich auf. Ohne zu zögern befahl ich meinem Handy direkt, jemand anderes anzurufen.

''Baekhyun?''
''Hallo Mama. I-Ich möchte euer Angebot in Anspruch nehmen.''
''Angebot? Welches? Was meinst du?'', fragte sie verwirrt nach.
''Ich will es versuchen. Hetero zu werden mithilfe einer Therapie.''
Am anderen Ende der Leitung war Stille. ''Was ist passiert?'' Sie klang argwöhnisch. Klar, ich hatte sie vor ein paar Wochen rausgeschmissen deswegen und nun kam ich aus dem Nichts damit an.
Fest biss ich mir auf die Lippe bis ich Blut schmeckte, doch es war mir egal. Ich wollte die Tränen unterdrücken.
Doch bei meinen nächsten Worten konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. ''Chanyeol hat Schluss gemacht.''
Direkt nachdem ich es ausgesprochen hatte, kam der ganze Schmerz wieder und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Die Reaktion meiner Mutter irritierte mich extrem. So sehr, dass ich kurz meinen Schmerz vergaß.
''Baekhyun, das tut mir wirklich Leid. Das hast du nicht verdient so verletzt zu werden. Willst du nicht um ihn kämpfen?''
''U-Um ihn kämpfen? Er ist verlobt!'', schrie ich und hörte selber den Schmerz aus meiner Stimme heraus.
''Verlobt, aber noch nicht verheiratet. Ich weiß, ich heiße eure Beziehung nicht gut, aber das wünsche ich dir trotzdem nicht. Sowas wünsche ich keinem. Noch ist es nicht zu spät. Trotzdem kann ich mit dir zum Therapeuten gehen, wenn du magst.''
Sie wartete geduldig, bis ich mich wieder etwas beruhigt hatte.
''Mir egal... was hat mein Leben schon für einen Sinn ohne Chanyeol. Wenn ich hetero werden könnte, würde ich ihn vielleicht nicht mehr so vermissen und über ihn hinweg kommen.''
''Das klingt vernünftig'', stimmte meine Mutter zu und sagte, sie würde einen Termin so bald wie möglich machen.
Sie redete mir noch gut zu und versuchte mich zu trösten, doch mein Herz war schon in einzelnen Stücken. Der Schmerz würde nie wieder vergehen, davon war ich überzeugt.

Meine Mutter redete fast eine Stunde mit mir. Wobei sie eigentlich die meiste Zeit redete. Ich hörte ihr kaum zu, sondern war in mich gekehrt.
Erst als sie sagte, sie würde vorbei kommen, erwachte ich aus meiner Starre und verneinte schnell. Seufzend gab sie nach und sagte zum Schluss das gleiche wie Yoora, ich solle sie anrufen wenn ich reden wollte.
Worüber sollte ich denn bitte reden?
Chanyeol hat mich verlassen und heiratet ein Mädchen, das er eigentlich nie so wirklich leiden konnte. Fertig.
Somit war mein Leben in Trümmern, aber was sollte ich ändern? Ich konnte es schlichtweg nicht ändern, Chanyeol hatte sich entschieden. Vielleicht liebte er Yeojin ja wirklich, was wusste ich schon.
Ich sollte mich lieber für ihn freuen. Er würde irgendwann Vater werden. Und es würden seine eigenen Kinder sein. Seine Eltern wären glücklich, weil ihr Sohn eine Frau hatte anstatt einen Mann. Er konnte seine Beziehung offen zeigen und musste sie nicht in der Öffentlichkeit verstecken oder sich zurückhalten. Er konnte reisen und Ausflüge machen und war nicht eingeschränkt.
Eigentlich sollte ich ihm nur das beste Wünschen, aber ich konnte es einfach nicht. Ich wollte, dass er bei mir blieb, an meiner Seite wie die letzten Jahre.
Das war verdammt egoistisch, aber ich brauchte ihn. Ohne ihn konnte ich nicht leben.
Was war jetzt mein Grund um weiter zu machen? Selbstständiger zu werden? Mit der Blindheit klar zu kommen?
In meinen Augen gab es keinen Grund mehr. Immer hatte ich mir vorgestellt, wie wir nach seinem Studium zusammen ziehen würden und eine glückliche Zukunft haben würden.
Dieser Traum war nun geplatzt.
Und es tat so verdammt weh. Ich hätte niemals gedacht, dass man so starke Schmerzen spüren könnte obwohl man eigentlich gesund war. Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach ihm, wollte ihn bei sich haben.
Es tat fast schon körperlich weh und selbst das Atmen fiel mir schwer.

Bis zum Abend saß ich still in der gleichen Position auf meiner Couch und starrte vor mich hin in die Dunkelheit, die mir noch dunkler und schwärzer vorkam als sonst.
Ich aß nichts und trank auch nichts, einfach weil ich keinen Hunger hatte. Dabei musste ich eigentlich Hunger haben, da ich seit Stunden nichts gegessen hatte. Aber genauso wusste ich, dass ich nichts in mir halten konnte und mich direkt übergeben würde.

Das Klingeln meines Handys ließ mich kurz etwas zusammenzucken.
''Yoora ruft an.''
Schnell nahm ich ab und räusperte mich kurz.
''Hallo? Yoora? Und? Warst du.. bei ihm?''
''Ja, er sagt mir aber nicht, warum er ihr einen Antrag gemacht hat... er sagt, er liebt sie. Es kommt mir aber ein bisschen so vor, als ob er sich das selber versucht einzureden..'' Sie seufzte.
''Hat er was über mich gesagt?'', fragte ich leise.
''Nicht wirklich. Er sagte, ich solle dir sagen, es täte ihm Leid. Es tut ihm Leid, nicht anständig die Beziehung beendet zu haben.''
Ich schluckte.
''Bist du okay? Ich kann vorbei kommen.''
''Nein, schon gut... danke, Yoora.''

Kaum zu glauben, aber nach dem Telefonat ging es mir noch schlechter.
Es tut ihm Leid, nicht anständig die Beziehung beendet zu haben.
Das konnte ich nicht verstehen, warum hatte er es mir nicht gesagt? Stattdessen sagte er es seiner Schwester. Meine Augen brannten, aber es kamen keine Tränen. Vermutlich hatte ich bereits alle Tränenvorräte aufgebraucht. Ich hatte zu viel geweint.

Was sollte ich nun machen? Schlafen würde ich jetzt auch nicht können. Es war schon ziemlich spät, aber es kam mir vor, als würde die Zeit stehen bleiben. Ich hörte das Ticken einer Uhr und dennoch fühlte es sich so an. Oder als ob mein Körper seine Funktion eingestellt hätte. Ich spürte weder Hunger, Durst, Müdigkeit noch den Drang auf die Toilette zu gehen. Nichts!
Das einzige, was ich spürte war der unbeschreibliche Schmerz in meinem Inneren und das Brennen meiner Augen. Dieser Schmerz und die gleichzeitige Leere in mir überwogen alles andere.
Mein Herz schlug langsam und ich hörte meinem eigenen Herzschlag zu. Es würde mich nicht wundern, wenn es plötzlich ganz verstummen würde. Insgeheim wartete ich nur darauf.
Ein schneller, schmerzloser Tod. Einfach tot umkippen, das wäre die Lösung aller Probleme. Dachte ich gerade zumindest. Eigentlich wusste ich natürlich, das der Tod keine Lösung war. Aber ich war so verletzt, dass ich nicht vernünftig denken konnte. Jetzt gerade sehnte ich mich so sehr danach, meiner nutzlosen Existenz ein Ende zu setzen.

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Im nächsten Kapitel seht ihr Chanyeol's Sicht ^^

Was glaubt ihr, warum Chanyeol Yeojin einen Antrag gemacht hat? 🤔

𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt