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MILO

Ich raufte mir meine braunen Locken. Es war eine blöde Idee gewesen mich wieder an einer Schule anzumelden.
Da ich allerdings immer noch keinen Abschluss hatte, musste ich diesen unbedingt nachholen.
Nach dem Tod meiner Eltern vor zwei Jahren, hatte ich mich nur noch im Wald verschanzt.
Nur in meiner Wolfsgestalt war ich draußen herum gelaufen und hatte für viel Aufregung gesorgt, da die Menschen einen weißen Wolf gruselig fanden.
Vor ein paar Wochen hatte ich mich dazu entschieden umzuziehen und landete in einem kleinen Ort weit weg von meinem alten Zuhause.

Bisher hatte das Rudel welches hier wohnte, mich als Wolf nie zu Gesicht bekommen, aber von Erzählungen her wusste ich, dass sie nach mir suchten.

„Einsamer Wolf" hatten sie mich getauft und laut den Gerüchten hatten sogar viele Angst vor mir.
Schon ein wenig lustig, wenn man bedachte, dass ich in meinem menschlichen Körper nicht viel ausrichten konnte.
Denn welcher Mensch konnte anderen etwas groß antun, wenn er nur mit Krücken vorwärts kam?
Richtig, niemand.
Bei dem Unfall, bei dem meine Eltern starben, hätte ich eigentlich auch sterben sollen. Allerdings wollte das Schicksal oder die Mondgöttin, sucht es euch aus, es anders.
Somit waren nur die Nerven meines rechten Beines kaputt, weshalb ich dieses nicht mehr bewegen konnte.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so locker mit diesem Thema umgehen könnte, aber da ich immer noch als Wolf im Wald herum tollen konnte, war es mir egal, dass ich als Mensch an Krücken oder andere Stützen gebunden war.
Auch wenn es manchmal nervig war, da ich öfter mal ein wenig Hilfe benötigte, die ich Zuhause nicht bekommen konnte.

Und dank dem Wunsch meiner Mutter stand ich nun wieder vor einer Schule.

Ich humpelte also auf den Eingang zu und versuchte die brennenden Blicke zu ignorieren.
Glücklicherweise erkannte niemand der Schüler, dass ich ein Werwolf war, denn sonst wäre ich schon längst zerfetzt worden.
Die Fähigkeit meinen Geruch zu verstecken lag in meiner Familie.
Ich war der Letzte und würde es vermutlich auch bleiben, denn ich bezweifelte es meine Mate irgendwann zu finden.

Im Gebäude angekommen steuerte ich auf das Sekretariat zu und klopfte bevor ich eintrat.

„Ah, hallo! Du musst Milo Black sein."

Ich korrigiere, eigentlich Milo Lupus, aber es sollte ja schließlich keiner wissen wer ich wirklich war, denn laut den Geschichten war ich tot.
Fragt mich nicht wieso ich dies nicht änderte und einfach sagte, dass ich überlebt hatte. Ich wusste selber nicht wieso ich dies tat.

„Ja, der bin ich."

„Hier sind dein Stundenplan und deine Nummer für deinen Spind. Wenn du Hilfe benötigst, sag einfach Bescheid.", lächelte die Frau, welche mir die Sachen übergab.

„Dankeschön.", sagte ich noch, ehe ich wieder verschwand.

Auf dem Flur angekommen ging ich nach links und suchte meinen Spind. Diesen fand ich auch schon nach wenigen Minuten und öffnete ihn mit dem Code.
Ich sah Bücher für die verschiedenen Fächer und schaute auf meinen Stundenplan, um herauszufinden was ich für Unterricht hatte.

Geschichte!

Na super, das würde für mich vermutlich langweilig werden.
Das passende Buch packte ich in meine Tasche und drehte mich auch schon um, um zu meinem Raum zu gelangen.

Ich lief an einer Gruppe mit drei Jungs und einem Mädchen vorbei, welche mich interessiert musterten.
Am Geruch erkannte ich, dass sie alle Werwölfe waren und vom bloßen hinsehen, dass das Mädchen die Mate von dem Jungen rechts war.

Er hatte braune Haare und braune Augen, wobei sie mit ihren blonden Haaren und blauen Augen ziemlich herausstach.
Die anderen Beiden waren Zwillinge. Man konnte sie jedoch gut auseinander halten, da der eine längere Haare hatte als der Andere.

Meinen Blick löste ich von ihnen und kam nach ein paar Minuten an dem richtigen Raum an.
Die Tür öffnete ich und humpelte hinein.
Da nicht viele bisher da waren, ging ich in die hinterste Ecke und legte meine Krücken beiseite, nachdem ich mich gesetzt hatte.

Nach weiteren fünf Minuten war der Raum so gut wie voll und zwei der Jungs von eben nahmen neben mir Platz.
Ich ignorierte sie, so wie ich es mit allen anderen auch tat.
Ich sah keinen Sinn darin mich mit irgendwem anzufreunden oder sonst was.
Als die Lehrerin endlich da war, ging sie die Anwesenheitsliste durch und blieb natürlich bei mir hängen.

„Milo Black?"

„Ja.", sagte ich und hob dabei meine Hand.

„Ahh, würdest du bitte nach vorne kommen und dich vorstellen?", fragte sie freundlich.

„Das könnte kompliziert werden, da ich dann wieder meine Krücken und so kramen müsste.", antwortete ich ihr als wäre es das Normalste der Welt.

Damit zog ich die Aufmerksamkeit nur noch mehr auf mich und die Lehrerin blickte mich entschuldigend an.

„Dann bleib dort und sag kurz etwas zu dir."

„Mein Name ist Milo, ich bin 18 Jahre und neu hier."

Kurz und knapp. Alles Nötige.
Es ging schließlich niemanden mein Privatleben etwas an.

„Etwas genauer? Hobbys? Familie? Erklärung wegen den Krücken?", fragte sie genervt weiter.

„Ich bin gerne im Wald. Den Rest geht niemanden etwas an!"

Unverschämte Frau.

„Na schön, dann fangen wir mal mit dem Unterricht an. Das heutige Thema ist die berühmte Familie Lupus, welche vor zwei Jahren verstarb."

Ich verkrampfte mich.
Blöde, blöde, blöde Idee!
Ich hätte mich nicht auf einer Werwolf Schule anmelden sollen.
Nur damit das klar ist, hier gingen auch Menschen zur Schule, aber jeder wusste über Werwölfe Bescheid, weshalb wir solche Themen durchnahmen.

Ich versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen, denn ich durfte auf keinen Fall auffliegen.

„Wer weiß etwas über diese Familie?"

Ein Mädchen in der ersten Reihe zeigte auf.
„Die Familie Lupus gehörte zu den Nachkommen der ersten Werwölfe. Sie waren sehr machtvoll und kein Rudel hätte ihres vernichten können. Die Familie starb letztendlich an einem normalen Autounfall und das Rudel löste sich auf."

„Sehr gut, Julia!"

„Noch weiteres?"

Ab diesem Punkt schaltete ich ab, denn meine eigene Lebensgeschichte wollte ich nicht hören.
Ich merkte, wie der Kerl aus dem Flur neben mir mich musterte und drehte meinen Kopf zu ihm.

„Alles okay?", hörte ich ihn flüstern.

„Ja, wieso?", fragte ich verwirrt.

„Du hast deine Hände zu Fäusten und hast so einen komischen Blick drauf.", erwiderte er.

„Oh ehm... nein, also... mir gehts gut.", stotterte ich und schaute schnell wieder weg.
Zum Glück ging er nicht weiter drauf ein und ließ mich in Ruhe.

Falls ihr euch jetzt fragt, wie es sein konnte, dass mich niemand erkannte wegen Bildern oder Ähnlichem.
Es wurden ganz einfach nie welche gemacht. Es war in der Werwolfswelt nicht so, dass mächtige Wölfe von Paparazzis andauernd fotografiert wurden.
Wenn man sich kannte, wusste man wie der Andere aussah, ansonsten halt nicht.

Außerdem war ich etwas weiter weg von meinem alten Zuhause. Dementsprechend sollte mich auch noch nie jemand zuvor gesehen haben.
Zumindest hoffte ich dies.

Solitarius LupusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt