Als er den modrigen Stall erreichte, rebellierte sein weißer Mustang vor Freude. Der alte Wärter hatte sein Wort gehalten.
Als er die Zügel losband, regte etwas Großes seine Aufmerksamkeit. Er lugte unter dem weichen Hals hervor und sah zwei weitere Pferde angebunden an ein Fenstergitter, die zuvor noch nicht dagewesen waren. Vor Erleichterung stieß er die angehaltene Luft aus und presste die Stirn an das weiße Fell.
Die Brüder hinter ihm, stützten sich schwer aufeinander. Der Knöchel von Devin musste dringend von einem Heiler untersucht werden und beiden konnte eine zahlreiche Mahlzeit nicht schaden. Ihre Rippen stachen scharf aus ihrem Brustkorb hervor und ihre Arme waren nur noch dünne Stränge.
„Meint ihr, ihr könnt euch allein auf den Pferden halten?", fragte er und sah sie abschätzig ab.
„Ich könnte mich sogar an einem Stier halten, wenn ich nur hier raus kann."
Thayers Brustkorb hob sich angestrengt, als er versuchte zu lachen. Aber nur ein ersticktes Keuchen drang aus seiner Kehle.
„Euch wird nichts anderes übrigbleiben", erwiderte Weylin knapp und ging zu den Pferden. Es war kein Sattel und Zaumzeug weit und breit in Sicht und für Weylin machten die Pferde keinen guten Eindruck, dass sie bereits gut eingeritten waren. Ihr weißes Fell war überzogen mit schwarzen Flecken und das hintere hatte eine viel zu lange Mähne.
„Nun gut", wandte er sich wieder den Brüdern zu. „Devin, du reitest auf meinem Pferd. Im Sattel hast du eine bessere Haltung. Thayer du nimmst das hier."
Er führte die Stute um sein eigenes herum und half dem Älteren aufs Pferd. Er keuchte auf und sein Gesicht war schmerzverzerrt, aber er beschwerte sich nicht.
Devin war halb bewusstlos, als er ihn schweratmend auf das Pferd hievte. Mit den Zügeln band er seine Hände an den Sattel und legte seine Füße vorsichtig in die Steigbügel. Mit einer fließenden Bewegung hängte Weylin seinen Umhang um Devins nackten Oberkörper.
„Wir können nicht in die Stadt zurück."
Weylin band das letzte Pferd los und hievte sich auf den losen Rücken, nur ein abgewetztes Seil war der improvisierte Zügel. Thayer, der Weylin besorgt ansah, ließ ihn voran reiten und sah dem weißen Mustang nach, der Weylin kommentarlos folgte.
„Ich weiß", gab er zurück und bog Richtung Ausgang ab.
Dies war das erste Mal, dass je Gefangene als freie Menschen aus diesem Gefängnis gingen. Und doch hielt ihn niemand auf, nicht einmal die grässlichen Stimmen verabschiedeten sich.
Der kalte Wind begrüßte sie, als sie die Mauern endlich hinter sich ließen und Weylin sein Pferd antrieb; die anderen folgten ihm ohne zu Zögern.
Der frühe Morgen empfing sie. Der kalte Wind hatte sich über die Entfernung gelegt und nur leicht scheuchte er losen Schnee über die weißen Weiten auf. Der Wald endete hier und der festgerittene Weg lag breit vor ihnen.
Das Risiko einzugehen und die Brüder zurück in die Stadt zu bringen, war zu hoch und viel zu gefährlich, deswegen wartete bereits eine zierliche Gestalt am Rande des Waldes. Die Füße seines Pferdes steckten knöcheltief im Schnee. Ezra stieg mit zitternden Beinen ab und lief mit wehendem Mantel auf seine Brüder zu. Devin war kaum noch in der Lage von Weylins Pferd abzusteigen, doch die innige Umarmung, die sich die Brüder schenkten, ließ ihn erleichtert lächeln. Es war ein einzigartiger Moment, der Weylins Herz erwärmen ließ. Er hatte Ezra nicht gefragt, wie lange sie im Gefängnis verbringen mussten, doch auch nur wenige Tage waren Erfahrung genug.
Ungern wollte er diese Wiedervereinigung stören, doch die ersten Sonnenstrahlen erhellten den nachtschwarzen Himmel bereits und tauchten ihn in ein weiches Dunkelblau.
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Nine Crowns
FantasyFrost and Darkness In einem Land, das nur den Schnee und die eisige Kälte kennt, spielt ein junger Soldat mit dem Tod. Ein verherrender Krieg liegt hinter den neun Königreichen und ein Schlimmerer wird noch folgen. Weylin wird dazu auserwählt, den K...