Kapitel 7

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Wann immer man auch glaubte, die Welt bleibe stehen, wenn etwas Schreckliches geschehen war, drehte sie sich in Wahrheit jedoch weiter. Es ging immer weiter, egal ob man selbst stehen blieb. Weylin hatte bewusst nicht die Zeit gezählt, die er gebraucht hatte, seine Sachen zusammenzupacken, um in den Palast ziehen zu können. Als Soldat war es ihm sozusagen unterboten Gefühle auch nur in kleinster Weise preiszugeben.

Und das gelang ihm auf dem Schlachtfeld auch sehr gut.

Nur jetzt fiel es ihm schwer, seine eiserne Maske aufzuziehen. Er konnte ohne zu Zögern töten, wenn es sein musste, und es war lächerlich, die Tür hinter ihm nicht schließen zu können.

Er stand auf seiner kleinen Veranda und zögerte. Ein vollgestopfter Rucksack hing auf einer seiner Schultern.

Wehmut. Wehmut war es, was ihn heimsuchte. Diese Tür zu schließen, bedeutete das Kapitel seines alten Lebens zu beenden. Und die Zukunft erschien ihm überhaupt nicht gewollt.

Doch wie sehr es ihn auch sträubte, war es nun seine Pflicht dem König zu dienen. Welcher Soldat wäre er denn gewesen, würde er sich gegen sein eigenes Vaterland stellen?

Er gab sich einen Ruck und die Tür fiel krachend ins Schloss. Ihm blieb keine Wahl. Ohne sich noch einmal umzudrehen, durchquerte er den kleinen Abschnitt seines Vorgartens und machte sich auf den Weg zum Königspalast.

Das kostbare Glas, aus dem der Palast erschaffen worden war, schimmerte im sanften Abendlicht und bereits einzelne Laternen schalteten sich ein. Es herrschte eine ruhige, entspannte Stimmung, fast so, als wären alle Untaten in den letzten Jahrzenten nicht passiert.

Die Ruhe stand im Gegensatz zu seinem inneren Kampf, den er führte. Er liebte sein Vaterland, das stand nicht zur Debatte, aber musste er dafür auch seinem König alle Ehre machen?

Hätte man ihm diese Frage vor 130 Jahren auf dem Schlachtfeld gestellt, dann wäre diese Frage auf der Stelle mit einem klaren Ja beantwortet worden.

Doch jetzt stellte er sie sich, während die Entfernung zu seinem König immer weniger wurde und die Antwort hätte diesem nicht gefallen.

Vielleicht lag es daran, dass damals um ihn herum Menschen starben, Blut auf sein Gesicht spritzte und das Geschrei der Sterbenden seine Sinne trübte, doch nirgendwo sonst hatte er sich seinem Vaterland so nah gefühlt als gemeinsam mit seinen Kameraden sein Zuhause zu verteidigen.

Und jetzt?

War er überhaupt bereit dazu, Kaius den gleichen Respekt entgegenzubringen wie König Albert und König Roland? Riskierte er mit dieser Lüge nicht viel mehr sein Leben?

Er blieb stehen und starrte in die Sterne. Sie funkelten so hell wie der Schnee im Licht auf den weiten Feldern, an denen er so oft auf Patrouille entlanggeritten war.

Wer würde dieses Volk befreien, wenn er starb? Er wollte schreien, so laut, dass man ihn hörte. Ab wann war alles schiefgelaufen? Wieso musste ausgerechnet Kaius der König werden?

Er war damals noch ein Kind gewesen, als man ihm die Krone auf den Kopf gesetzt hatte. Er hatte keine Ahnung wie man ein Königreich führte. Ganz zu schweigen, wie man es wiederaufbaute. Deswegen tat er gar nichts.

In diesem Punkt konnte Weylin ihn verstehen. Ein Kind, das seinen Vater schon früh verlor, hatte keine Möglichkeit sich vorzubereiten.

Sich Beispiele an den Handlungen zu nehmen und Erfahrungen zu sammeln.

Dennoch hatte er kein Recht, sein Volk untergehen zu lassen. Zu hohe Steuern zu fordern, die nicht einmal der Adel bezahlen konnte. Und nur damit er in Saus und Braus leben konnte, jeden Tag, egal wo und wann und egal mit wem.

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt