Kapitel 21

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Der Herbst erlöste den Winter mit den sanftesten Berührungen. Die Bäume wurden lebendiger, der Boden schmolz sachte unter den Hängen des Schnees. Die Wärme des Feuers wehte ihm ins Gesicht und trockneten seine Kleidung.

Die Sonne ging einen Schritt zurück, überließ es den Blättern träge zu werden und erwachte somit den Herbst zum Leben.

Das Leben fing wieder von vorne an, wenn es im Herbst frisch wurde.

Es schien, als würde die Sonne ein Bad in den Bäumen nehmen und bei jedem neuen Sonnenuntergang ein kleines Stück Farbe dort lassen.

Das dumpfe Plumpsen und das Platschen überreifer Früchte auf den Boden kündigte den Wald vor ihm an. Kastanienbäume reihten sich wie eine Allee von Soldaten an dem Weg auf und das fast hölzerne Kullern der Kastanienfrüchten aus ihrer stachligen Hülle nach ihrem Aufprall auf den warmen übersäten Boden erfüllte seine Ohren. Der pfeifende Herbstwind erlöste die toten Blätter von ihrem alten Leben und ließ sie lautlos und sanft auf den Boden fallen. Die Zweige raschelten und die Bäume schienen unter der schweren Last ihrer Blätter zu ächzen.

Überall, wo er hinsah, erblühten seine Augen unter der herrlichen Pracht von Orange-, Weinrot- und Gelbtönen.

Es war beeindruckend, wie schnell die Magie ihren Weg fand und jedes Land in eine neue Welt verwandelte.

Er war in einem Land, das man Nefarious nannte. Es wurde gefürchtet und man erzählte sich, dass weit hinter den herbstlichen Mauern, vorbei an den feuerroten Schluchten, eine endlose Lichtung lag, auf der Löwen herumwanderten und Wache hielten.

Er würde es niemals zugeben, doch er war nicht erpicht darauf, die Steppe zu erreichen.

Weylin lenkte sein Pferd nach Osten, durch rote Bäume, an deren weißen Rinde schwarze Eichhörnchen emporflitzten. An kleinen Bächen hielt er an, gönnte sich und seinem braven Hengst eine Pause, bis er meinte, wieder zu lange an einem Ort verharrt zu haben und sein Pferd weiter antrieb.

Er wusste sehr wenig über dieses Land. Alles, was er kannte, beruhte auf Sagen und Gerüchten. Das Königshaus bestand aus dem König Théoden, seinen beiden Söhnen, Esca und Asher und seine Tochter Ravara. Seiner Bildung und seinem Lehrer nach hatte sich der König seit dem Tod seiner geliebten Königin nie wieder erholt und so hatten die Söhne das Königreich mehr oder weniger in ihre Hände gerissen.

Das Land des Feuers war, wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, nie dem Krieg entkommen. Noch immer herrschte Sklavenhandel und bestialische Bastardspiele fanden in Kampfarenen mit gezüchteten Raubtieren statt.

Doch er hatte gelernt Gerüchten nie zu vertrauen, bevor man nicht eine zweite Geschichte gehört hatte.

Vielleicht würde er, in den Jahren des Friedens, einmal die Gelegenheit bekommen die Geschichte dieses Landes zu hören.

Die Sonne sank tiefer und am späten Nachmittag wurden die Tiere langsam wieder aktiv.

Vögel zwitscherten über seinem Kopf, Eichhörnchen sammelten Nüsse auf dem blätterübersäten Boden und Rehe spitzten aufmerksam ihre Ohren, die er durch die tiefhängenden Äste erkennen konnte.

An einem breiten Fluss zog er an den Zügel und stieg ab. Steine blockierten den Strom, der Meter weiter steil in einen weiten Teich stürzte.

Das Rauschen des Wassers machten ihn schläfrig. Das Pferd senkte den Kopf, trank von dem nassen Gut, während sich Weylin umsah.

Es gab zwar keinen Krieg, doch gewissermaßen hatte er keine Erlaubnis ein anderes Land zu betreten.

Die Äste wehten leicht im Wind. Unter einem großen Eichenbaum lehnte er sich an die Rinde und starrte in die gelb-braunen Blätter, die fest an ihren Ästen hingen.

Seine Gedanken schweiften umher. Was war nur mit seiner kleinen Schwester geschehen? Ein stechender Schmerz in seiner Brust ließ ihn zusammenkrümmen.

War sie bereits tot oder weinte sie über den starren Körper ihrer beiden Mutter?

Er betete zu allen Göttern der neun Länder, dass seine Familie entkommen hatte können. Er war sich sicher, dass er es niemals verkraften könnte, wenn einer von ihnen wegen ihm ihr Leben hat lassen müssen.

Er verbarg sein Kopf in seinen Händen. Wie hatte er nur seine Schwester zurücklassen können?

Hedda war alles, was er je beschützen wollte. Seit er ihren zerbrechlichen Körper mit der noch zerbrechlicheren Seele in seinen kleinen Händen hielt, war sie sein Mittelpunkt geworden, den er mit allen Mitteln beschützen musste. Sie war so ein besonderes Mädchen. Und ihre Schönheit war das am wenigsten Interessante an ihr.

Mit einem frustrierenden Seufzen lehnte er den Kopf zurück. Das Licht wurde gedämmert und das beruhigende Blau verschwand hinter einem grauen Vorhang, als immer mehr Regenwolken vom Süden heraufzogen.

Müdigkeit überkam ihn wie aus dem Nichts und erschöpft schloss er die Augen und ließ sich vom sanften wärmenden Wind in die Dunkelheit führen. In diesen Stunden träumte er von brennendem Gold, zerbrochenen Thronsälen und einem Fluss voller Blut.   

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt