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Wie in Watte bekam der Dunkelhaarige mit, wie Taehyung ihn behutsam durch die Dunkelheit bugsierte. Noch immer schlug sein Herz wie verrückt und das Atmen fiel ihm zunehmend schwer. Die Zeit hier drin kam ihm vor wie eine Ewigkeit, und er hatte nach drei Türen aufgehört zu zählen. Seine eiskalte Hand lag zitternd und doch kraftlos in Taehyungs Hand, die sich beschützend und warm um seine schloss.

Jungkook war verwundert gewesen, wie groß die Hände des Anderen waren, doch er sprach es nicht an. Er fühlte sich nicht im Stande, seine eigene Stimme zu kontrollieren. Auch Yoongis Stimme aus dem Walky Talky nahm er nur am Rande war.

Als dann endlich die letzte Tür aufging und hinter dieser das erlösende Licht schien, als wäre es von Gott höchstpersönlich geschickt worden, waren Jungkooks Nerven bis zum letzten Rest strapaziert. Yoongi zog ihn direkt in seine Arme und Jungkook bekam gerade noch mit, wie seine noch immer kalte Hand der von Taehyung entglitt und dieser ein wenig verlegen neben den beiden stehen blieb.

„Du hast es geschafft", wisperte Yoongi ihm beruhigend ins Ohr und ein zittriges Atmen war die Antwort. Eine Weile verharrten sie so, bis sich der Jüngere ein wenig beruhigt hatte. „Wieso hast du nicht abgebrochen, Kookie?", fragte Yoongi sanft und schaute Jungkook ins Gesicht. „Ich habe es ihm oft angeboten. Aber er meinte, es ginge schon", schaltete sich da der Rothaarige ein und Jungkook drehte sich langsam um. In seinen Augen war die Situation extrem peinlich. Yoongi stieß ihm einen Finger in die Seite.

„Danke, Taehyung", stotterte er also mehr oder weniger freiwillig, was der Ältere mit einem sanften Lächeln beantwortete. „Aber wenn das hier jemand erfährt, der gerade nicht im Raum ist, dann muss ich dich leider umbringen", fügte der Dunkelhaarige hinzu und fuhr sich durch die Haare. „Zuerst musst du mich noch kastrieren", erinnerte er ihn mit einem Zwinkern und legte das Walky Talky weg. Jungkook räusperte sich. Er wurde die, zugegebenermaßen ziemlich angenehme, Wärme an seiner Hand nicht los, welche der Rothaarige hinterlassen hatte.

„Wo sind die Mädels hin?"

Im Hotelzimmer seiner Freunde saß Jungkook abends mal wieder gemeinsam mit Jin, Namjoon und Yoongi auf Jins Bett und quatschten. Yoongi wusste, wie peinlich Jungkook seine Achluophobie war, aus diesem Grund hatte er nichts vor ihren Freunden gesagt. Jungkook war ihm wahnsinnig dankbar dafür, auch wenn er wusste, dass die Jungs ihn nicht auslachen würden. Doch ihm reichte es, dass Yoongi und nun auch Taehyung davon wussten.

Taehyung war vorhin erneut angerufen worden und hatte wortlos das Zimmer verlassen, kurz bevor Jungkook den anderen einen Besuch abgestattet hatte. „Wieso habt ihr denn so lange gebraucht?", fragte Namjoon interessiert nach, den Arm locker um Jins Schulter gelegt. Yoongi zuckte mit den Schultern. „Wenn du mit vier Idioten zusammenarbeiten musst, die alle gar keine Ahnung von Rätseln haben, dauert das seine Zeit", grinste er schließlich überzeugend.

Im Endeffekt waren seine Worte nicht einmal gelogen. Auch im ersten Raum hatten sie der Gesamtstatistik nach überdurchschnittlich lange gebraucht. „Du Armer. Hoseok ist ein richtiges Genie bei solchen Dingen", erzählte Jin und ließ seine Finger wie nebenbei durch die blonden Strähnen seines Kumpels fahren. „Ja, so schlimm ist der Typ gar nicht!", pflichtete Namjoon ihm bei, der zufrieden die Augen geschlossen hatte. Jungkook und Yoongi tauschten einen Blick aus.

Jungkook grub in seinen Erinnerungen nach dem Jungen, von dem die anderen sprachen. Jung Hoseok war ein aufgedrehter und freundlicher Klassenclown, der trotzdem nie wirklich zu den beliebtesten Schülern gehört hatte. Er bewegte sich in der soliden Mitte und hatte einige Freunde, doch trotzdem hatte Jungkook nie das Bedürfnis verspürt, diesen Kerl näher kennen zu lernen. Die Dinge, die er über ihn wusste, hatten ihm gereicht und seine stets fröhliche Art hatte ihn manchmal schon zu Aggressionen verholfen.

Im Flur, auf den Weg in sein Zimmer, stieß Jungkook mit jemandem zusammen. „Was machst du denn hier?", begrüßte er den Rothaarigen und bewegte sich einen Schritt von ihm weg. Taehyung kam vom Treppenhaus und hatte sein Telefon in der Hand. „Ich laufe", gab Taehyung zurück, „und du?"

„Ich laufe auch, schätze ich."

„Ach ja, wegen heute im Escaperoom-"

„Kannst dir deine blöden Kommentare sparen, danke", unterbrach Jungkook ihn. Er hasste es, wenn Leute meinten, ihn im Nachhinein auf seine Angst ansprechen zu müssen, ganz gleich, ob sie es gut oder böse meinten.

„Tue ich, keine Angst", fing der Ältere erneut an, „ich wollte dir nur sagen, dass Ängste total normal sind und du dich nicht dafür schä-"

Grob schnitt Jungkook ihm das Wort ab. „Brauchst du mir nicht sagen", sagte er bestimmt und etwas harscher als beabsichtigt, doch Taehyung schloss den Mund und nickte. „Na dann." Er klang wieder so kalt und desinteressiert wie immer und setzte sich in Bewegung.

Hilflos sah Jungkook ihm hinterher. Er wollte den Anderen nicht anfahren, doch dieses Thema machte ihn jedes Mal aufs Neue aggressiv und zu abweisend. Er wusste das, genauso wie er wusste, dass Taehyungs Worte wahr waren. Doch es war trotzdem nicht so leicht, wie es schien.

Er wollte Taehyungs Namen sagen, doch seine Stimme versagte, bevor er die zweite Silbe erreicht hatte. Entmutigt ließ er die Schultern hängen und kehrte nach etwa zehn Minuten voller Gedanken in ihr Zimmer zurück, wo Taehyung bereits in seinem Bett lag und sich nicht rührte.

Noch lange sah der Dunkelhaarige auf den rot leuchtenden Schopf und überlegte, ob er sich entschuldigen sollte.

fire [taekook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt