Kapitel 23

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Sofort waren sie in Alarmbereitschaft und Weylin zog Kenric hinter dem Baum, an den er zuvor noch gedöst hatte.

„Was bei den Neun Göttern war das denn?", keuchte Kenric und zog sein Schwert.

„Wahrscheinlich ist es eine von den Patrouillen", antworte er ihm, während er vorsichtig versuchte den Angreifer zu erkennen.

Das dichte Gestrüpp erschwerte den Blickkontakt und durch das Rauschen des Flusses wurden die Bewegungen und Schritte verschluckt.

Sein Herz pumpte Adrenalin in seine Venen und seine Fingerspitzen wurden prompt kalt.

„Kommst du an meinen Bogen ran?", fragte er Kenric.

Behutsam linste er um den Baum herum und als keine weiteren Schüsse flogen, krallte er sich Pfeil und Bogen.

„Du hast nur einen Schuss, Wey. Ich schwöre dir, ich will nicht in Nefarious sterben."

„Du wirst nicht sterben. Hör auf immer so ein Pessimist zu sein", schimpfte er ihn und spannte den Bogen.

„Gib mir Rückendeckung."

„Wir stehen hinter einem Baum. Die Götter weiß wo die Soldaten stehen", zankte Kenric leise und lehnte mit dem Rücken zur Rinde.

„Jetzt weißt du, wieso wir immer in unterschiedlichen Legionen waren." Weylin hatte Mühe, die raschelnden Blätter zu identifizieren, er brauchte nicht noch jemanden, der ihn anschnauzte.

„Nicht wegen mir. Hättest du nicht geschlafen, hätten diese Typen uns niemals gefunden", hörte Weylin ihn predigen und er schürte die Lippen.

„Sei für eine Minute leise. Wenn wir nicht tot sind, kannst du weiterreden."

„Wenn ich tot bin geht es ja schlecht mit dem Reden." Er verstummte, als der zweite Pfeil direkt in der Lücke beider Schultern in der dicken Rinde stecken blieb.

„Ich würde ja leise sein, aber wir haben ein Problem, Weylin."

„Wirklich, Kenric." Er warf ihm einen fassungslosen Blick zu, bis er wieder den Blick Richtung Wald richtete.

Unter Kenrics Boden wurde es eisig und von einem Moment auf den nächsten knisterte das Laub um die Eiche herum. Kleine Steine wurden weggeschleudert, wie lästige Fussel und in Sekundenschnelle beschützte sie eine makellose Mauer aus Eis.

„Wer da den Pfeil abgefeuert hat, hat nie gelernt wie man zielt", tadelte Kenric und zog den Pfeil aus der Rinde.

Weylin verdrehte die Augen und entriss ihm den Pfeil.

„Das Königswappen", inspizierte er und strich mit dem Daumen über die Krone aus Feuerflammen.

„Was wollen die Palastsoldaten hier?", fragte Kenric und starrte durch die Mauer.

„Normalerweise informieren sie ihre Feinde immer, bevor sie sie angreifen."

„Ich hasse es, wenn du mir sarkastisch antwortest", murrte Kenric und nahm sein Schwert wieder auf.

„Ich glaube, die bessere Frage wäre, was wirhier tun."

Weylin ließ den Pfeil sinken, während er um die Eiche herumging. Der grün-gelbe Kontrast der Blätter gab ein wunderbares Farbenspiel mit den glatten blau-weiß Tönen des Eises.

Die Welt außerhalb des Eisschildes war verschwommen und taub.

„Weylin", rief Kenric und aus seiner Stimme wurde er sofort alarmiert.

„Was ist?", fragte er und sprang kurzerhand über die Wurzeln zu ihm zurück.

Kenrics Blick war stur auf die Eismauer errichtet, die vor ihren Augen langsam und stetig niederschmolz.

„Ihr habt euch das falsche Land ausgesucht, um mit euren Tricks anzugeben", ertönte es von oben und erschrocken fuhren sie herum.

Eine Frau verbarg sich hinter den dichten Blättern der Baumkrone und ihre Macht strömte ihnen wie ein heißer Luftstrom entgegen.

„Wer seid Ihr?", ergriff Weylin das Wort, während hinter ihm das Eis bis zu den Grundmauern niederbrannte.

„Mein Name auf deinen Lippen wäre Feuer auf Stroh. Ihr würdet einen Krieg beginnen, Söldner."

„Ich bin kein Söldner, Mylady."

„Ich bin keine Mylady."

„Hört, wir sind nicht aus auf einen Kampf. Das einzige, was uns im Sinn steht, ist dieses Land so schnell wie möglich wieder zu verlassen", beschwichtigte Kenric die Unbekannte und nur aus dem Augenwinkel bekam Weylin mit, wie er das Schwert leicht hob. Sein erster Fehler. Im nächsten Augenblick schlug ein kochend heißer Pfeil auf das Schwert, das sofort auf den Boden krachte.

Hätte Kenric die Gabe aus Cimmerian, dann würden jetzt Blitze in diesen Baum einschlagen. Er starrte so verbissen nach oben, dass er ihn am liebsten am Hemdkragen gezogen hätte.

„Woher ist diese Mädchen denn so schnell hergekommen?", murrte Kenric leise und rieb sich die schmerzende Handinnenfläche.

„Wenn ihr keine Söldner seid, wieso seid ihr dann auf der Durchreise?", erkundigte sich die Frau.

„Sosehr ich Euch auch schätze, dies geht Euch nichts an", entgegnete Weylin.

„Mich geht auch euer Leben nichts an und trotzdem könnte ich euch umbringen", erwiderte sie und der Schalk schwang in ihrer Stimme mit.

„Wärt Ihr so nett und würdet herabsteigen?", warf Kenric ein und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mein Hals wird starr."

Weylin konnte gerade noch sein Stöhnen unterdrücken.

„Gibt eure Waffen ab", wies sie an.

„Sonst was?", fragte Kenric.

„Werde ich sie euch einfach wegnehmen."

Sie beide wirbelten herum. Vor ihnen auf dem nassen Boden streckte eine zierliche junge Frau ihre Arme nach den Waffen aus. Ihr blondes Haar fiel nicht länger als bis zu ihren Schultern und bedeckten kaum das dunkelrote Hemd, das sie streng in ihre Lederhose gestopft hatte. Das Merkwürdigste, oder das Interessanteste - je nach Betrachtung - waren allerdings ihre Augen. Nicht die Farbe, denn Bernstein hatten in diesem Land die meisten. Ihre linke Pupille war größer als die der rechten. Das Mädchen starrte sie an wie ein Raubvogel, der ungeduldig darauf wartete, dass die Mäuse aus ihren Schlupflöchern kamen.

Sie waren so gebannt von einer solchen Seltenheit, dass sie gar nicht bemerkten wie hinter ihnen das Mädchen von der Baumkrone zu Boden sprang. Mit einer eleganten Landung richtetet sie Dolch und Messer auf sie.
Die Männer waren umzingelt, Hitze umgab sie und trübten ihre Augen.

Das Mädchen hinter ihnen war keinesfalls eine Mylady. Sie war eine Soldatin durch und durch. Ihr hoher bräunlicher Pferdeschwanz wehte leicht im Wind, doch das war schon alles, was sie für eine Hofdame abstempeln würde. Sie war ähnlich gekleidet wie ihre Freundin, doch den zurückhaltenden Blick, den ein Raubvogel hatte, besaß sie nicht. Ihre grün-braunen Augen verengten sich und verliehen ihr etwas Katzenartiges. Ihr ganzes Gesicht erinnerte ihn an eine Raubkatze und ihre Haltung – wie sie Weylin direkt gegenüberstand, nur einen halben Kopf kleiner wie er... Sie wurde nicht geboren, um sich von Männern unterwerfen zu lassen, so viel stand fest.

Auf die verdrehteste Art fand er sie unglaublich anziehend. Sie war atemberaubend schön, wie wenn ein Waldbrand einem den Atem raubte. Sie provozierte ihn und es gefiel ihr, dass sie die Kontrolle über ihre Leben hatte. 

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt