III

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MILO

Fuck.
Also wirklich. Wie dumm war ich eigentlich?
Ich hätte mir besser überlegen sollen, was es für Konsequenzen mit sich ziehen könnte in einem Ort wie diesem zu wohnen.
Natürlich war die Wahrscheinlichkeit größer meinen Mate zu finden, wenn ich mit Werwölfen zu tun hatte.
Manchmal könnte ich mich selber dafür schlagen, dass ich zu wenig nachdachte, bevor ich etwas tat.

Nachdem ich diesen äußerst attraktiven Mann gesehen hatte- ok Stopp.
Diesen äußerst- ach keine Ahnung was- Mann gesehen hatte, war ich fluchtartig in den Wald gerannt.
Oder besser gesagt gehumpelt und gestolpert.
Ich war ganze zwei Meter im Wald gewesen, da hatte ich schon den Boden begrüßt.
Dieser war natürlich nass und dreckig und hatte meine Klamotten dem Schicksal namens Waschmaschine ausgesetzt.
Ich hatte mich dann erneut aufgerappelt und war weitere drei Meter gekommen.
Dann hatte ich aufgegeben als Mensch zu laufen und mich im Schatten der Bäume verwandelt.

Mit meiner weißen Schnauze hatte ich meine Tasche und Krücken genommen und war gerannt.
Gerannt bis ich nicht mehr konnte.
Meine Klamotten waren natürlich zerrissen und mussten auch nicht mehr in die Waschmaschine sondern den Mülleimer.
Wie genau ich es geschafft hatte meine ganzen Sachen zu schleppen wusste ich immer noch nicht, aber das war mir auch in dem Moment egal.

Nun saß ich auf meiner Couch, eingewickelt in meine Kuscheldecke mit einem Tee in der Hand und starrte geradeaus.
Meine Hände zitterten immer noch etwas und das leider nicht weil mir kalt war. Denn kalt war mir definitiv nicht.

Ich hatte einen Schock.
Einen ziemlich großen Schock.
Ich hatte mir als kleines Kind immer den Moment vorgestellt wenn meine Mate das erste Mal vor mir stand.
Ich hatte mir vorgestellt, wie ich sie in den Arm nehmen würde und sie nie wieder los lassen würde.

Es hätte heute genauso passieren können.
Er stand vor mir.
Er kam auf mich zu und ich hatte in seinen Augen gesehen, wie sehr er mich umarmen wollte.
Und dann hatte mein Hirn einen Aussetzer und ich war weggerannt.
Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, wusste ich mal wieder nicht wieso ich so reagiert hatte.

So überreagiert.
Aber es war ein Reflex, ja fast schon ein Instinkt von mir geworden so zu handeln.
Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich mich einfach verändert und mich immer mehr verschlossen.
Eine Mauer aufgebaut die nicht so schnell zum Einsturz gebracht werden konnte.
Und das wollte ich auch nicht.
Doch was ich wollte wusste ich ebenso wenig.

Es war frustrierend und als ich erschöpft meine Augen schloss, hatte ich wieder dieses Bild vor mir.
Wie er mich ansah, genauso schockiert im ersten Moment wie ich.
Seine schwarzen Haare lagen ihm durcheinander auf dem Kopf und seine blauen Augen erinnerten mich an das Meer.
Sie waren hell, sehr hell sogar und leuchteten einem schon fast entgegen.

Kopfschüttelnd verbannte ich die Gedanken an ihn und schaltete den Fernseher an. Nachdem ich einen akzeptablen Sender gefunden hatte, konzentrierte ich mich nur noch auf die Menschen auf dem Bildschirm.

Gelangweilt blickte ich nach ungefähr zehn Minuten wieder durch die Gegend und entschied mich dazu eine Runde in den Wald zu gehen.
Vielleicht ein bisschen schwimmen und jagen, um den Kopf frei zu bekommen.
Also schmiss ich die Decke von mir und humpelte mit meinen Krücken zur Terrassentür. Dort ließ ich mich auf den Boden sinken und entledigte mich meinen Klamotten, ehe ich mich verwandelte.

Mit meinen Pfoten schloss ich die Tür hinter mir zu, nachdem ich die frische Waldluft begrüßt hatte.
Ich streckte meine Nase in die Höhe und versuchte ein Tier ausfindig zu machen. Dies gelang mir recht schnell und somit sprintete ich in die richtige Richtung.
Ich schlich mich von hinten an einen Hasen heran und schnappte ihn mir bevor er davon kam.
Mit meinem Essen im Maul legte ich mich in den Schatten eines Baumes.

Ich hörte leise Schritte von der Seite, welche allerdings schnell wieder stoppten. Ein Klicken ließ mich nach rechts schauen, gefolgt von einem leisen Fluchen. Ein Mädchen etwa mein Alter hockte hinter dem Gebüsch und hatte offensichtlich ein Foto von mir gemacht.
Also tat ich so als würde ich sie nicht entdecken und aß ihn Ruhe weiter.
Weiteres Klicken ließ mich darauf schließen, dass sie weiterhin Fotos schoss und somit machte ich mir einen kleinen Spaß und legte mich in eine lustige Pose.

Gähnend streckte ich alle Viere von mir, wobei ich meine Hinterpfoten senkrecht in die Luft hielt.
Ein Kichern zeigte mir, dass es tatsächlich so komisch aussah wie ich es mir gedacht hatte.
Ich war mir nicht sicher ob dieses Mädchen nicht checkte, dass ich vermutlich ebenso ein Mensch bin wie sie oder ob sie es wirklich nicht wusste.
Möglicherweise würde sie diese Bilder der Presse bringen und dann dachten Manche vielleicht ich wäre doch nicht so gefährlich, was mir ganz entgegenkommen würde.

Ein weiteres Knacken ließ mich aus meinen Gedanken hoch schrecken.
Das war nicht das Mädchen gewesen, auch wenn es aus ihrer Richtung kam.
Denn diese kam mir gerade aus ihrem Gebüsch entgegen gestolpert.
Sie hielt sich vor Entsetzen die Hand vor den Mund und dachte womöglich schon gar nicht mehr an mich.

Knurrend kam ein grauer Wolf auf uns zu, schien jedoch eher mich anzuvisieren und nicht das schluchzende Mädchen neben mir.
Ebenso knurrend stellte ich mich vor sie, was sie zu irritieren schien, da sie leiser wurde oder aber es lag daran, dass sie bereits weg lief.
Fragend wie er mich finden konnte schlug ich mir innerlich selber mit der Hand gegen den Kopf, da hatte ich doch tatsächlich meinen Geruch vergessen.
Nachdem der Wolf mich einige Sekunden lang knurrend ansah, verweichlichte sich sein Blick und ich hörte eine leise Stimme in meinem Kopf.

Milo?

Flüsterte er und je länger ich den Anderen vor mir betrachtete, desto bekannter wurde er.
Ich hätte niemals erwartet ihn wieder zu sehen.

Zack?

Der graue Wolf verwandelte sich und schaute mich mit einem riesen Lächeln an, welches ich nach meiner Verwandlung erwiderte.

„Ich würde dich ja wirklich gerne umarmen, aber ich kann nicht gut laufen.", lachte ich ein wenig verzweifelt.

„Was ist mit dir passiert? Ich dachte du bist tot. Also.. ich meine... deine Eltern... sie sind...", stammelte er und kniete sich vor mich.

„Sie sind tot, ja. Und eigentlich sollte ich das auch sein, aber dummerweise habe ich den Autounfall überlebt.", beschämt schaute ich auf den Boden.

„Hey Kleiner, es ist schön dich wieder zu sehen.", heiterte der beste Freund meines Vaters mich auf und schloss mich in seine Arme.

Solitarius LupusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt