XXVII

9.9K 428 22
                                        

MILO

„Jetzt schon? Spinnst du?!", schrie Kilian und ging wütend auf Troy zu.

„Hey! Stopp! Kilian lass ihn in Ruhe.", rief ich hinterher und er kam sauer wieder zu mir zurück.

„Du bist doch noch gar nicht wieder richtig fit. Was ist wenn etwas schief geht?"
Er legte seine Hände um mein Gesicht und schaute mich besorgt an.

„Eigentlich macht es keinen Unterschied. Das Gift ist nur dafür da um die Heilung anzuregen. Es kann ihn so oder so nicht verletzen, da es minimal dosiert ist. Außerdem geht es ihm gut. Das waren ja schließlich keine körperlichen sondern nur psychische Schmerzen in den letzten Tagen.", erklärte Troy langsam.

„Ich möchte es probieren, Kili. Mir geht es gut. Du glaubst gar nicht wie lange ich darauf gewartet habe und jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt. Wenn der Hybrid wirklich Schaden anrichten will, hätte er dies bereits getan.", überredete ich ihn und gab ihm zur Aufmunterung einen Kuss.

„Was glaubst du was ich alles mit dir anstellen kann, wenn ich zwei funktionstüchtige Beine habe?", grinste ich und kniff ihm in den Hintern, während ich an ihm vorbei auf Troy zu ging.

„Wie bitte? Du wirst überhaupt nichts mit mir anstellen können, denn ich werde weiterhin der Stärkere von uns beiden sein.", konterte er und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

„Werden wir ja sehen.", lachte ich.

„Ok. Nur noch mal damit es auch alle hier verstanden haben. Wenn das funktioniert und deine Nerven heilen dann wirst du nicht sofort laufen können. Du wirst dein Bein spüren, ja, aber die Muskeln sind lange nicht mehr beansprucht worden und brauchen ein wenig Training. Auch als Werwolf, verstanden?"
Troy blickte mich streng an und bekam ein Nicken meinerseits als Antwort.

„Und du, Kilian. Wirst dafür verantwortlich sein, dass der kleine Herr sich nicht überbelastet.", richtete er sich an seinen Alpha.

„Ok.", antwortete dieser nur.

Ich legte mich, wie vorher besprochen, auf die Couch und zog meine Jogginghose aus.
Die Spritze musste genau zwischen Bein und Hüftknochen eingeführt werden.

„Das wird weh tun. Und ich meine nicht die Spritze, denn die spürst du eher weniger.", sprach Troy und packte die Spritze aus seiner Tasche aus.

„Passt schon.", versuchte ich mir selber einzureden.

„Ich kann dir nicht sagen wie sehr, aber ich habe gelesen, dass die Patienten es kaum aushalten konnten und um sich geschlagen haben. Jeder reagiert aber anders, also..."
Er zuckte mit den Schultern und warf Kilian einen flüchtigen Blick zu.

„Mach schon.", jammerte ich und krallte mich bereits in die Polster.

Ich spürte einen leichten Stich, jedoch waren meine Nerven an der Stelle bereits nicht mehr in Ordnung, also fühlte ich eh nicht viel.

Meine Atmung wurde schneller und ich griff nach Kilians Hand, welche mir ein wenig Sicherheit gab.
Anfangs spürte ich nur ein Kribbeln, allerdings wurde dies immer intensiver und irgendwann war es als würden kleine Nadeln in mein Bein stechen.

Ich verzog mein Gesicht und keuchte auf als die Nadeln zu einem einzigen Brennen wurden.
Es fühlte sich an wie wenn mir jemand meine Haut verbrennen würde.
Mir wurde heiß und kalt und mir liefen bereits Tränen übers Gesicht.

Ich zerquetschte Kilians Hand und auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, tat ich ihm weh.
Also ließ ich seine Hand los und krallte meine Finger stattdessen in die Couch, welche ich augenblicklich durchbohrte.

Ich wollte mich verwandeln, jedoch wusste ich, dass Troy mich davor gewarnt hatte, dies nicht zu tun.
Denn dann würde all das nichts bringen und die Schmerzen wären umsonst gewesen.
Als ich das Gefühl hatte mein Bein würde komplett in Flammen stehen, wurde mir schwarz vor Augen.

Die Regentropfen lieferten sich ein Wettrennen auf der Scheibe und im Hintergrund erkannte ich verschwommen den Wald.
Ich schloss meine Augen, lehnte meinen Kopf gegen das Fenster und lauschte der Musik.

„Wir sind gleich da, Milo.", ertönte die liebevolle Stimme meiner Mutter.

„Mhm.", gab ich nur zurück und öffnete meine Augen wieder.

Mein Vater saß am Steuer und schenkte mir ein Lächeln durch den Spiegel.
Wir waren auf dem Weg zu einem Geschäftsessen.
Ein bekanntes Rudel durchstreifte unser Gebiet und der Alpha hatte uns als Dank zum Essen eingeladen.

Ich hatte keine Motivation mich zu den alten Leuten zu setzen und durchgehend ein Lächeln aufzusetzen.
Viel lieber würde ich jetzt in meinem Bett liegen und einen Film schauen.
Oder mit Troy etwas unternehmen.

Ich schloss erneut meine Augen, schreckte jedoch hoch als meine Mutter begann zu schreien.
Das Auto schleuderte durch die Luft und mit mehreren Umdrehungen landeten wir im Graben.
Ich bekam alles nur in Zeitlupe mit und erkannte eine schwarze Gestalt am Wegrand stehen, welche das Geschehen beobachtete.

Mein Kopf war mehrmals gegen irgendetwas geknallt, weswegen mir schwindelig war und ich nicht mal mehr wusste wo oben und wo unten war.
Meine Eltern lagen leblos zwischen den Bäumen, da sie aus dem Auto geschleudert wurden.
Ich hingegen saß weiterhin auf meinem Sitz und starrte auf ihre Körper.

Blaulicht und Sirenen erklangen in der Ferne und kurze Zeit später liefen mehrere Menschen auf meine Eltern zu.
Ich bemerkte nur nebenbei wie mich jemand entdeckte und ich aus dem Auto gehoben wurde.
Ich spürte meinen eigenen Körper nicht mehr. Ich wusste nicht ob es an dem Schock lag oder an der Spritze, welche von meinem Arm abfiel und im Wasser landete.

Ruckartig schlug ich meine Augen auf und blickte mich in dem Raum um.
Ich erkannte mein Wohnzimmer und die Couch, auf welcher ich mich aufrichtete.
Sie hatte Löcher von meinen Fingern und es brannte Licht in der Küche.

Ich setzte meine Beine auf den Boden und schaute verwirrt auf meine Füße, welche ich beide bewegen konnte.
Ich riss meine Augen auf und berührte mein rechtes Bein.
Ich lachte auf als ich bemerkte, dass ich die Berührung spürte.

Durch die Geräusche die ich verursachte, stürmten Kilian und Troy ins Wohnzimmer.

„Geht es dir gut?", fragte Kilian und gab mir einen Kuss.

„Ja.", lachte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Warum weinst du dann?", fragte er panisch und strich über meine Wangen, auf welchen weitere Tränen entlangliefen.

„Ich kann mein Bein spüren.", lachte ich und fiel ihm um den Hals.

Solitarius LupusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt