Kapitel 18

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Tatsächlich fanden sie nach ein paar Kilometer ein kleines Wäldchen, dessen Fichten- und Tannenbäume schwer vom Schnee waren. Irgendwo schlug ein Specht seine Höhle in die kahlen Baumstämme und in den Baumkronen raschelte es von winzigen Eichhörnchen. Der Wald war nicht größer als hundert auf hundert und doch gab Weylin einen erleichterten Seufzer von sich, als sie endlich das windgeschützte Unterholz erreichten, dessen trockener Boden leicht unter dem schweren Gewicht nachgab.

Kenric zupfte an seinem Hemd, um die Nässe davon abzuschütteln. Seine dunkle Miene machte es Weylin auch nicht leichter, ihm die Sache zu erklären. Er war schließlich verantwortlich, dass man auf ihn Kopfgeld setzen würde. Weylin hatte ihn von einer Sekunde auf die nächste zum Schwerverbrecher gekürt.

Und er hatte enorme Gewissensbisse deshalb.

Wenn Kenric die Wahrheit über all dies erfahren hatte, dann brauchte sich niemand mehr über sein eigenes Kopfgeld sorgen machen müssen, denn Kenric hatte diese Arbeit bereits erledigt.

Kenric würde ihn höchstwahrscheinlich zuerst den Hals verdrehen, ihm die Ohren langziehen und dann mit einem Arschtritt in den nächstgelegenen Fluss werfen. Er sah zwar echt nett aus, aber für eine Nahkampf würde sich Weylin dann doch lieber jemand anderes suchen.

Kenric ging voran und bahnte sich mit dem Strick seines Hengstes in der einen Hand einen Weg durch das dichte Gestrüpp.

Die kahlen Äste kratzten an Weylins Rüstung und hinterließen fürchterliche Spuren in dem Metall.

Er war so erschöpft, dass er den Boden unter ihm nur noch halb wahrnahm und über herausragende Wurzeln stolperte. Der Hengst vor ihm zuckte verschreckt zusammen, als Weylin sich notdürftig an ihm abstützen musste.

Er murmelte eine besänftigende Entschuldigung und strich sich einmal übers Gesicht.

Nach ein paar Minuten waren sie im Inneren des Waldes und, den Göttern sei Dank, war sie frei von hartnäckigem Gestrüpp.

Kenric war bereits dabei, sein Pferd an einem dicken Baum festzubinden und, so gut es ging, von der Kälte zu befreien.

Seine Stimmung hatte sich nicht gehoben und er zog harsch am Strick. Kenric sah sich mürrisch um, als Weylin kurz darauf eintraf und sich die kleinen Äste von den Haaren schüttelte.

Er hatte schon befürchtet, Kenric würde schon ohne Erklärung nie wieder mit ihm reden, doch er streckte seine Hand nach seinem Strick aus und nahm Weylin das Pferd aus den Händen.

„Ich suche Feuerholz. Danach können wir mal schauen, ob wir was zu essen finden", schlug Kenric vor und strich auch Weylins Pferd kurz über den Hals.

„Ja, das klingt gut." Er wagte es nicht, Kenric in die Augen zu sehen. Die Kälte, die sich jetzt einen Weg durch seine Atemwege bahnte, fraß ihn innerlich auf und noch länger würde er es nicht aushalten, seinem Bruder die Wahrheit zu verschweigen. Doch vielleicht war es manchmal besser zu lügen.

Er ging hinüber zu der windgeschütztesten Ecke, knapp unter einem Baum und sammelte Steine, die er für das Feuer später brauchen würde. Er strich den Boden glatt und versuchte dabei nicht in Panik zu geraten. Kenric war seine Familie, und wenn er ihn nun verlieren würde, - egal, wie sich das Gespräch dem Ende neigen würde – wäre er womöglich nicht imstande dies zu verkraften.

Er schmolz übrig gebliebenen Schnee, der sich über das bereits braune Nadelholz legte und brach vereinzelt Äste mit weichen Kiefernadeln ab, die sie für ihren Schlafplatz verwenden könnten und wartete.

Zu dieser späten Stunde waren nur noch wenige Vögel wach und flogen von einer Baumkrone auf die andere. Der Specht, der ihre Ankunft begrüßt hatte, war verstummt und auch kein Rascheln im Unterholz war mehr zu hören. Die Pferde waren viel zu erschöpft und hatten sich eng aneinandergeschmiegt. Als einziges Fressen blieb ihnen nur das Nadelholz übrig, denn Gras wuchs bei dieser Kälte nicht mehr.

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt