„Na, Jungkook, wie fandest du die Sightseeing-Tour?", grinste Yoongi seinen Kumpel schadenfroh an, ehe er sich eine Gabel mit Nudeln in den Mund schob. Jungkook, der ihm gegenüber saß, knurrte nur als Antwort und unterdrückte den Drang, dem Anderen einen Tritt gegen das Schienbein zu verpassen. Auch Namjoon hatte ein Grinsen auf den Lippen. Am liebsten hätte Jungkook sein Essen in die Gesichter seiner Freunde geschleudert. Die beiden hatten den ganzen Tag über Spaß gehabt, während er und Jin an Personen gebunden gewesen waren, die nicht unbedingt zu ihren ersten Wahlen gehört hätten. „Frag doch Jin, wie sein Tag war", gab der Dunkelhaarige die Frage weiter. Jin neben ihm kaute langsam und setzte einen ebenso genervten Blick auf wie Jungkook auf. Nur am Rande hatte der Jüngste mitbekommen, dass Jin sich den ganzen Tag mit Choi rumschlagen musste, und so tun musste, als würde ihn die deutsche Kultur und die Innenstadt interessieren. Auch bei der Rückkehr ins Hotel hatte der Lehrer lange nicht von dem Jungen abgelassen, sondern hatte ihn munter weiter in ein Gespräch verwickelt. Die Jungs hatten die Vermutung aufgestellt, dass der Lehrer sonst niemanden in seinem Leben hatte, an dem er sein Mitteilungsbedürfnis auslassen konnte.
Jin schluckte das Essen herunter, ehe er die Frage beantwortete. „Der war super. Wusstet ihr, dass Berlin mehr Brücken als Venedig hat?" Die Jungs schüttelten den Kopf, außer Yoongi hatte es auch niemanden interessiert und Jin schnaubte. „Ich wollte es auch nicht wissen. Aber der Typ hat mich ja nicht gefragt, ob ich seine Infos will." Kopfschüttelnd widmete er sich wieder seinem Essen und Namjoon stupste Jungkook am Oberarm an. „Und, JK? Gut mit Taehyung unterhalten?", hakte er nach und der Dunkelhaarige holte aus, um dem Anderen unter dem Tisch eine Lektion zu erteilen. „Hat irgendwann die Fresse gehalten", erklärte er dann gleichgültig. Tatsächlich hatte der Rothaarige aufgegeben, nachdem sie noch einige weitere Freundlichkeiten ausgetauscht hatten. Was danach passiert war, wusste Jungkook nicht mehr, da er mit der leisen, knacksenden Mikrofonstimme eingedämmert war und erst wieder aufgewacht war, als zurückhaltender Applaus erklungen war und der Einheimische den Bus verlassen hatte. Doch auch dann hatte Taehyung ihn kein Stück beachtet und der Jüngere war auch ganz zufrieden damit. „Mal schauen, ob er später wieder eingepennt ist", zuckte er mit den Schultern. Wenn er Glück hatte, duschte der Andere immer morgens und Jungkook musste sich abends nicht nach ihm richten. „Ich drück dir die Daumen." Yoongi stand auf und die anderen taten es ihm gleich. Sie traten in den Aufzug und verabschiedeten sich, als Jungkook sein Stockwerk erreicht hatte. „Bis morgen, Jungs."
Taehyung saß auf seinem Bett und tippte in seinem Handy herum. Er hob kurz den Kopf, als Jungkook das Zimmer betrat, kümmerte sich aber nicht weiter um seinen Zimmerpartner. Schweigend lief Jungkook zu seinem Bett und warf sich erstmal darauf. Auch ohne viel körperliche Anstrengung war er schon wieder total erschöpft. „Duschst du immer morgens?", fragte er dann mit geschlossenen Augen in die Stille hinein. Ein Brummen war die Antwort. Ach so, dachte Jungkook, danke für die Info. Er öffnete die Augen. Noch immer saß Taehyung unverändert da und war in sein Handy vertieft. „Ja, nein, vielleicht?", hakte er weiter und der andere hob den Blick. „Ja, tue ich." Er klang geistesabwesend, doch Jungkook erhob sich nur von seinem Bett, zufrieden, dass das Gespräch nicht länger geworden war. Er ging zur Kommode und zog sich Kleidung heraus, ehe er schweigend zum Badezimmer ging und sich einschloss. Wenn die ganzen zwei Wochen so verliefen, würde es nicht so schlimm werden. Hoffte er zumindest. Seine getragenen Klamotten landeten auf den weißen Fliesen und er drehte das Wasser auf. Eigentlich ging das klar, wenn beide Jungs nur das Nötigste sprachen. So gab es weder überflüssigen Streit, der die ganze Reise vermiesen konnte, noch irgendwelche Sympathien, die sie gegenseitig aufbauen könnten. Mit diesem Weirdo wollte er weiterhin nichts zu tun haben. Nach der Fahrt würden sie wieder getrennte Wege gehen und sich nie mehr so nahe kommen wie jetzt. Zuversichtlich stieg Jungkook aus der Dusche und verließ mit seinen Klamotten unterm Arm das Bad.
„Lässt du dieses Mal die Tür bitte offen?", empfing ihn Taehyungs tiefe Stimme emotionslos und er verdrehte die Augen. „Wieso sollte ich?", wollte er wissen. „Weil es sonst morgen früh immer noch so dampfig da drinnen ist, so heiß wie du duschst", erklärte ihm die Stimme vom Bett des Anderen und störrisch warf Jungkook die Wäsche in seinen Koffer. „Mach du doch", sprach er ein wenig trotzig. Ihm war bewusst, dass er sich aufführte wie ein Kleinkind, doch der desinteressierte, aber dennoch besserwisserische Ton von Taehyung ging ihm auf die Nerven. „Bist du aus dem Kindergarten ausgerissen?", bemerkte dieser da auch schon, ohne den Blick zu heben. „Wäre ich nur dort geblieben. Wäre netter als hier mit dir zu sein", konterte der Dunkelhaarige genervt und schlüpfte in sein Shirt. Taehyung hob den Kopf und musterte den Jungen unbeeindruckt. „Muss ich die scheiß Tür jetzt wirklich selbst aufmachen?"
Als er keine Antwort erhielt, stand er seufzend auf, warf sein Handy auf die Matratze und murmelte etwas von „Hurensohn", ehe er die Tür demonstrativ öffnete und Jungkook mit einem genervten Blick bedachte. „Ja, du auch", erwiderte Jungkook zugegebenermaßen unkreativ, doch er wollte seine müden Hirnzellen nicht für diesen Idioten anstrengen. Taehyung kehrte zu seinem Bett zurück, als eine leise Melodie ertönte. Der Reaktion des Rothaarigen zu urteilen war es sein Handy. Jungkook grinste. „Süße Melodie", stichelte er, während Taehyung nach dem klingelnden Gerät griff und einen Blick daraufschaute. „Halt den Mund, Jungkook", sprach er ruhig und nahm das Handy an sein Ohr. „Ist das deine Onlinebeziehung?", fuhr Jungkook fort. In der Schule erzählte man sich allerhand über Taehyung. Von „Kim Taehyung ist der Anführer einer der besten Gilden in Onlinegame xy" über „Kim Taehyung hat eine Freundin, die er nur übers Internet kennt", bishin zu „Kim Taehyung versendet Dickpics an Mädchen in der Schule" war an Gerüchten über den Rothaarigen schon alles vorgekommen. Jungkook hatte sie nie geglaubt oder verbreitet, denn über den Jungen wusste er so gut wie nichts mit Sicherheit. Dass er sehr viel Zeit online verbrachte, war bekannt, aber ob er da nun Kerle oder Mädels kennenlernte, wusste ebenfalls niemand.
„Sag ihr liebe Grüße", näselte Jungkook weiter, da war Taehyung mit zwei großen Schritten bei dem Anderen angekommen und funkelte ihn an. Das Handy hatte er noch immer an seinem Ohr. „Einfach mal die Fresse halten, wenn man keine Ahnung hat, Jeon", zischte er bedrohlich und leise. Es war das erste Mal, dass Jungkook eine klare Emotion in den dunkelbraunen Augen des Rothaarigen erkennen konnte. Er erwiderte nichts, doch er konnte eine leise Stimme aus dem Handy des Anderen vernehmen, als dieser von ihm abließ und das Zimmer verließ. Schulterzuckend schlüpfte Jungkook unter seine Decke und griff ebenfalls nach seinem Handy. Die Reaktion von Kim Taehyung hatte ihn stutzig gemacht. Noch lange dachte er darüber nach, während er Twitter und Instagram durchscrollte. Dann schrieb er seiner Familie einen kleinen Text und machte sich eine Serie an, während er immer wieder auf die Uhr sah.
Nach einer Stunde, in der Taehyung noch immer nicht wieder aufgetaucht war, legte er sein Handy weg und wälzte sich herum. Von seinem Bett aus konnte man die Tür sehen. Er fragte sich, ob Taehyung eine Plaudertasche war oder sich eingeschnappt irgendwo verkrochen hatte. Doch das gleichgültige Gesicht des Rothaarigen, das einige Minute später wieder auftauchte, gab ihm keinerlei Auskunft. Der Dunkelhaarige drehte sich zum Fenster und beschloss zu schlafen. Was dieser Junge, wo, mit wem und wie lange machte, war ihm ja auch herzlich egal.
Er hörte, wie Taehyungs Decke raschelte, als dieser sich in sein Bett legte. Dann folgte nur noch gleichmäßiges Atmen, über das Jungkook irgendwann einschlief.
DU LIEST GERADE
fire [taekook]
FanfictionNiemand mochte Taehyung. Er färbte sich die Haare in den abartigsten Farben, war still, langweilig, und wenn er seine Zeit nicht gerade mit seltsamen Büchern verbrachte, lebte er im Internet. Niemand mochte Taehyung und auch Jungkooks Begeisterung...