Kapitel 17

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Die ewigen Weiten von Elysian schienen kein Ende zu nehmen. Schneeflocken fielen vom Himmel wie zahlreiche Münzen aus einem Sack voller Geld. Seit Stunden waren sein Herzschlag und das kraftvolle Aufschlagen der Hufe im Einklang und seine schwarze Rüstung von einer feinen Eisschicht überzogen, die einerseits noch von dem Adrenalin in seinem Körper stammte, zum anderen von den dichten Massen an Schnee, der ihm unentwegt entgegenpeitschte.

Seinem besten Freund ging es nicht anders. Er trug nichts weiter als eine lockere Lederhose und ein weites Hemd, durch das man seit Stunden bereits durchsehen konnte.

Nicht das erste Mal dankte er dem Gott des Winters, dass die Kälte zu ihnen gehörte wie seine Gliedmaßen.

Bei ihren Pferden allerdings hing ihr Leben von der erbitterten Kälte ab. Er spürte schon fast, wie die Kraft aus ihren Gliedern schwand und ihre Atemwege brannten wie glühendes Silber auf der Haut.

Der Wind wurde immer dichter und der Schnee häufte sich in einem Blinzeln.

Weißer Dampf stieg aus den Nüstern ihrer Pferde und Weylins Mustang riss seinen Kopf hoch und runter, Unruhe verdrängte die Stille.

Die Haut um seine Finger spannten sich und seine knochigen Knöchel waren fast nicht mehr von der weißen Mähne seines Pferdes zu unterscheiden.

Ein kurzer Blick zu Kenric bestätigte seine Vermutung noch stärker. Den Pferden fehlte jegliche Kraft. Wenn sie jetzt nicht bald eine Pause einlegten, würden sie an Herzversagen sterben und wilde Tiere anlocken.

Weylin drückte die Unterschenkel zusammen und wartete bis Kenric neben ihm ging. Stehen zu bleiben würde zu gefährlich werden. Nicht wegen der Kälte, sondern weil sie beide, Kenric und er, jetzt als vogelfrei galten und er wollte sich nicht ausmalen, wie ihre Hinrichtung aussehen würde. Vor allem wollte er den Anblick seines rollenden Kopfes seiner Schwester und Mutter ersparen.

„Der Wind hat gerade noch gefehlt", murrte Kenric neben ihm und streichelte seinem Mustang den nassen Hals.

„Wenigstens verwischt es unsere Spuren."

Er drehte den Hals.

Nichts. Keine Reiter, keine Wälder und auch kein Schloss war mehr zu sehen. Kein Wunder, sie waren seit Stunden unterwegs und zusätzlich konnte man nicht viel weitersehen als dreißig Meter.

„Das war's dann aber auch schon", knurrte Kenric und schüttelte seine volle Haarpracht. Geschmolzene Flocken wurden sofort vom Wind weggetragen.

Sie beide waren nicht gerade zum Scherzen aufgelegt, insbesondere weil Weylin ihm immer noch eine Erklärung für die Flucht schuldete.

Er musste seine Augen schließen.

Wie war es nur so weit gekommen?

Er war gezwungen seine geliebte Heimat zu verlassen. Vielleicht für immer.

Vielleicht war es ein Abschied, ohne dass er die Möglichkeit hatte sich wirklich zu verabschieden.

Was würde aus seiner kleinen Schwester werden, aus seiner Mutter?

Wie könnte er nur gehen, wenn er doch nur hierher hingehörte?

Wie konnte er seinKönigreich verlassen?

Ein harter Kloß bildete sich in seinem Hals, als die Worte von Kaius sich in seinem Kopf immer wieder wie eine Dauerschliefe abspielten.

Er war der rechtmäßige König und musste doch von seinem Königreich fliehen.

Kenric streckte die angespannten Beine und es knackte. Ein Seufzen verließ seine roten Lippen, die die gleiche Farbe hatten wie die Schluchten von Nefarious. In das Land, das sie bald passieren würden, denn hier konnten sie nicht bleiben.

Wohin sollten sie nur?

Der Krieg war noch zu frisch, um Fremde als Gäste aufzunehmen.

Es kam ihm nur ein Land in den Sinn, dessen Gastfreundschaft er schon einmal genossen hatte.

„Lass uns einen Wald finden. Ich glaube, wir alle können mal eine Pause vertragen", seufzte Weylin und sah mit stirngerunzelter Stirn in den wolkenverhangenen Himmel.

Wie waren sie nur in dieses Schlamassel geraten? 

Nine CrownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt