59. Kapitel

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Voller Aufregung krallte ich mich in den Beifahrersitz.
Chanyeol lachte über mich, doch ich wusste, dass er fast genauso aufgeregt war wie ich. Wenn man genau hinhörte - und ihn kannte - hörte man auch, dass es eher ein nervöses Lachen war.
Gekonnt ignorierte ich es und wippte unruhig auf und ab. Chanyeol kommentierte es nicht weiter.
"Wir sind da", informierte er mich nach wenigen Minuten, die sich wie Stunden angefühlt hatten.
Sobald der Wagen stand, hatte ich es super eilig, auszusteigen. Ungeduldig wartete ich auf Chanyeol und klappte währenddessen meinen Blindenstock aus.
Ich hakte mich bei ihm ein und ließ mich von ihm leiten. Dann hörte ich die vertraute Stimme meines Trainers. Er begrüßte uns und begleitete uns hinein.
Und obwohl ich Mongryong noch nicht so oft gesehen hatte, erkannte ich sein Bellen. Doch bevor ich ihn endlich mitnehmen konnte, musste ich wieder ins Büro der Hundeschule um die letzten Dinge zu klären und sie wollten noch Unterschriften.

Nachdem alles erledigt und geklärt war, durfte ich endlich zu meinem Hund.
Überglücklich begrüßte ich ihn und ließ es zu, dass er meine Hand ableckte. "Bist du bereit für dein neues Zuhause, mein Süßer?"
Statt einer Antwort leckte er nur weiter meine Hand ab.
"Hier ist eine Leine", sagte Chanyeol neben mir und drückte mir etwas stoffartiges in die Hand. Mit meinen Fingern suchte ich den Haken und am Hundehalsband den Ring, wo ich die Leine festmachen konnte. Ich brauchte ein paar Versuche und schob es auf meine Aufregung.
Zufrieden stand ich auf. "Komm Mongryong! Es geht nach Hause."
Artig schien er mitzukommen, denn er lief mir weder vor die Füße, noch spürte ich einen Widerstand am anderen Ende der Leine. Das Lächeln wollte gar nicht mehr aus meinem Gesicht verschwinden.

Mein Trainer würde uns am Nachmittag besuchen, um mit mir und Mongryong zu trainieren. Bis dahin hatten wir aber noch Zeit.
Laut Chanyeol erkundete er interessiert das Haus. Ich wünschte, ich könnte ihm dabei zusehen, doch ich hörte nur eine kleine Glocke, die an seinem Halsband war. Und da ich sie die ganze Zeit hörte, wusste ich, dass er die ganze Zeit in Bewegung war.
Als ich ihn rief, kam die Glocke näher, bis sie still wurde. Mit ausgestreckter Hand ging ich in die Knie und berührte sein weiches Fell. "Gut gemacht."
"Er hört wirklich gut."
"Sonst hätte er auch nicht die Prüfung zum Blindenhund bestanden" erwiderte ich. "Kannst du ein paar Leckerlis holen?"
Chanyeol bejahte und seine Schritte entfernten sich. Kurz darauf kamen sie wieder auf mich zu. "Hier."
Ich befahl Mongryong sich hinzusetzen, was er auch sofort machte. Dann gab ich ihn ein paar der kleinen, stinkenden Kekse.

Bis zum Nachmittag ließen wir ihn dann in Ruhe.
Als mein Trainer kam, bellte Mongryong einmal, weshalb ich zusammenzuckte, doch dann musste ich kurz über mich selber lachen.
Ich musste mich wirklich noch ein wenig an unseren neuen Mitbewohner gewöhnen.

Gemeinsam mit meinem Trainer übte ich, das Geschirr richtig anzulegen und zum nächsten Park zu gehen. Dort zeigte er mir, wie ich dem Hund klar machte, dass er Pause hatte. Es war alles ganz einfach und wir waren beide stolz auf mich.
Am frühen Abend sagte er, dass auch Mongryong Feierabend brauchen würde. Als ich ihn zur Haustür begleitete sagte er noch, dass er mich morgen früh abholen würde und ich nickte.

Am Abend war ich dann doch etwas erschöpft. Gemeinsam mit Chanyeol legte ich mich auf die Couch und schmiegte mich an ihn. Entspannt schloss ich meine Augen und genoss seine Nähe.
"Wie war eigentlich dein Tag? Ich war ja fast die ganze Zeit weg", erkundigte ich mich bei ihm etwas schuldbewusst.
"Gut, ich habe hauptsächlich Instrumente gespielt. Die Zeit ist wie im Flug vergangen ", antwortete er leise und fuhr mir liebevoll durch die Haare.
"Es ist so schön, endlich mit dir zusammen zu wohnen. Das war wirklich das schönste Geschenk, dass du mir je machen konntest", sprach ich meine Gedanken aus.
Sanft küsste er meinen Kopf. "Ich denke auch so. Es war auch für mich selber das schönste Geschenk."

-

In den nächsten Tagen kam morgens mein Trainer um mich und Mongryong zum Blindenzentrum zu begleiten. Und nachmittags zu meiner Arbeit.
Chanyeol fand einen Job, der gut bezahlt wurde, aber dennoch etwas Freizeit hatte. In dieser machte er Musik, nahm sie auf und bearbeitete sie. Er war darin so gut, dass er sie schon bald auf YouTube und anderen Plattformen hochlud.

Yoora besuchte uns oft. Auch gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn. Meine Eltern kamen ebenfalls öfter vorbei.
Zum Glück hörten wir auch nie wieder etwas von Yeojin oder Chanyeol's Eltern. Sie alle gerieten in Vergessenheit, worüber ich auch sehr froh war. Lediglich Yoora besuchte sie ab und zu, doch sie berichtete nie von ihren Besuchen und das war vermutlich auch am besten so.

Das Training mit Mongryong lief sehr gut und wir waren auf dem Weg, ein sehr gutes Team zu werden.

"Es ist kalt", beschwerte ich mich und lehnte mich mehr zu Chanyeol.
"Es wird Winter, Baek. Du wolltest ja keine Handschuhe anziehen."
"Hmpf. Im Nachhinein stimme ich dir zu, dass es besser gewesen wäre, sie anzuziehen. Aber die frische Luft tut auch gut."
Wir gingen durch den Wald und ich hörte, wie der Wind die Baumkronen hin und her wiegte, wie er Laub aufwirbelte und mir durch die Haare blies. In meiner rechten Hand hielt ich das Ende von Mongryong's Geschirr und mit meiner linken Hand hielt ich Chanyeol's warme Hand. Es war faszinierend, wie warm sie immer war, egal wie kalt es draußdn war.
"Wir sind da", sagte Chanyeol. Wir gingen immer zu einer großen Wiese, wo wir Mongryong das Geschirr abmachten, damit er wie ein normaler Hund spielen konnte. Meistens waren hier auch noch andere Hunde, mit denen er spielte. Gegenseitig jagden sie sich über das Gras. Mehr als ihre Pfoten, die regelrecht über den Rasen flogen, hörte ich nicht, aber das reichte mir schon um zu wissen, mit was für einer Geschwindigkeit sie an uns vorbeipreschten.

"Baek, ich habe eine Idee", sagte Chanyeol plötzlich und ich horchte neugierig auf. "Hm?"
"Es war doch immer dein Traum zu singen. Du bist ja auch wirklich talentiert."
Langsam nickte ich und fragte mich, worauf er hinaus wollte.
"Meine Musik kommt wirklich gut an in den sozialen Netzwerken. Hast du nicht Lust, dazu zu singen? Deine Stimme würde alles super ergänzen. Wir könnten ja auch erstmal mit deinem Lieblingslied 'Like Rain Like Music' beginnen. Was hälst du davon?"
Lange musste ich nicht überlegen. "Das hört sich toll an! Da hätte ich auf jeden Fall Lust drauf."
Auch er schien sich über meine Antwort zu freuen. Liebevoll nahm er mein Gesicht in seine Hände und legte seine Lippen auf meine. Mir wurde ganz warm von seinen Berührungen und seiner Zärtlichkeit.
Ich schlang meine Arme um ihn und in dem Moment war es mir total egal, ob uns andere Menschen und Hundebesitzer sahen.
Meinetwegen konnte es die ganze Welt wissen, dass ich schwul war und Park Chanyeol liebte.

Am Abend setzten wir Chanyeol's Idee direkt um.
Kurz erklärte mir Chanyeol alles und ich hörte ihm aufmerksam zu und nickte immer wieder.
Vor mir war ein Mikrofon, welches ich vorsichtig berührte.
"Bereit?", fragte Chanyeol und ich nickte. Ich wusste nicht warum, aber ich war ziemlich nervös.
Wir brauchen mehrere Anläufe und Versuche. Ich fragte mich, woran es lag, schließlich war es nicht sehr viel anders wie sonst. Aber das Mikrofon schien mich ziemlich nervös zu machen, obwohl ich es nicht sehen konnte.
Nachdem ich meine Nervosität überwunden hatte, brauchte ich dennoch ein paar weitere Male, bis ich zufrieden war.

Bis in den späten Abend waren wir damit beschäftigt, doch dafür waren wir beide zufrieden mit dem Ergebnis. Und Chanyeol war noch so motiviert, dass er direkt anfing, es zu bearbeiten. Er arbeitete mit Kopfhörern, doch ich hörte dem Klicken der Maus zu.
Nach einer Weile spielte er mir dann die finale Version vor. Meine Stimme hatte sich nicht sehr stark verändert, was ich gut fand. Es klang aber wunderschön. Vor allem bei dem Lied ging immer mein Herz auf, ich liebte es wirklich.
"Es ist wirklich gut geworden", gab ich zu, nachdem die Audio zuende war und Chanyeol mich nach meiner Meinung fragte.
"Super. Dann werde ich es morgen hochladen."
Mit einem Nicken stimmte ich zu und ich war jetzt schon gespannt, wie seine Abonnenten darauf reagieren würden.

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Das ist schon das vorletzte Kapitel. Irgendwie seltsam.
Aber ich habe mich dazu entschlossen, meine KaiSoo FF als nächstes zu veröffentlichen.
Kleiner Spoiler: sie heißt "Amnesia".

𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt