Kapitel 27

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Es stellte sich heraus, dass niemand mehr seinen Namen kannte. Oder dass sie schlicht zu stolz waren, sich an einen einfachen Soldaten aus einem fremden Land zu erinnern.

Die Reiter waren alles andere als erfreut sie in ihrem Bach baden zu sehen. Zudem waren sie beide noch nackt.

Die Menschen hier galten als alles andere als prüde, - doch für sie beide aus Elysian grenzte es an das Unermessliche an Peinlichkeit.

So stiegen sie beide also voller Scham aus dem Bach und sammelten ihre Kleidung in Rekordzeit zusammen, bis die Reiter sie auf ihren Pferden in die Mitte nehmen konnten.

Die erste Begegnung mit der Königin hatte Weylin sich unter anderen Umständen vorgestellt.

Es gab keinen Zweifel, dass die Königin alles von ihrem kleinen Zwischenfall erfahren hatte, als der Mann vorausritt, um als erstes im Palast zu sein.

Hundertmann Luftlinie trennten sie noch bis zu den Hecken, die den gesamten Platz des Palastes umgaben.

Prächtige Rosen schmückten die olivgrünen Hecken, bei denen man sorgsam darauf achtete, dass kein Blatt die glatte Kante zerstörte.

Das Tor, wie aus seinen Erinnerungen, war immer noch aus demselben bronzeartigen Stahl, der winzige Rosen in seiner Oberfläche eingraviert hatte.

Der Palast von Plúirín galt als einer der schönsten Königshäuser von Cynefin und der Titel war wohl berechtigt.

Die Marmorfassaden des Wohnsitzes der Königin schimmerte im sanften Morgenlicht. Die hohen Fenster standen offen und die blassen rosafarbenen Vorhänge wehten im Wind.

Säulen, an denen üppige pflaumen- und brombeerfarbige Rosen emporwuschen, umgaben das Eingangstor des Herrenhauses.

Ein gewaltiger Springbrunnen, unübertrefflich schön, ragte hinter dem Bronzetor auf.

Drei Mädchen, mit Körben voller Blumen in der Hand, gingen Hand in Hand die Kieselwege, die den Brunnen umrandeten, entlang und kicherten lautstark.

Die Frau, die zuvor die Pfeile auf sie gerichtet hatte, stieg elegant von ihrem Schimmel und strich die Zügel über die schwarze Mähne.

Ein Stalljunge kam wie aus dem Nichts angerast und nahm die vier Pferde in Beschlagnahm.

Die andere Soldatin sprang ebenfalls vom Pferd und packte Weylin zwar sanft, doch mit einer gewissen Stärke am Oberarm und deutete ihm, vorwärts zu gehen.

Wenigstens hatten sie diesmal keine Fesseln an den Handgelenken.

Kenric blinzelte gegen die Sonne und man sah ihm an, dass er der Hitze nicht wohlgesonnen war.

Eine elegante Dame im mitten des Brunnens, aus anthrazitfarbenem Stein, räkelte sich gen Himmel, während zwei Schlangen aus hauchzartem Glas sich an ihrem kurvigen Körper emporschmiegten.

Das Symbol von Plúirín. Das tödliche Gift und die giftige Schönheit.

Das Tor zum Palast war nicht bewacht, als sie die drei langen Stufen hinaufstiegen und die erste Soldatin die elfenbeinfarbene Flügeltüre aufstieß.

Eine Welle der Erinnerungen durflutete seine Sinne.

Ein Déjà-vu ließ seine Knie weich werden. Genau so war er damals durch den riesigen Eingangssaal geführt worden. Nur, dass er damals in verschmutzter Kriegsrüstung und mit Blut an Händen und im Haar in Ketten durch die Gänge geschleift wurde.

Es hatte sich nichts verändert.

Der Boden war noch immer von einem so strahlenden Weiß, dass es ihn an seine Heimathügel erinnerte.

Das Haus war voller Leben. Aus offenen Türen drang leise Musik und Gelächter. Ein Stockwerk über ihnen klangen die Absätze von Schuhen bei einem Tanz zu ihnen hinunter.

Wunderschöne Frauen liefen in ihren farbenfrohen Kleidern die blassrosaroten Treppen hinunter, musterten ihn und Kenric und liefen dann weiter zum Eingangstor.

Sie wurden dieselbe Treppe hinaufgeführt, deren Geländer von den Dachfenstern erstrahlte. Von hellem rosé und fliederfarben, bis hin zu dunkelrot wanden sich volle Rosen in ihrer ganzen Blüte zwischen den matten stählernen Stäben hinauf in den dritten Stock.

Zwei Wachen kamen ihnen im ersten Stock entgegen. Sie hielten ihre Speere fest im Griff und ihre Augen durchbohrten ihn und Kenric. Der Wache, der Weylin am nächsten war, entzog der Soldatin grob seinem Arm und entließ sie mit einem Kopfnicken.

Er wagte einen Blick.

Sein rechtes Auge war grün und braun, das andere hatte einen Blauschimmer.

Ihre Gefühlslage war genauso wechselhaft wie ihre Augen.

Die zwei Wachen führten sie wortlos zu dem Thronsaal der Königin.

Sein Herz rase unkontrolliert. So lange hatte er auf diesen Moment gewartet. Nächtelang war er wach über seinen Schreibtisch gebeugt und hatte fieberhaft überlegt, wie er einen bevorstehenden Krieg ohne einen Schwerthieb beenden konnte. Aber dazu brauchte er Zaina, um andere Länder auf ihre Seite bringen zu können.

Denn Elysians Armee war zu stark, um nur Zainas Armee auf dem Schlachtfeld zu haben.

SeineArmee, rief er sich in Erinnerung.

Er war der König.

Ein eisiger Schauer, der nichts mit seiner Kraft zu tun hatte, lief ihm über den Rücken.

Der Wache ließ Weylin kurz los und schwang die dunkle Tür mit einem kräftigen Stoß auf.

Grelles Sonnenlicht blendete ihn und der starke Duft nach Rosen wehte ihm von den offenen Fenstern entgegen.

Der Thronsaal von Königin Zaina spiegelte alles wider, was der Schönheit ihrer gleichmäßigen Gesichtszüge und ihrer Intelligenz der Königin selbst an Anmut verlieh.

Der Thron aus elfenbeinfarbenem Holz ragte in der Mitte des breiten Raumes empor, wie der Anbeginn der Sonne, die ihre Strahlen wie ein Heiligenschein hinter der Lehne in ihrer vollen Pracht aussandte.

Das Haar floss wie flüssiger Honig über ihre Schultern, als die Königin das Kinn reckte und die Diamanten ihrer Krone aus immer blühenden Rosen in dem Licht glitzerten.

Ihr blutrotes Kleid floss in sanften Wellen über ihre nackten übereinandergeschlagenen Beine. Ein süffisantes Grinsen schlich sich über ihre ebenso roten Lippen, während Weylin den Kopf neigte.

Damals war er ein Gefangener als Soldat, jetzt hielt er als Thronerbe den Blickkontakt.

„Ich dachte mir schon, dass du bald kommen würdest. Im Winter ist es nicht so einfach, sich warm zu halten, nicht wahr, mein fleißiger Soldat?", gurrte sie und ihre Stimme war das Schnurren einer Katze, bevor sie einem die Finger zerkratzte.

„Ich bin nicht deswegen gekommen, Eure Majestät", erwiderte er und bemühte sich die Röte in seinem Gesicht zu verhindern.

„Ach nein?" Ihr Spott war kaum zu überhören.

„Ich fürchte, ich muss Euch um einen Gefallen bitten."

Ihre Augen hatten ihn damals schon an eine Schlange erinnert. Beide waren blau und der Bernstein leuchtete auf, als sie ihre weißen Zähne zeigte. Zaina beugte sich vor und stellte ihren Arm interessiert auf die verzierte Armlehne auf, während sie ein ausgerissenes Rosenblatt zerrieb.

„Ich würde alles tun für einen lieben Soldat aus dem ewigen Winter wie dich, mein schöner Weylin."

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt