46. Kapitel

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Noch immer war ich unentschlossen, was meine Berufswahl anging. Mit Chanyeol hatte ich nochmal ein ernsteres Gespräch geführt, natürlich war mir klar, dass ich viel redete. Wahrscheinlich auch zu viel... aber ich konnte es einfach nicht abstellen.
Mein Trainer fragte mich, ob mir noch mehr Stärken eingefallen waren. War Singen eine Stärke? War es überhaupt eine Stärke von mir? Nur weil ich es mochte?
Es war mir peinlich, ihm zu sagen, dass ich am liebsten singen würde. Stattdessen sagte ich, dass ich Musik liebte.
"In dem Bereich lässt sich doch sicherlich was machen. Blinde haben ein gutes Gehör, das kannst du dir zum Vorteil machen."
Leicht nickte ich. Ganz so begeistert war ich nicht, aber was besseres fiel mir auch nicht ein.
Wir nutzten auch das Internet zur Hilfe, doch die meisten Berufe sprachen mich überhaupt nicht an.
Hoffnungslos fuhr ich mir durch meine Haare und ließ meinen Kopf hängen. "Ich werde nie was finden", stöhnte ich halb verzweifelt.
An meiner Schulter spürte ich die Hand meines Trainers, die mich aufmunternd klopfte. "Sag das nicht. Es ist halt schwer. Deine Möglichkeiten sind zwar begrenzt, aber das beudetet nicht, dass du nichts findest, was dir Spaß macht." Er machte eine kurze Pause und seine Hand ließ mich wieder alleine in der Dunkelheit. "Du musst auch nicht sofort was finden. Du kannst vorerst auch Arbeitslosengeld beziehen, aber du solltest dich trotzdem intensiv weiter auf die Suche machen."
Es war offensichtlich, dass er diese Möglichkeit nicht gut fand und es die letzte Notlösung ansah. Was genau er so schlimm daran fand, war mir nicht klar. Aber anhand seiner Stimme sollte mir das klar sein. Dabei fand ich, dass es die perfekte Lösung war. Er schien mein erleichtertes Gesicht zu sehen und redete gleich weiter. "Es ist nur gefährlich, da die Erfahrungen gezeigt haben, dass die Leute sich nicht mehr um einen Job kümmern, sondern sich mit dem Arbeitslosengeld zufrieden geben. Deswegen empfehle ich es dir nicht. Und du hast Probleme, deinen Hund zu bekommen. Du oder dein Freund müssen vorweisen, dass ihr Einnahmen habt, sonst wird das nichts."
Mit dem letzten Satz mache er mir Angst und ich nickte schnell. "Verstanden!"

Nachdem ich noch ein wenig Brailleschrift gelernt hatte, ein neues Buch ausgeliehen hatte und sogar zum ersten Mal selber was geschrieben habe mit einem Computer, dessen Tasten keine gewöhnlichen waren, sondern extra dafür geeignet waren, dass auch ich mit ihnen schreiben konnte. Gleichzeitig las das System die Wörter vor. Erste Erfahrungen hatte ich schon sammeln können, da ich einen Laptop besaß, der extra für Blinde war. Die Technik war schon so weit, es überraschte mich jedes Mal aufs Neue.

Heute würde Chanyeol mich mal nicht abholen, ich hatte darauf bestanden. Es war zwar schon recht spät, da wir heute viel gemacht hatten, doch ständig fuhr er den eigentlich nicht sehr langen Weg, riskierte zu viel, weil hier keine Parkplätze waren und er im Halteverbot parkte und das alles nur um mich abzuholen. Dabei brauchte ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln maximal eine halbe Stunde.
Gut gelaunt verließ ich das Gebäude und summte leise vor mich hin, während ich den Blindenstock vor mir hin und her schwenkte.
Es war nicht mehr weit bis zur Bushaltestelle, der Weg hatte sich so in meinen Kopf eingebrannt. Vor meinem Unfall war ich jedoch nie hier gewesen, weshalb ich nicht wusste, wie genau es hier aussah. Aber das störte mich tatsächlich weniger als ich dachte. Sonst wollte ich immer wissen, wie alles aussah.
Die Gegend hier war ruhig und friedlich. Bestimmt gab es hier viele Bäume, denn die Vögel zwitscherten laut und nicht sehr weit von mir entfernt. Der Uhrzeit nach zu urteilen musste die Sonne bald unter gehen. Wahrscheinlich nutzten die Vögel die letzten Sonnenstrahlen, wie wir Menschen. Leicht lächelte ich, doch dann vernahm ich Schritte hinter mir.
An sich nichts ungewöhnliches, doch sie klangen irgendwie merkwürdig. Das Gefühlt konnte ich nicht beschreiben, doch ich fühlte mich ein wenig unwohl. Automatisch ging ich etwas schneller und umklammerte den Griff meines Stockes etwas fester. Auf direktem Weg ging ich zur Bushaltestelle, doch es waren noch ein paar Minuten. Oder vielleicht auch nicht. Ich hatte die Orientierung verloren, da die Schritte ebenfalls schneller wurden.
Mit zügigen Schritten ging ich weiter, doch hörte auch immer die Schritte hinter mir. Die Person lief direkt hinter mir, was mich nervös machte.
Endlich kam ich bei der Haltestelle an und entspannte mich etwas. Die Schritte hatten mich nicht bis hierhin verfolgt und als ich kurz meinen Atem anhielt, um besser hören zu können, hörte ich auch keine andere Person. Als der Bus kam stieg auch keine weitere Person ein, soweit ich das heraushören konnte.
Im Bus selber bot mir jemand seinen Sitz an, den ich diesmal dankend annahm, da mich das schnelle Gehen etwas erschöpft hatte.
Während der Busfahrt beruhigte ich mich wieder und dachte fast die gesamte Zeit über den Vorfall nach, doch letztendlich beschloss ich einfach, dass ich paranoid wurde.

𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt