XXXI

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MILO

„Mum?", rief ich, als ich das leise Haus betrat.

Ich ging zuerst in die Küche, dann ins Wohnzimmer und zum Schluss durch die Terrassentür erneut nach draußen.
Ich erkannte meine Mutter auf einem Stuhl sitzend in der Sonne.
Es war Sommer und meiner Meinung nach viel zu warm.

„Hey Schatz.", ertönte ihre sanfte Stimme und ich lief freudig auf sie zu.

„Wo sind Dad und Josh?", fragte ich und blickte einmal um mich herum.

„Ich würde dir gerne etwas erzählen. Dein Vater hat sich mit ein paar Anderen aus dem Rudel zusammengesetzt, wegen einem Vorfall vor ein paar Stunden.", sprach sie und lächelte mich gequält an.

Ich hatte den ganzen Tag bei Troy verbracht, da Wochenende war und wir uns dann immer trafen.

„Was denn?", fragte ich skeptisch und setzte mich meiner Mutter gegenüber.

„Du weißt ja dein Bruder war nicht immer einfach. Und naja, er hat sich heute scheinbar dazu entschieden uns zu verlassen.", sagte sie.

„Wie meinst du das?"
Schockiert schaute ich sie an.

„Er ist weggelaufen."

„Was?!", schrie ich nun und sprang von meinem Stuhl auf.

Ich hetzte ins Haus und die Treppe hinauf ins obere Geschoss.
Das konnte er mir nicht antun.
Er war doch mein großer Bruder, ich brauchte ihn.
Ich, mit meinen 11 Jahren.

„Josh!", rief ich und rannte auf sein Zimmer zu.
Dort angekommen stoppte ich abrupt und betrachtete das Chaos im Inneren.
Seine Klamotten lagen verteilt auf dem Boden und die Bilder von den Schränken waren verschwunden.
Sein Kleiderschrank war verwüstet und auf seinem Bett lag ein einzelner Brief.

Ein Brief?

Schnellen Schrittes ging ich darauf zu und schnappte ihn mir.
Ich ließ mich auf die Matratze sinken und blickte auf die Schrift, welche den Umschlag zierte.

‚Miles'
Stand dort in seiner Handschrift.

Vorsichtig öffnete ich den Brief und las mir die Zeilen mehrmals durch.

‚Mein Kleiner,
Es tut mir leid dir das antun zu müssen und am liebsten hätte ich dich mitgenommen, aber dieses Kapitel meines Lebens muss ich alleine durchstehen.
Ich bin auf dem Weg zu jemanden der mir hoffentlich weiter helfen kann.
Der mir sagen kann was mit mir los ist und nicht wie unsere Eltern mich einfach weg sperrt und kein Wort zu mir sagt.
Ich hoffe, du kannst mir das alles irgendwann verzeihen und ich verspreche dir, wir werden uns wiedersehen.
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist werde ich dich finden und ich werde dir alles erklären.

Bis dahin, vergiss mich nicht und sei mir und auch Mum und Dad nicht allzu böse.

In Liebe, Josh.'

Eine Träne nach der Anderen lief meine Wangen hinab und manche tropften auf das Blatt Papier in meinen Händen.
Er hatte mir oft von diesem Plan erzählt.
Jedoch hatte ich nie daran gedacht, dass er es durchziehen würde.
Ich wusste wie schlecht es ihm ging, dass er die Situation, in welcher er seit drei Jahren steckte, nicht mehr lange aushielt.
Er war ja schließlich auch erst vierzehn.
Heute war wohl der Zeitpunkt gekommen.
Der Zeitpunkt an dem er den Mut gefasst hatte und sich nicht mehr einsperren ließ, als wäre er ein Monster.
Denn so hatten unsere Eltern ihn oftmals behandelt.

Solitarius LupusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt